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EKG identifiziert Kranke in Arrhythmie-Gefahr

Die wissenschaftliche Untersuchung mit Erstautor Axel Bauer, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin III in Innsbruck, wurde am Montag beim europäischen Kardiologenkongress (ESC/bis 4. September) in Paris präsentiert. Gleichzeitig erfolgte die Publikation der kompletten Studie in der britischen Medizinfachzeitschrift "The Lancet".

"Wir sind einen entscheidenden Schritt in der Bekämpfung des plötzlichen Herztodes weitergekommen. Mit "Periodic Repolarization Dynamics" (PRD), sind wir nun erstmals in der Lage, personalisierte Therapieentscheidungen zu treffen", berichtete der Innsbrucker Kardiologe anlässlich der Studienpräsentation bei dem Kongress mit mehr als 30.000 Teilnehmern.

PRD ist eine nicht-invasive und für Patienten nicht belastende computerbasierte EKG-Methode, um Stressnerv-induzierte elektrische Instabilitäten des Herzens zu quantifizieren. "Je höher der PRD-Wert, desto stärker der lebensverlängernde Effekt einer prophylaktischen ICD-Therapie", sagte Bauer. "Patienten mit hohem PRD-Wert profitierten von einer ICD-Implantation hinsichtlich einer Sterblichkeitsreduktion deutlich mehr als Patienten mit niedrigem PRD." In Vorstudien erwies sich ein erhöhter PRD als starker und unabhängiger Prädiktor für bösartige Herzrhythmusstörungen und plötzlichen Herztod.

"Die Studienergebnisse haben große Bedeutung für den einzelnen Patienten, wenn es darum geht, individuell die Vor- und Nachteile einer prophylaktischen ICD-Therapie abzuwägen", so der Experte. Die Ergebnisse hätten darüber hinaus große gesundheitsökonomische Bedeutung. "So kann die Zahl der ICD-Implantationen, die nötig sind, um ein Leben zu retten (,number needed to treat"), durch PRD-Bestimmung deutlich reduziert werden."

Die in Paris vorgestellte, groß angelegten europäischen Studie "EU-CERT-ICD", die an 44 Zentren in 15 europäischen Ländern über fünf Jahre durchgeführt wurde, haben die Wissenschafter 1.371 Patienten mit Herzschwäche begleitet. Bei 968 Patienten wurde ein ICD implantiert, bei 403 entschied man sich für ein konservatives Vorgehen ohne ICD-Implantation. Bei allen Patienten wurde der PRD-Wert vor ICD-Implantation bzw. bei Studieneinschluss bestimmt.

Die mittlere Beobachtungszeit betrug 2,7 Jahre bei den Patienten nach Cardioverter/Defi-Implantation und 1,2 Jahre in der Vergleichsgruppe. In der ICD-Gruppe starben 14 Prozent der Kranken, in der konservativ behandelten Gruppe 16 Prozent. Insgesamt reduzierte ein Cardioverter/Defi das Mortalitätsrisiko im Vergleich zu den Patienten ohne Implantation um 43 Prozent. Bei den Kranken mit hohen PRD-Werten lag dieser Vorteil bei einer Verringerung der Sterblichkeit gar bei minus 75 Prozent. Patienten mit geringen PRD-Werten zeigten hingegen eine Verringerung der Sterblichkeit um 31 Prozent.

Fazit: Um bei den Herzschwächepatienten mit dem größten Arrhythmie-Risiko einen plötzlichen Herztod zu verhinderten, sind statistisch nur 3,1 ICD-Implantierungen notwendig. Bei Patienten mit einem geringen Risiko tritt dieser Effekt bei statisch errechneten 18,3 Implantierungen auf. Die EU-Mitgliedsstaaten geben für rund 100.000 ICD-Implantationen pro Jahr und deren Nachsorge rund zwei Milliarden Euro aus.

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