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Omegle und Chatroulette: Anonymer Videochat feiert sein Comeback

Im Frühjahr kamen auf einmal neue Wege der Kommunikation auf: Da war der Zoom-Boom, dann feierte man mit FreundInnen virtuell und spielte zusammen Online-Games. Trotz der etwaigen neuentdeckten Hobbys ging dennoch eines verloren: Das Knüpfen neuer Kontakte. Und da noch länger kein Ende der Pandemie in Sicht ist, griffen die Menschen offenbar vermehrt auf altbekannte Videochats mit Fremden zurück.

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Bereits seit Mai 2020 verzeichnen die Videochat-Plattformen Omegle und Chatroulette einen enormen Anstieg an Zugriffen. Die Seiten paaren jeweils fremde NutzerInnen für einen Videocall und ermöglichen Chats auf der ganzen Welt.

Sie wurden beide 2009 gegründet und erfreuten sich damals großer Beliebtheit bei Jugendlichen. Im ersten Jahr verzeichneten die Seiten eine Million TeilnehmerInnen pro Tag. Schnell wurden die Seiten jedoch missbraucht und mit unangebrachten Inhalten zugespamt. Oftmals filmten sich Erwachsene beim masturbieren und verstörten die Kids. Hat sich das nun geändert?

Die Seite Omegle erklärt beispielsweise auf ihrer Website, dass sie zwar unangemessene Videos so schnell wie möglich sperren würde, man jedoch trotzdem vorsichtig sein sollte. Man solle vor allem keine persönlichen Informationen preisgeben und könne jederzeit aus dem Chat austreten.

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Laut Google Trends wird seit März 2020, also seit dem ersten weltweiten Lockdown, wieder vermehrt nach Omegle gesucht. Die Website wirbt damit, dass sie der perfekte Weg wäre, trotz Social Distancing neue Kontakte zu knüpfen. 

Andrey Ternovskiy, CEO von Chatroulette, verriet gegenüber "Bustle", dass vor der Pandemie täglich um die 48.000 UserInnen auf Chatroulette aktiv waren, mittlerweile sind jedoch mehr als 148.000 pro Tag Online. Auch Omegle verzeichnete im Oktober 2020 fast 47 Millionen UserInnen.

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Cyberpsychologin Dr. Joanne Meredith erklärt gegenüber "i-D", dass die neu aufflammende Beliebtheit auf dem sogenannten Online-Enthemmungseffekt beruht. Das bedeutet, man handle online anders, als man es in der Realität tun würde. Dieser Effekt würde sich laut Dr. Meredith durch die Anonymität in den Videochats verstärken.

Dr. Jacob Juhl, Psychologe an der Universität von Southampton, verweist in dem Artikel zudem auf den Aspekt der Nostalgie. "Forschungen haben ergeben, dass Menschen nostalgisch werden, wenn sie mit Bedrohungen konfrontiert werden. Das ist ein Weg, mit der psychischen Belastung umzugehen", so der Psychologe.

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Neben dem randomisierten Chats wurde Omegle auch von InfluencerInnen und TikTok-Stars verwendet, um Fans zu treffen oder Content für ihre Plattformen zu generieren. Make-up-Artist James Charles ließ beispielsweise sein Make-up von Omegle-Userinnen bestimmen und erlangte mit dem Video mehr als acht Millionen Views.

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YouTuberin Emma Chamberlain feierte sogar ihren Geburtstag im Lockdown mit Fremden auf Omegle. Sieht man danach den Videozusammenschnitt auf ihrem YouTube-Kanal, hat man das Gefühl, die Zeiten von unangebrachten TeilnehmerInnen sei vorbei. Das täusche, so die Engländerin in ihrem Recap. "Ehrlich gesagt, war es ziemlich traumatisierend, ich habe viele Dinge gesehen, die ich nicht wollte", so Chamberlain.

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Ein Weg, um solchen Zusammentreffen zu entgehen, ist die neue Funktion der Tags. Gibt man beispielsweise "TikTok" ein, ist die Chance durchaus größer, seinen liebsten TikTok-Star oder zumindest Gleichgesinnte zu finden. Bis man wieder unzählige Kontakte in der Realität knüpfen darf, sind Omegle und Chatroulette wohl ein würdiger Zeitvertreib. Ob das auch nach der Pandemie so sein wird, bleibt abzuwarten.