Meinung

Behaart, na und? Warum wir Körperbehaarung normalisieren sollten

Betrachtet man Bilder aus den 80er-Jahren, so fällt schnell auf, dass die Menschen auf den Fotos ihr sprießendes Körperhaar zelebrieren. Haarige Achseln zum Beispiel wurden jedoch in den 90ern immer seltener und spätestens mit den 2000ern war Kahlschlag angesagt. Erst Mitte der Zehnerjahre wurden behaarte Achseln im feministischen Kontext wieder vermehrt mit Stolz präsentiert. Behaarung unterliegt also dem Trend und richtet sich laut "NZZ" stark nach gesellschaftlichen Normen – je nach Kultur und religiösen Bekenntnissen folgt Körperhaar auch speziellen Traditionen, Bräuchen und Stilen.

Alle Inhalte anzeigen

Haarwachstum und Pubertät

Wie stark das Haarwachstum ausfällt, ist laut "Msd Manuals" individuell unterschiedlich. Bei Männern variiert die Intensität der Körperbehaarung stark, deshalb sehen nur wenige das als Grund an, dies medizinisch oder gar emotional zu hinterfragen. Bei Frauen hingegen ist ein Behaarungsgrad, der als übermäßig angesehen wird vom ethnischen und kulturellen Hintergrund abhängig. Dies könne kosmetische und psychologische Auswirkungen haben.

Mit dem Einsetzen der Pubertät setzt laut "Profamilia" der Haarwuchs bei Kindern in der Intimzone ein – also Schambehaarung, aber auch Gesichtsbehaarung und Achselbehaarung. Hormone sind für die sprießenden Haare verantwortlich. Je nach Zusammensetzung des "Hormoncocktails" und genetischer Veranlagung ist das Haarwachstum in Folge mehr oder weniger ausgeprägt.

Alle Inhalte anzeigen

Wie Männer ihre Bärte stylen, ist einerseits persönliche Präferenz, andererseits auch Vorgaben des professionellen Lebens geschuldet. Ihr Körperhaar an Beinen, Achseln, Oberarmen und Brust wird oft als maskulin angesehen und begrüßt. Natürlich gibt es auch Trends, die Männer motivieren, sich den Rücken oder die Brust enthaaren zu lassen. Aber wie sieht das bei Frauen aus? Es scheint, dass es selbst im Jahr 2023 immer noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, dass diese tatsächlich Arm-, Bein-, Achsel-, und Schamhaar haben.

Alle Inhalte anzeigen

Eine glatte Göttin aus der Werbung?

Wer kennt nicht die zahlreichen Werbungen, in denen glattgeschorene Göttinnen in wallenden Kleidern und welligem Kopfhaar einen Strand entlanglaufen. Sich in Folge in Großaufnahme über die glänzende, makellose Haut streichen und glückselig lächeln – ob der erfolgreichen Haarentfernung. Ob das viel mit der Realität zu tun hat? Man darf es bezweifeln. Warum schwebt noch vielen Frauen und Männern das Idealbild von akkurat getrimmter Körperbehaarung vor?

Alle Inhalte anzeigen

Und, warum kommt natürliche Körperbehaarung in erotischen beziehungsweise pornografischen Inhalten selten bis nie vor? Auf TikTok sprechen sich viele (junge) Frauen darüber aus, dass sie sich Online und in romantischem Kontext oft mit Kommentaren auseinandersetzen müssen, die negativ gegenüber ihrer natürlichen Behaarung daherkommen. Die Nutzerin @tata_kitt7 sagt dazu: "Körperhaar ist normal an Frauen. Wenn man erwartet, dass sie total haarlos sind und man sie dafür erniedrigt, dann ist etwas falsch."

Sie bringt auch die Obsession der Gesellschaft mit Jugend und Kindlichkeit damit in Verbindung und sagt, dass Frauen eben bereits ihre Pubertät durchlebt hätten. Eine Enttabuisierung von (weiblicher) Körperbehaarung ist deshalb dringend nötig, schließlich möchte sich doch jede/r so wohlfühlen wie er/sie ist. Das findet auch die k.at-Redaktion! Welche Erfahrungen die RedakteurInnen mit der Tabuisierung von Körperbehaarung gemacht hat, erzählen wir euch hier:

Maria, 27 Jahre alt:

In der Volksschule war ich wohl eines der Mädchen mit den dunkelsten Haaren. Demnach war auch mein Körperhaar dunkler als das meiner aschblonden, hellblonden und brünetten Mitschülerinnen. Vor allem die sichtbaren Haare auf meinen Unterarmen machten mir zu schaffen, da diese ausgeprägt waren. Ein paar Mal rasierte ich meine Armhaare auch, da ich mich sogar dafür schämte T-Shirts anzuziehen und sie so zu zeigen. Die Stoppeln gefielen mir aber noch weniger, deshalb kam ich auch von diesem Plan wieder ab.

Ich habe das auch bei meiner Mutter beklagt, die mir positiv zugesprochen hat und sagte, dass dies doch etwas Schönes ist. Ganz geglaubt habe ich ihr auch damals nicht, weil ich deshalb oft negative Blicke und Kommentare von Jungs kassierte. Da dauerhafte Haarentfernung und das Rasieren keine Option für mich waren, entschloss ich mich, die Haare einfach stehen zu lassen. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und denke kaum mehr darüber nach. Bezüglich meiner Behaarung an den Beinen oder der Intimbehaarung bin ich aber noch immer nicht wirklich entspannt. Meine Achseln rasiere ich auch dauernd – was aber eher hygienische Gründe hat.

Alle Inhalte anzeigen

Dario, 22 Jahre alt:

In meiner Erfahrung werden Männer oft geshamed  oft auch von Männern – gleichermaßen für vorhandene und nicht vorhandene Haare! Gerade in einer Kultur, in der Bartwuchs als Zeichen des Erwachsenwerdens gesehen wird, ist das Fehlen von Haaren oftmals ein schwieriges Thema. Gleichermaßen wurde ich von meinen Klassenkameraden oft auf meine für Österreicher untypische Behaartheit, gerade an Beinen und Armen, angesprochen, worauf ich immer nur geantwortet habe: "Ich bin halt Südeuropäer".

Alle Inhalte anzeigen

Sarafina, 29 Jahre alt:

Ich hatte schon immer ein sehr komisches Verhältnis zu meiner Körperbehaarung. Es fing schon in meiner Jugend an, dass ich immer wieder wegen meiner dunklen Armhaare gehänselt wurde. Meine Balkan-Gene haben mir eben einen starken Haarwuchs beschert – auch im Gesicht, denn der Damenbart muss auch regelmäßig entfernt werden. Was meine Armbehaarung betrifft: ich rasiere meine Arme seitdem ich circa 12 oder 13 Jahre alt bin. Jetzt mit 29 kann ich es mir noch immer nicht abgewöhnen, bei jedem Duschgang mit dem Rasierer über meine Arme zu fahren und alle Härchen zu beseitigen.

Diese Einstellung hat sich mittlerweile auf meinen gesamten Körper ausgedehnt. Am schlimmsten war es für mich immer, wenn ich ein spontanes Date hatte und man miteinander intim wurde, oft habe ich mich gerechtfertigt, wenn ich wusste, dass ich an den Beinen oder im Intimbereich nicht perfekt rasiert war. Das häufige "na und?" hat mich immer wieder überrascht. Im Endeffekt zeigt es mir aber nur, dass ich nicht so streng mit mir und meinem Körper sein darf. Die Gesellschaft und die Pornoindustrie haben uns so ein perfektes Körperbild von Frauen eingetrichtert, dass es manchmal sehr schwierig sein kann, seinen Body so zu akzeptieren, wie er ist.

Körperbehaarung ist normal, get over it. 

Alle Inhalte anzeigen

Justyna, 34 Jahre alt

Ich persönlich feiere Personen – speziell Frauen –, die bewusst Haare zeigen und sich nicht rasieren. Hin und wieder kommt es auch bei mir vor, dass ich meine Achselhaare einfach wachsen lasse. Ein Problem wird's dann nur, wenn sie zu lang sind. Ich habe nämlich dann das Gefühl, dass ich dann mehr nach Schweiß stinke, weil die Härchen den Gestank auffangen beziehungsweise verbreiten.

Aber sagen wir's so: Ich traue mich auch mit Achselhaaren im Sommer nach draußen.

Alle Inhalte anzeigen