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Europatag: Nehammer für Deregulierung in der EU

Momentan gebe es eine Überregulierung, kritisierte Nehammer am Montag beim Festakt zum Europapatag im Parlament in Wien. Österreich sollte außerdem als neutrales Land die Chancen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nutzen. EU-Budgetkommissar Johannes Hahn forderte mehr Geld: Das aktuelle EU-Budget sei "nicht fit" für künftige Herausforderungen.

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Es wäre eine Tragödie, wenn Europas Industrie Standorte verliere, warnte der Bundeskanzler. Europa habe große Konkurrenten. Nehammer nannte etwa die USA, Indien, China und Lateinamerika. Der Kanzler forderte auch ein Umdenken der Europäer. Diese würden dazu neigen, sich für überlegen zu halten, was höchst bedenklich sei. "Wir müssen lernen und begreifen, dass wir per se nicht die Welt überzeugen." Die Europäer müssten Verbündete finden und anderen Nationen zuhören und auf sie zugehen.

Europa sei als jahrzehntelanges Friedensprojekt einzigartig, sagte Nehammer, der an die vom damaligen französischen Außenminister Robert Schuman angestoßene Vergemeinschaftung der Rüstungsressourcen erinnerte. Nun müsse man sich aber "der Realität stellen" und "Haltung zeigen" gegenüber Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, forderte der Kanzler. "Umso wichtiger ist es, die Werte zu verteidigen, gerade wenn der Krieg auf den Kontinent zurückgekehrt ist." Nehammer bekannte sich zur militärischen Zusammenarbeit bei gemeinsamen Rüstungsprojekten im Rahmen der EU. Das Luftverteidigungsprojekt "Sky Shield" habe eine große politische Dimension auch für neutrale Staaten.

Den Beitritt Österreichs zur EU 1995 bezeichnete Nehammer als "einen der wichtigsten Momente in der österreichischen Geschichte". Die Vorteile, die Österreich als exportorientierte Nation aus dem Beitritt gezogen habe seien riesig, so seien 1,2 Millionen Arbeitsplätze hinzugekommen. Nehammer rief die Bürger zur Teilnahme an der Europawahl auf. Der 9. Juni sei "die Chance zur Mitgestaltung".

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EU-Kommissar Hahn forderte: "Europa muss sich den globalen Herausforderungen stellen." Es gehe darum, die Globalisierung mitzugestalten anstatt sich ihr defensiv zu ergeben. Europa müsse in seine Wettbewerbsfähigkeit investieren und sich umfassend Sicherheitsfragen widmen. Hahn kritisierte bestehenden Protektionismus unter den EU-Staaten, etwa wenn nach wie vor technische Überprüfungen beim Import von Autos durchgeführt oder Züge lange an der Grenze technisch kontrolliert würden.

Hahn kritisierte auch das Zaudern der Europäer bei Freihandelsabkommen, wie etwa jenem mit den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten. Diese wären heute nur mehr zu anderen Bedingungen zu einem Abschluss bereit, so Hahn. Man müsse "das Eisen schmieden, so lange es noch warm ist".

Vor dem Hintergrund der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, warnte Hahn, zu glauben, dass die EU abseits stehen könne, wäre "das Fatalste, was wir tun können". Europa könne sich nicht mehr darauf verlassen, dass es von anderen verteidigt werde. Es sei gut, wenn die EU-Staaten ihre Verteidigungsbudgets erhöhten, aber nicht wenn sie dabei die Fragmentierung der Waffensysteme fortsetzen. Einer EU-Studie zufolge könnten 24 Milliarden Euro durch gemeinsame Einkäufe gespart werden. Hahn kritisierte überdies, dass die EU außenpolitisch keinen Einfluss in Syrien, Nahen Osten und Libyen habe, aber ständig mit Konsequenzen wie Flüchtlingsströmen konfrontiert sei.

Hahn plädierte für die EU-Erweiterung um die Ukraine und die Westbalkanstaaten. Ein Beitritt der Ukraine würde zwar 20 Prozent Mehrkosten im EU-Budget verursachen, doch wäre dies nur 0,2 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung. Durch die EU-Erweiterung von 2004 seien 26 Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden, davon sechs Millionen in den neuen Mitgliedstaaten.

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Hahn appellierte in Hinblick auf die Europawahl an die konstruktiven Kräfte, Europas Sicherheit und Wohlstand in der Welt abzusichern: "Das ist es, worum es am 9. Juni geht." Es wäre "fatal, sich Losungen statt Lösungen hinzugeben", warnte er. Schlagworte wie "nur Österreich" würden den Wohlstand gefährden, "Europa ist unsere gemeinsame Zukunftsversicherung".

Dass er selbst noch einmal als EU-Kommissar um eine weitere Amtszeit verlängern könnte, schloss Hahn zuvor in einem Gespräch mit Journalisten aus. Er habe bereits angekündigt, dass dies seine letzte Periode sei, und "daran ist nicht zu rütteln", sagte er. Die Bundesregierung sei aber nicht daran gehindert, schon wesentlich früher eine Nominierung für den künftigen EU-Kommissar oder die künftige EU-Kommissarin vorzunehmen. Sie müsse nicht auf eine Einladung des künftigen EU-Kommissionschefs warten.

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