Rumäniens Regierung greift erneut in Justizsystem ein

Premierministerin Dancila nimmt die Justiz ins Visier
Im EU-Ratsvorsitzland Rumänien hat die Regierung unter Ministerpräsidentin Viorica Dancila am Dienstag per Eilerlass erneut umfassend in das Justizsystem eingegriffen. Sie räumte der neuen Sonderermittlungsbehörde für Justizstraftaten beispiellose Vollmachten ein, schwächte die Rolle des Justizrates und schränkte die Amtsbefugnisse des Generalstaatsanwalts deutlich ein.

Konkret verabschiedete das Kabinett Dancila einen unter Federführung von Justizminister Tudorel Toader erarbeiteten Eilerlass, der die drei wesentlichen Justizgesetze (Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, Gerichtsverfassung und Justizratsgesetz) abermals ändert.

So soll der Generalstaatsanwalt künftig keine Entscheidung der Dezernenten der Sonderermittlungsbehörden mehr außer Kraft setzen dürfen. Damit will Regierung laut Kritikern verhindern, dass der amtierende Generalstaatsanwalt Augustin Lazar den Beschluss über die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gegen die frühere oberste Korruptionsjägerin Laura Kövesi oder sonstige, ähnlich umstrittene Verfahren gegen unbequeme Richter oder Staatsanwälte widerruft.

Weitere Änderungen sehen vor, dass sich künftig auch Richter für Chefermittler-Posten bewerben können, sofern sie in der Vergangenheit kurzfristig auch als Staatsanwalt tätig waren. Zudem wird die Amtszeit interimistischer Chefermittler auf 45 Tage begrenzt und die Rolle der Staatsanwälte-Abteilung des Justizrates bei der Ernennung von Chefermittlern geschwächt. Der neue Eilerlass zwingt den regierungskritischen Staatspräsidenten Klaus Johannis zur umgehenden Bestellung der vom Justizminister vorgeschlagenen Kandidaten, da die Ermittlungsbehörde ansonsten Gefahr läuft, nach 45 Tagen leitungslos zu bleiben.

Seinen Eilerlass begründete der rumänische Justizminister mit einem angeblichen einschlägigen Ansuchen des Justizrates. Letzterer dementierte daraufhin kategorisch, derlei Änderungen der Justizgesetze jemals angeregt zu haben.

Der frühere Präsident des Verfassungsgerichts, Augustin Zegrean, sagte am Dienstagabend dazu: "Damit ist Rumänien kein Rechtsstaat mehr." Justizgesetze ohne jegliche Debatte per Eilerlass abzuändern sei "wahnwitzig". Zegrean zufolge verfügt Rumänien nunmehr über "zweierlei Staatsanwaltschaften": eine normale, dem Generalstaatsanwalt formal unterstellte, und eine neue, der Exekutive untergeordnete, deren eventuelle missbräuchliche Vorstöße "von absolut niemandem" widerrufen werden könnten. Die neue Regelung, auch Richtern die Chance auf Chefermittler-Posten einzuräumen, wertete Zegrean als offenkundige "Belohnung" für der Regierungspartei "wohlgesonnene Richter".

Staatschef Johannis stellte in einer ersten Reaktion klar, dass es im Land unter keinen Umständen eine "politisch kontrollierte Justiz" geben dürfe, und warf der Regierungspartei vor, "Rechtsstaat, Land und Bürgern" abermals einen schweren Schlag versetzt zu haben.

Richter und Staatsanwälte-Verbände appellierten indes an das Staatsoberhaupt, wegen des neuen Eilerlasses umgehend die Venedig-Kommission des Europarates anzurufen. Generalstaatsanwaltschaft und Verfassungsrechtler verwiesen einhellig darauf, das der Erlass in Teilen verfassungswidrig sei. Doch können in Rumänien Eilverordnungen der Regierung ausschließlich vom Ombudsmann für Bürgerrechte beim Verfassungsgericht angefochten werden. Der jetzige Amtsinhaber, Victor Ciorbea, gilt als der Regierungspartei PSD treu ergeben.

Die rumänische Opposition wertete den Erlass als eindeutigen Affront gegen die EU; damit rücke wohl für das Land ein Verfahren nach Artikel 7 der Europäischen Verträge in greifbare Nähe, wie dies in jüngster Zeit bereits mit Polen und Ungarn geschehen ist.

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