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Ständige Entzündungen: Wann die Mandeln rausmüssen

Wer andauernd starke Halsschmerzen hat oder durch die Nase kaum Luft bekommt, sollte seine Mandeln untersuchen lassen. Sind sie häufig entzündet, kann der Arzt sie entfernen. Allerdings birgt der Eingriff Risiken - eventuell auch auf lange Sicht.

Das Schlucken fällt schwer und an Essen ist kaum zu denken: Eine Mandelentzündung tut höllisch weh. Neben den Gaumenmandeln können sich auch die Rachenmandeln entzünden. Die Folge sind Mittelohrentzündungen oder Probleme, durch die Nase zu atmen. Die Rachenmandeln sitzen nämlich weiter oben als die im offenen Mund sichtbaren Gaumenmandeln. Entzünden sich Rachen- oder Gaumenmandeln immer wieder, kann man sie in einer Operation entfernen lassen. Dieser Eingriff will aber wohlüberlegt sein. Gerade bei Kindern greifen Ärzte heute nicht mehr so schnell zum Skalpell.

"Eine Entfernung der Mandeln wird dann in Erwägung gezogen, wenn bei einem Patienten innerhalb eines Jahres mehr als drei Mal eine Mandelentzündung aufgetreten ist", sagt Oberarzt Christoph Reichel. Was viele nicht wissen: Auch Krebs gibt es in den Mandeln. Und wenn der Tumor nicht größer ist als die Mandel, lässt er sich mitsamt der Mandel gut entfernen, ergänzt Chefarzt Prof. Jochen Windfuhr.

Sind die Mandeln erstmal raus, machen sie keine Probleme mehr. Das klingt verlockend, aber ganz ohne Risiken ist die Operation nicht. "Daher machen sich Ärzte die Entscheidung nicht leicht", betont Reichel. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Bei Kindern etwa wird in aller Regel erst bei mehr als sieben Mandelentzündungen pro Jahr und ab dem sechsten Lebensjahr operiert.

Was die Operation so riskant macht, sind die möglichen Komplikationen. So kann es nach dem Eingriff zu Blutungen kommen. "In einigen Fällen kann der Blutverlust zum Tod des Patienten führen", sagt Reichel. Das ist zwar eher selten, aber es kommt vor. Statt gleich die kompletten Mandeln herauszuoperieren können deshalb bei manchen Patienten auch Teile entfernt werden.

"Das Blutungsrisiko sinkt bei einer Teilentfernung extrem", sagt Windfuhr. Studien hätten zudem einen positiven Effekt der Teilentfernung bei akuten Mandelentzündungen nachweisen können. Bei Kindern und Jugendlichen sind die Mandeln häufig sehr groß. In diesen Fällen kommt auch eine Mandelverkleinerung infrage.

Eine Mandel-OP kann aber möglicherweise noch weitere Nachteile haben. Forscher berichteten im Fachblatt "JAMA Otolaryngology-Head & Neck Surgery", dass das Langzeitrisiko für Krankheiten der Atemwege steigen könnte, wenn die Gaumen- und Rachenmandeln im frühen Kindesalter entfernt werden. Eigentlich sind die Mandeln nämlich dafür da, Erreger frühzeitig zu erkennen und abzuwehren. Die Forscher empfehlen daher, die Risiken einer Entfernung noch genauer abzuwägen.

Für die Studie hatte ein internationales Forscherteam die Daten von 1,2 Millionen Dänen ausgewertet, die zwischen 1979 und 1999 geboren wurden. Kinder, deren Gaumenmandeln bis zum 9. Geburtstag entfernt worden waren, hatten demnach ein etwa dreifach erhöhtes Risiko, bis zum 30. Lebensjahr an Asthma, Influenza, Lungenentzündung oder der Lungenkrankheit COPD zu erkranken. Kinder mit einer Rachenmandel-OP hatten, verglichen mit Kindern ohne diesen Eingriff, ein etwa doppelt so hohes Risiko für diese Leiden.

Allerdings ist die Arbeit der Forscher eine Beobachtungsstudie, bei der nicht der Frage nach Ursache und Wirkung nachgegangen wurde. Auch andere Gründe für eine spätere Atemwegserkrankung kommen infrage. So war etwa nicht bekannt, ob die Eltern der Kinder Raucher waren. "Die Aussagen der Studie sind durchaus kritisch zu bewerten, weil sie durch viele nicht kontrollierte Fehlerquellen beeinflusst sein kann", sagt Windfuhr.

Egal, ob nun eine Mandelentfernung für ein Kind oder für einen Erwachsenen ansteht: Patienten sollten das Gespräch mit dem Arzt suchen und mit ihm Chancen und Risiken abwägen. "Vor einer Operation müssen sämtliche blutverdünnende Mittel, die ein Patient möglicherweise einnimmt, abgesetzt werden, sofern nicht zwingende medizinische Gründe dagegen sprechen", betont Reichel. Generell müssen dem Operateur alle Medikamente genannt werden, damit er das Blutungsrisiko einschätzen kann.

"Nach dem Eingriff ist körperliche Schonung ein Muss", sagt Ursula Sellerberg von der Bundesapothekerkammer. Meist sind die Wunden nach zwei bis drei Wochen abgeheilt. "Nach der Operation sollten Patienten vor allem weiche und eher kühle Nahrungsmittel zu sich nehmen", sagt die Heilpraktikerin Ursula Hilpert-Mühlig. Bei festeren Speisen besteht das Risiko, dass beim Schlucken der Schorf an der operierten Stelle abfällt und es im Anschluss zu Blutungen kommt.

Wegen der Fruchtsäure sollten frisch Operierte vorerst kein Obst essen. Wer seinem Gaumen und Rachen etwas Gutes tun will, kann mit Salzwasser gurgeln. "Das desinfiziert", so Hilpert-Mühlig. "Mit Arbeiten und Sporttreiben sollten Patienten erst nach Rücksprache mit dem Arzt wieder beginnen", sagt Sellerberg.