Was haben Hormone mit einem Damenbart zu tun?

Unsplash Victoria Alexandrov

Härchen an Oberlippe und Gesicht: Ist PCOS dafür verantwortlich?

Ein Flaum an der Oberlippe, und das bei Frauen? Übermäßiger Haarwuchs könnte mit hormonellem Ungleichgewicht zusammenhängen.

Wenn es nach unserer Gesellschaft geht, dann ist "typisch" weibliches Aussehen sehr klar definiert: kräftiges Haupthaar, volle Lippen und lange Wimpern. Ein Bart kommt in dieser Beschreibung meistens nicht vor. Was umgangssprachlich oft Damenbart genannt wird, ist aber dennoch keine Seltenheit.

Für dich ausgesucht

Wer in die Runde fragt, wird nicht schlecht staunen – so werden einige Bekannte und Freundinnen davon berichten, dass sie ihre eigenen lästigen Härchen an der Oberlippe regelmäßig waxen, rasieren oder bleichen. Aber ist eigentlich jede Frau davon betroffen und wieso wird nicht offener darüber gesprochen? 

Ist ein Oberlippenbärtchen "normal"?

Die Frauenärztin Univ. Prof. Dr. med. univ. Doris Maria Gruber bestätigt das aktuelle, gesellschaftliche Ideal der "haarlosen Frau", das nur mit hohem Aufwand erreicht werden könne: "Behaarung an der Oberlippe ist bis zu einem gewissen Grad normal. Mädchen und junge Frauen aus dem mediterranen Raum, aber eben auch in Mitteleuropa, haben zum Beispiel oft einen genetisch-bedingten "Androgen-Load" (ein Übermaß an männlichen Sexualhormonen), der sich im schönen Haupthaar bemerkbar macht, aber so auch an der vermehrten Behaarung am Körper. Sie sind nicht hormonell krank."

Es gäbe nur wenige Frauen, für die ein Oberlippenbart gar kein Thema darstellt. Jedoch können hormonelle Probleme durchaus ungewünschte Körperbehaarung auslösen.

Wie "gesundheit.gv.at" erklärt, beschreibt man ein männliches Behaarungsmuster bei Frauen auch als "Hirsutismus". Dabei geht es um vermehrte Schambehaarung bis hin zu den Oberschenkeln, Haare um die Brustwarzen, dem Brustbein, ebenfalls an der Oberlippe und am Kinn.  

Für dich ausgesucht

Haarwachstum und Pubertät

Aber wie kommt es überhaupt zur starken Behaarung an unliebsamen Stellen? Um die übermäßige Behaarung bei Frauen zu verstehen, ist es wichtig, sich erst mit den hormonellen Abläufen in der Pubertät auseinanderzusetzen.

Die Expertin Dr. Gruber erklärt: "Die Veränderung der Körperbehaarung tritt ab der Pubertät ein. Bei den Mädchen ist es so, dass die Regelblutung nicht den Beginn der Pubertät darstellt, sondern sich zuvor schon einiges hormonell verändert. Zuerst spielen nämlich die männlichen Hormone wie Testosteron und das Nebennierenrindenhormon DHEA eine Rolle – die Haut wird unrein, Akne entsteht, Härchen wachsen, das Kopfhaar wird fettiger – aber oft auch voller, die Körpersilhouette verändert sich." Wenn also die sogenannten Androgene, die männlichen Sexualhormone, im Prozess dominieren, komme es auch häufig zu verstärktem Haarwuchs im Gesicht – das ist ein ganz natürlicher hormoneller Ablauf.

Die Hormone entstehen kaskadenartig, wie die Expertin anmerkt. Zu Beginn dominieren Androgene, erst die Bildung der Östrogene trägt zur Beruhigung der hormonellen Situation bei: "Die Regelblutung wird allmählich regelmäßig und als Höhepunkt dieses Geschehens folgt der Eisprung."

Männliche Hormone bei Frauen?

Wenn das beschriebene System in der Pubertät – die Trias zwischen männlichen Hormonen, weiblichen Hormonen und dem Eisprung geordnet abläuft und sich entwickeln kann, dann werden die männlichen Hormone auch wieder zurückgenommen. Der Androgen-Load und die damit verbundenen Hautveränderungen wie Akne oder der Damenbart werden weniger.

Die männlichen Hormone seien in dem ganzen Prozess sehr wichtig – jedoch können sie auch zum Problem werden, wenn sie nämlich einfach bestehen bleiben und quasi "Herrschaft" übernehmen. Dann kann es passieren, dass sich das PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom) entwickelt: "Männliche Hormone haben eine ambivalente Wirkung, im Gesicht und am Körper verstärken sie den Haarwuchs, am Skalp verringern sie diese."

Vom Polyzystischen Ovarialsyndrom sind laut "gesundheit.gv.at" wohl fünf bis zehn von 100 Frauen in Österreich betroffen. Es gehört zu der häufigsten hormonellen Störung der Frau im gebärfähigen Alter. Nicht nur Hisurtismus ist ein Anzeichen, sondern dies kann sich auch in unregelmäßigen oder völlig fehlenden Perioden auswirken, was einen unerfüllten Kinderwunsch zur Folge haben kann. Akne und Gewichtsprobleme sind sehr typisch.

Die Frauenärztin Dr. Gruber wird nicht selten von ihren Patientinnen diesbezüglich konsultiert: "Jede zweite junge Frau, die bei mir in die Ordination kommt, äußert den Verdacht auf ein PCOS, weil sie sich das aus den Medien oder dem Internet zusammengestoppelt hat. Es kommen viele mit dem Verdacht, gottseidank erhärtet sich dieser nicht immer – manchmal jedoch leider schon."

Für dich ausgesucht

Wie entsteht PCOS?

PCOS kann durch verschiedene Faktoren begünstigt werden. Die genaue Ursache schwebt aber im Dunkeln. Diese lässt sich laut der Expertin nach wie vor nicht festmachen, ist aber im endokrinen Hormonkreis zu vermuten: "Sie liegt definitiv im gestörten hormonellen Metabolismus."

Nämlich wenn es während dem erwähnten Trias-Prozess zu Beginn der Pubertät zu Störungen kommt. Einerseits zum Beispiel schwankendes Gewicht oder eine bestehende, beziehungsweise sich entwickelnde Zuckerkrankheit. Was viele Personen wohl gravierend unterschätzen würden, ist auch eine "verfrühte" Einnahme der Antibabypille oder anderen hormonellen Verhütungsmitteln, wie die Expertin Dr. Gruber erklärt: "Wenn in diesem Zeitraum mit der Pille zum falschen Zeitpunkt eingestiegen wird, dann unterbricht man die Entwicklungsstufen und bleibt in der aktuellen Situation stehen. Das ist wie ein Film, der gestoppt wird, oder er läuft ewig im selben Modus, es geht nie weiter."

In ihrem beruflichen Alltag sieht die Frauenärztin leider auch, dass sich dieses Problem häuft: "Die Pille zum Beispiel ist aber nicht Schuld an der Situation, denn sie macht einfach, was sie machen muss. Schuld ist der Druck der frühen Anwendung, aufgrund des relativ früh einsetzenden Sexuallebens. ÄrztInnen befinden sich hier in einem Zwiespalt. Nämlich dem Wunsch der Erziehungsberechtigten und der AnwenderInnen nachzukommen, aber eben auch die Gesundheit im Blick zu haben – der Klassiker ist auch die Bekämpfung der Akne."

Genauso wie Androgene in der Pubertät eine große Rolle spielen, so tauchen diese auch wieder pünktlich zur Menopause auf. So klagen auch ältere Frauen über lästige Haare an Oberlippe, Kinn oder anderen "untypischen" Körperstellen: "Frauen in der Menopause entwickeln oft eine Überaktivität der Androgene (männlicher Hormone), weil parallel auch das Östrogen schwächer wird. Da kommt dann ebenfalls das Thema des Haarausfalls am Kopf, beziehungsweise ungewollter Haare im Gesicht und am Körper auf."

Für dich ausgesucht

Internistische und endokrenologische Abklärung

Wer an einer starken Behaarung im Gesicht oder an einem männlichen Behaarungsmuster am Körper leidet, dem rät die Frauenärztin dazu, dies internistisch und endokrenologisch abklären zu lassen. Es gäbe auch andere Faktoren, wie zum Beispiel genetische Defekte oder Enzymdefekte, die den übermäßigen Haarwuchs auslösen könnten. 

In der Zwischenzeit gibt es verschiedene, allseits bekannte Möglichkeiten, wie man mit den lästigen Härchen umgehen kann – Rasieren, Waxen, Bleichen oder Lasern. Oder man lässt sie sich einfach stehen – schließlich wird es doch Zeit, dass der Bart auch bei Damen salonfähig wird.