Glass Children sind Kinder, deren Eltern ihnen Aufmerksamkeit vorenthalten haben, meist aufgrund eines kranken Geschwisterchens.

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"Glass Children": Die durchsichtigen und vernachlässigten Kinder

Wenn Eltern ihre Aufmerksamkeit unter Kindern ungleich aufteilen, wegen besonderer Bedürfnisse etwa, kann das Spuren hinterlassen.
Dario Bojic

Egal ob "Glass Children", "People Pleaser" oder umgangssprachliche "Fußabtreter" – diese Begriffe haben eine ähnliche Bedeutung, sowie eine gemeinsame Vergangenheit, besser gesagt Kindheit. Der Begriff "Glass Children" ist etwas spezifischer, bezieht sich dabei auf eine bestimmte Rolle in der Familie, besonders wenn eine andere Person innerhalb der Familie besondere Aufmerksamkeit zuteilwurde. Was genau man unter "Glass Children" versteht, und wie dieses Phänomen entsteht, erklären wir.

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"Glass Children": Was ist das?

Zu Deutsch etwa "Glaskinder", bezeichnet man mit "Glass Children" Kinder, deren Aufwachsen von einem Mangel an elterlicher Aufmerksamkeit geprägt wurde. In den meisten Fällen ist "Metro" zufolge ein krankes, oder auch ein Geschwisterchen mit Behinderung der Grund für die ungleiche Aufteilung der Aufmerksamkeit.

Georgina Sturmer ist vom britischen "Counselling Directory", welches Verzeichnis und Anlauf- sowie Beratungsstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen ist. Sie erklärt für "Metro" den Begriff: "Es ist kein klinischer Terminus, sondern eher ein umgangssprachlicher Ausdruck für eine Person, bei der ein weiteres Kind im Haushalt mehr Aufmerksamkeit der Eltern brauchte. Das könnte ein Kind mit einer Krankheit, besonderen Bedürfnissen, einer Lernschwäche oder auch schwierigem Verhalten sein  die Liste endet nicht. Diese Gründe sind alle sehr verschieden, haben jedoch gemeinsam, dass andere Kinder übersehen werden, zu wenig Aufmerksamkeit erhalten und sich dementsprechend entwickeln."

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Durch Eltern vernachlässigt, dem Bruder gehässig

Meistens ist es so, dass Betroffene kaum Zeit mit ihren Eltern alleine verbringen – das andere, meist kranke Kind hat immer Priorität. Als Kinder können wir die Unzulänglichkeiten unserer Eltern auch kaum anbringen oder äußern. Vor allem im Falle von Krankheit oder einer Behinderung, möchte man die eigenen nie über jene des betroffenen Kindes stellen – ein Verhaltensmuster, welches sich dominant durch das spätere Leben ziehen soll.

Sturmer erklärt, dass "Glass Children" oft Neid, Wut, oder Trauer empfinden, weil sie bemerken, dass das andere Kind mehr Aufmerksamkeit bekommt. "Kinder sind zwar oft naiv, aber nicht dumm." Es braucht nicht viel, um die Situation zu verstehen, und sich dementsprechend anzupassen. Oft begleiten diese Kinder auch Schuldgefühle, weil sie verinnerlicht haben, dass ihre Anliegen wirklich weniger Aufmerksamkeit verdienen, als die eines kranken Geschwisterchens eben.

Konkret könnte das so aussehen: Deine Eltern fragen dich zwar wie es dir geht, wie es in der Schule war, oder ob du etwas brauchst, aber sie investieren nur selten wirklich Ressourcen in deine Interessen, oder in vertraute Zeit, die sie nur mit dir teilen. So fühlen sich "Glass Children"  sie sind zwar da, aber wie durchsichtig. Wie Glas scheinen sie stabil, sind jedoch wahnsinnig fragil, und haben lediglich gelernt, mit wenig Zuwendung zu überleben.

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Von "Glass Children" zu People Pleasern: ein fließender Übergang

Einmal gelernt, vergessen Menschen ihre Überlebenstaktiken nicht so leicht. Hier geht es zwar "nur" um das soziale Überleben, der Konfliktabwendung und Gunstgewinnung der Eltern, jedoch bedeutet das für ein Kind eben überleben. Die Kinder aus Glas versuchen hierbei die "einfachen Kinder" zu sein, keine besonderen Ansprüche, keine großen Wünsche, keine schweren Probleme, jedenfalls zeigen sie das nicht.

 

Wie können sie denn auch? Immerhin ist der Bruder oder die Schwester krank, oder hat besondere Bedürfnisse  sie "brauchen" die Aufmerksamkeit viel dringender. Glaskinder werden im späteren Leben zu Ja-Sager:innen, weil sie in ihrer Kindheit nie lernen durften, dass auch ihre Bedürfnisse, Wünsche, Ängste und Probleme relevant sind, so klein sie im Vergleich zum anderen Kind scheinen.

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Glass Children werden nicht durch Zufall zu solchen erzogen, es ist die Verantwortung jedes Elternteils jedem Kind zu zeigen, dass es geliebt, gesehen und gehört wird. Oft bilden sich auch den Eltern gegenüber Groll und Misstrauen, weil wir jedoch alle wissen, dass es nur eine bestimmte Menge an Zeit und Aufmerksamkeit zu geben gibt, sehen wir leicht darüber hinweg. Dennoch hinterlässt dies davon, auch wenn man sie erst später findet. Die Eltern machen unwissend einen Fehler, vor allem wenn sie die negativen Gefühle des vernachlässigten Kindes zusätzlich verurteilen oder nicht ernst nehmen.