Die letzte Generation: In Österreich wird weitergeklebt

Demonstrierende Frau mit Warnweste hält Plakat in der Hand, auf dem steht "100 auf der Autobahn"
Als besonders umstrittene Widerstandsbewegung sorgt die sogenannte Letzte Generation für viele Fragezeichen.

"In demokratischen Gesellschaften kann ziviler Ungehorsam eine gerechte Reaktion sein, wenn die Regierungen es versäumen, große Ungerechtigkeiten zu beseitigen." Mit diesem Zitat eröffnet die Letzte Generation ihre "Über uns"-Seite. Wir beleuchten die umstrittene Organisation etwas genauer, schauen uns an, wer sie sind, welche Ziele sie verfolgen, und warum ihre Aktionen, bei denen sie sich teilweise auf der Straße festklebten, so kritisiert wurden.

Für 2024 hat die Letzte Generation Deutschland angekündigt, keine Klebe-Aktionen mehr durchführen zu wollen. Die gleichnamige Organisation in Österreich möchte sich, wenn notwendig, weiterhin auf Straßen kleben. "Nehammer hat es in der Hand", lautet es in einem exklusiven Statement. 

Die zwei Organisationen tragen zwar denselben Namen und setzen sich für dasselbe ein, agieren jedoch unabhängig voneinander.

"Strategie für 2024" veröffentlicht

Vor zwei Jahren zog der Begriff "Klimakleber:in" erstmals in den deutschen Sprachgebrauch ein. Seither wurde viel darüber berichtet, diskutiert und auch verurteilt. Regelmäßig wurden Mitglieder der Organisation aufgrund von Ordnungswidrigkeiten zu Haftstrafen verurteilt. So soll es jedoch zumindest in Deutschland nicht weitergehen, denn in einer Pressemeldung lassen sie verlauten:

"Ab März werden wir zu ungehorsamen Versammlungen im ganzen Land aufrufen. Statt uns in Kleingruppen aufzuteilen und Straßenblockaden zu machen, werden wir gemeinsam mit vielen Menschen ungehorsame Versammlungen machen. Und zwar da, wo wir nicht ignoriert werden können. Somit beginnt eine neue Ära unseres friedlichen, zivilen Widerstandes – das Kapitel des Klebens und der Straßenblockaden endet damit."

Statement von Letzte Generation Österreich

Die Letzte Generation Österreich kam der Anfrage von k.at nach und erklärte, ab 26. Februar wieder in Wien protestieren zu wollen. Zudem sind alle herzlich zu einem Großprotest am 2. März vor dem Wiener Museumsquartier eingeladen. Jedoch richten sie sich auch direkt an Bundeskanzler Nehammer:

"Mit jedem Tag, den die Regierung ohne Klimaschutzmaßnahmen verstreichen lässt, werden unsere Proteste größer, drastischer und entschlossener. Nehammer hat es in der Hand: Wenn er endlich beginnt, die Klimakrise wie eine Krise zu behandeln und die Forderungen des Klimarates umsetzt, protestieren wir im Februar nicht."

Besonderes Augenmerk legen sie auch auf Vorschläge des Klimarats, wie etwa ein Vernichtungsverbot für Neuwaren, oder die Förderungen für Gebäudesanierungen zu erhöhen.

Wer ist die Letzte Generation?

Die alles andere als beliebte Gruppe von Klimaaktivist:innen besteht aus einer unüberschaubaren Menge von losen Mitgliedern, in Deutschland wird die Zahl die Engagierten laut "RND" auf etwa 750 Personen geschätzt. Ein kleiner Kern koordiniert dabei die vielen lokalen Untergruppen, um Strategien zu verwirklichen. Ihr selbsternanntes Ziel: eine bessere Welt für alle. "Niemand wird zurückgelassen", schreiben sie etwa auf ihrer Website. Wichtig: Die Letzte Generation arbeitet absolut gewaltfrei, wie die Gruppe betont.

Auch wichtig: Die Letzte Generation Österreich

Der Kern ihrer Aktionen basiert immer auf zivilem Ungehorsam. Dieser ist laut "rechteasy.at" definiert als „öffentliche, gewaltlose, gewissensbestimmte, aber politisch gesetzeswidrige Handlung, die gewöhnlich eine Änderung der Gesetze oder der Regierungspolitik herbeiführen soll“.

Teilnehmer:innen von offiziellen Aktionen der Gruppe müssen Trainings absolvieren, und sich an einen Aktionskonsens halten. In diesem steht zum Beispiel: "Wir achten darauf, dass wir immer eine Rettungsgasse bilden können – besonders wichtig, wenn Menschen sich festkleben. Einsatzfahrzeuge werden durchgelassen, ebenso Menschen in nachvollziehbaren, dringenden Notlagen. Wir stören den Alltag, nicht Menschen in Not." Wer sich nicht an die Regeln hält, kann ausgeschlossen werden.

Wer dabei mitmacht? Alle. Von jung bis alt, von linken Student:innen bis zu langjährigen Autoverkäufer:innen. Leute, die ein Problem in der Umweltpolitik ihrer Regierungen sehen, und darauf aufmerksam machen möchten, machen mit. Menschen aus allen Bereichen seien willkommen, schließlich wolle die Letzte Generation eben die Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Nicht selten passiert es wohl, dass die öffentliche Wahrnehmung über Klimaproteste hinwegsieht, weil es dabei in erster Linie nicht um Menschen geht. Dabei schadet es aber nicht, sich in Erinnerung zu rufen: Die Menschheit lebt nunmal auf der Erde. Geht sie unter, tun wir das auch.

Wer finanziert die Letzte Generation?

Die Letzte Generation sind sicherlich nicht die einzige Gruppierung ihrer Art. Hinter ihnen steht das "A22 Network", ein globales Netzwerk von Umweltschutzorganisationen. Finanziert werden, neben der Letzten Generation und der radikalen "Extinction Rebellion", auch die britische "Just Stop Oil" sowie acht ähnlich aktive Zusammenschlüsse in Europa und den USA. So viele Gruppen brauchen eine Menge Geld, dieses stammt zum größten Teil aus dem "Climate Emergency Fund", welcher 2019 gegründet wurde.

Dieser Fonds wird von einer Handvoll namhafter Personen gestellt und verwaltet: etwa dem erfolgreichen Drehbuchautor Adam Mckay, verantwortlich für den Netflix-Erfolgsfilm "Don't Look Up", ein Film über eine nicht ernstgenommene, hereinbrechende Naturkatastrophe. Auf der Website findet sich neben seinem Bild das von Aileen Getty: "TheGuardian" zufolge eine milliardenschwere US-amerikanische Öl-Erbin, die ihr Erbe nutzen möchte, um Gutes zu tun. Welch Ironie.

Warum Gemälde, warum Straßen?

Wohl umstrittenster Punkt an der gesamten Organisation sind die Maßnahmen, mit denen sie darauf aufmerksam machen wollen, dass sie "die letzte Generation sind, die den absoluten Klimakollaps noch aufhalten kann". Berechtigterweise fragen sich viele Menschen, ob es denn nötig sei, dafür Straßen zu blockieren, wertvolle Gemälde anzugreifen oder Flughäfen lahmzulegen.

k.at-Meinung

In meinen Augen sprechen die Maßnahmen hauptsächlich für zwei Punkte: Die Überzeugung, mit der die Aktivist:innen hinter ihrer Sache stehen, und die Verzweiflung angesichts ihrer sonstigen Machtlosigkeit. Mit ihren Aktionen stoßen sie bewusst an die Grenzen eines friedlichen, gewaltfreien Protests, denn es geht darum, Aufmerksamkeit und Empörung zu generieren. Angemeldete, reguläre Freitagsdemos kann man leicht ignorieren, unangemeldeten, kollektiven und zivilen Ungehorsam eben nicht.

Über die jüngeren Generationen wird oft gesagt, ihnen fehle das Engagement, der "Biss" oder das Durchhaltevermögen; hier sieht man jedoch eine Menge junger Menschen mit unglaublicher Bereitschaft für eine gemeinsame, wichtige Sache einstehen, wenn auch mit fragwürdigen Mitteln. "Wer nicht hören will, muss fühlen", dieses Sprichwort dürften sich die KlimaschützerInnen zu Herzen genommen haben, denn schon 1992 warnten über 1700 WissenschaftlerInnen uns in ihrer "Warnung an die Menschheit" über die drohenden Folgen der menschlichen Fahrlässigkeit im Umgang mit dem Planeten.

Die Letzte Generation und ihr Tun sind wohl ein klassischer Fall von "Der Zweck heiligt nicht die Mittel." Während wir abwägen müssen, ob nicht angesichts der Bedrohung schon alle verfügbaren Mittel ausgeschöpft wurden, sind die teils radikalen Aktionen der Gruppierung vielen Menschen zu Recht ein Dorn im Auge.

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