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Männer, warum sind wir so schlecht im Freundschaften pflegen?

Ein Experte beantwortet Fragen zur Freundschaftspflege von Männern und erklärt, wie einschränkend Männlichkeit sein kann.

Oft erweckt es den Anschein, dass das Thema Freundschaft für Männer eine ganz eigene Bedeutung hat. Die Art, wie wir Freundschaften knüpfen, am Leben erhalten und eigentlich nie wirklich beenden, wird oft als ein besonders simpler Prozess beschrieben – was auch gar nicht so falsch ist.

Mein enger Freundeskreis besteht seit über 15 Jahren. Ich habe mit meinen Freunden gelacht, geweint, getrauert und gekeilt. Doch leider kann das nicht jeder Mann von seinem Freundeskreis behaupten, denn oft steht der vertieften Freundschaft unter Männern etwas im Weg.

Ich habe mit dem Psychologen und stellvertretenden Leiter des Männergesundheitszentrum "MEN", Paul Brugger, über Männerfreundschaften gesprochen – und warum diese manchmal alles andere als einfach sein können. 

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Wie finden Männer Freund:innen?

Oft kommt es vor, dass Männerfreundschaften aus einem Zweck heraus entstehen. Wenn ich in meinem persönlichen Freundeskreis darüber nachdenke, habe ich die meisten meiner männlichen Freunde entweder aus der Schulzeit, meiner Zeit bei einem Verein oder auch der Arbeit. Bruggers Erfahrung bestätigt diese Beobachtung und fügt hinzu, dass einige Männerfreundschaften ihrer Entstehungsgeschichte entsprechend sehr oberflächlich verlaufen.

"Und wenn man dann wirklich einen Freund zum Reden braucht, tun sich Männer damit eher schwer, wirklich darüber zu sprechen, was sie belastet. Es kann tatsächlich auch die Scham, über etwas Belastendes zu sprechen, stärker wiegen, als dass ich da eigentlich einen guten Freund habe, dem ich es erzählen könnte", erklärt der Psychologe.

Warum leiden Männerfreundschaften am Begriff Maskulinität?

"Vielleicht steht es Männern manchmal im Weg, sich Freunden gegenüber komplett zu öffnen, weil immer diese Vorurteile von 'Weichei, Warmduscher' und Ähnlichem mitschwingen, sobald man zum Beispiel über Gefühle oder Belastungen spricht", sagt Brugger. So erklärt der Experte weiter, warum manche Männer womöglich Angst davor haben, mit ihren Kumpels, statt über Bier und Fußball, über Gefühle, Ängste oder auch Hoffnungen zu sprechen.

Experte Brugger und ich kommen hier überein, dass viele Männer im Laufe ihres Lebens gelernt haben, sich "männlich" zu verhalten. Das bedeutet in diesem Fall die Erfüllung von "männlichen" Leistungen wie Dominanz, Erfolg, Leistung, Mut, Stärke und so weiter. Sätze wie "Männer weinen nicht", oder auch "Männer müssen stark sein" wurden nicht nur meiner oder der vorherigen Generation vorgekaut. Das Zeigen von Schwäche, besonders was psychische Gesundheit angeht, wird bei Männern laut "SageClinic" vielerorts noch immer massiv stigmatisiert.

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Worüber reden Männer dann?

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Männer oft gar nicht reden. In meiner Zeit beim Zivildienst saß ich teilweise acht Stunden täglich neben einem Kollegen. Die einzigen Worte, die in dieser Zeit gewechselt wurden, waren "Servus", "Mahlzeit", und "Bis Morgen!" Und das war für uns beide so in Ordnung. Fast zwei Jahre später bin ich ihm über den Weg gelaufen und wir schwelgten in Erinnerungen, wie schön doch unsere gemeinsame Zeit beim Zivildienst war.

Brugger meint dazu: "Aus der Männerforschung ist bekannt, dass viele Männer sich in Gesprächen gerne 'nach außen orientieren'." Also, dass wir lieber über Sport, Autos oder Ähnliches philosophieren, aber selten mehr als ein oder zwei Sätze über unsere aktuelle Gefühlslage verlieren.

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Warum sollten Männer ihre Freundschaften besser pflegen?

Freundschaften sind wichtig, sie geben uns Halt und Rückzug im Leben. Was für viele Menschen beispielsweise die Familie nie sein konnte, kann durch verbundene Freundschaften ersetzt werden. Meine Freunde sind für mich eine emotionale Stütze, genauso wie sie auch auf mich zählen können, wenn es darauf ankommt.

Freundschaften haben auch eine große Wichtigkeit für unser seelisches Wohl: "Man weiß auch, dass Männer sehr häufig an Depressionen leiden und hier ein soziales Netzwerk und gute Freunde eine wichtige Ressource für den Umgang mit Belastungen sein können. Freundschaften haben also auch für die Psyche eine ganz wichtige Funktion", erklärt Brugger.

Insgesamt kann man also davon ausgehen, dass Freundschaften sowohl für Männer, genauso wie für alle anderen Menschen, enorm wichtig sind. Jedoch scheitert der moderne Mann nicht selten daran, seinen Freunden (und Freundinnen!) seine Gefühlslage zu schildern. Dadurch "verkümmern" viele der Freundschaften oder bleiben auf einer oberflächlichen Ebene.

Psychologe Brugger und ich sind uns einig, dass es wichtig ist, einen offenen Diskurs zu fördern. Das Stigma der seelischen Gesundheit von Männern besteht weiter, solange wir nicht anfangen, offen über solche Themen zu reden. Dafür braucht es jedoch Akzeptanz und Toleranz. Werte, die leider noch immer nicht bei allen in den Modus Operandi übergegangen sind.

Wenn du mit akuten Problemen zu kämpfen hast, kannst du dich jederzeit an die Telefonseelsorge unter 142 wenden – rund um die Uhr erreichbar, kostenlos und anonym.

Die Psychiatrische Soforthilfe steht ebenfalls rund um die Uhr als Not- und Krisendienst unter der Rufnummer (01) 31330 zur Verfügung.

Auf der Website des Bundesverbands für Psychotherapie findet ihr noch mehr Notfallnummern für mehrere Bundesländer.

Wenn du eine Therapie in Anspruch nehmen willst:

Unkompliziert zur telefonischen Erstberatung: Außerdem gibt es eine psychotherapeutische Erstberatungs- und Info-Hotline. Sie ist ein kostenfreies, vertrauliches, professionelles und anonymes Angebot.

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