Psychopath:innen sind doch nur Männer, oder? Außerdem sind sie alle gefährlich! Diese gängigen Mythen stimmen so nicht ganz.

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Diese 4 hartnäckigen Mythen über Psychopath:innen sind falsch!

Psychopath:innen sind doch nur Männer, oder? Außerdem sind sie alle gefährlich! Diese gängigen Mythen stimmen so nicht ganz.
Dario Bojic

Im Journal "Psychology Today" erklärt Abigail Marsh, Psychologin und Forscherin auf dem Gebiet der Psychopathie, welche Mythen über Psychopath:innen sich in unserer Gesellschaft halten. So unterschiedlich all unsere Gehirne sind, so verschieden unsere Wahrnehmung sich gestalten kann, so andersartig kann sich auch eine Verhaltensstörung wie Psychopathie äußern oder in manchen Fällen eben auch nicht direkt äußern.

Das Konzept der Psychopathie fasziniert die meisten Menschen. Wird das Thema irgendwo angerissen, haben Anwesende oft sofort Fakten parat oder Erfahrungen gemacht. Doch diese vier sich hartnäckig haltenden Mythen beweisen, dass es sehr viel Halbwissen rund um das Thema gibt. Diesem will Dr. Marsh entgegenwirken.

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Mythos Nr. 1: Psychopath:innen sind gewalttätig und oft kriminell

Psychopathie ist keine Erkrankung per se, sondern ein Persönlichkeitsbild, welches in drei speziellen Charakterzügen starke Ausprägungen aufweist. Demnach charakterisiert Psychopath:innen allem voran ein sozial dominanter Charakter; eine Gefühllosigkeit oder mangelndes Mitleid sowie eine schlechte Impulsregulierung. In dieser Kombination ergeben diese Charakterzüge einen Menschen, der sich über andere erhebt, vor wenig zurückschreckt und sich selbst nur schwer bremsen kann.

Es ist nicht zu leugnen, dass das "gute Voraussetzungen" sind, um kriminell und gewalttätig zu sein, aber ein Mann zu sein wäre demnach auch so eine. Immerhin werden dem Journal zufolge 90 Prozent der weltweit registrierten Morde von Männern verübt. Auch ein niedriges Leseniveau oder Rauschgiftkonsum zählen zu den größten Risikofaktoren für Gewaltbereitschaft und Kriminalität. Trotzdem sind die meisten Männer nicht gewalttätig, die größte Zahl nicht-lesender Menschen nicht kriminell und der Großteil der Rauschgift-Konsument:innen harmlos.

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Mythos Nr. 2: Psychopathie tritt nur bei Männern auf

Die Psychologin sieht bei Mythos eins und Mythos zwei eine Verbindung: Eben weil Gewaltverbrechen hauptsächlich von Männern verübt werden, und der Begriff Psychopath jemandem eine gewisse Gefährlichkeit verleiht, wird hier eine scheinbare Brücke geschlagen. Doch sie betont: Psychopathie ist ein Persönlichkeitsbild, welches sowohl in Männern als auch Frauen auftauchen kann.

Wenngleich sie gleichermaßen auftauchen kann, tut sie das nicht unbedingt. Menschen, die auf den Skalen für die oben beschriebenen Charakterzüge höher ausschlagen, sind wahrscheinlich eher Männer als Frauen. Trotzdem halten wir fest: Psychopathinnen gibt es auch.

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Mythos Nr. 3: Psychopath:innen werden durch Trauma oder Missbrauch "erschaffen"

Dr. Marsh beruft sich auf Studienergebnisse, nach denen die ersten Anzeichen für Psychopathie sich üblicherweise schon in der frühen Kindheit zeigen. Kleinkinder, die etwa auffällig furchtlos und zuneigungslos sind oder den Gesichtern ihrer Mitmenschen kaum Aufmerksamkeit schenken, könnten damit schon früh psychopathische Tendenzen zeigen. Psychopathie ist nämlich mehr wie eine Entwicklungsstörung, als ein hervorgerufenes Krankheitsbild.

Als Expertin stört sie sich sehr daran, dass Eltern von psychopathischen Kindern oft Schuldzuweisungen und Vorwürfe abbekommen, für die sie in den meisten Fällen absolut nichts können. Sie betont aber gleichzeitig, dass traumatische Erfahrungen und Missbrauch wie bei allen psychischen Leiden diese verstärken können. Kinder, bei denen psychopathische Tendenzen früh erkannt werden, haben gute Chancen, die Entwicklungsstörung zu bewältigen.

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Mythos Nr. 4: Psychopath:innen sind "unheilbar".

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Psychopathie zumindest teilweise genetisch bedingt ist, und verschiedenen Veränderungen in der Gehirnstruktur zugrunde liegt. Die Expertin warnt hier jedoch davor, aus diesen Gründen eine Besserung auszuschließen. Sie sieht in der Unheilbarkeit der Psychopathie den größten und verheerendsten Mythos über sie. Immerhin hat die Wissenschaft wieder und wieder gezeigt, dass die meisten Erkrankungen behandelbar sind, wenn wir ihre Ursache und Entwicklung verstehen.

In jüngsten Jahren hat die Forschung vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Durch gezielte Psychotherapie und Psychopharmaka können die auftretenden Symptome von Psychopathie, die malignen Verhaltens- und Denkmuster behandelt werden. Doch wie in vielen Bereichen von Mental Health hindert das Stigma dieser Erkrankungen die Medizin daran, hier bedeutende Fortschritte zu machen.

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"In Zeiten, in denen das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen sich verschlechtert und Gewalt zunimmt, können und müssen wir mehr tun", schließt die Expertin. Das Wohlbefinden von Jugendlichen hat sich "UNICEF" zufolge durch die Pandemie massiv verschlechtert, sie blicken einer unsicheren Zukunft entgegen. Probleme können auch oft nicht angesprochen werden, aus Angst, missverstanden zu werden.

Wer Erfahrungen mit Gewalt oder sexuellen Übergriffen erlebt oder in der Vergangenheit erlebt hat, kann sich kostenlos und anonym an die Frauenhelpline gegen Gewalt 0800/222-555, www.frauenhelpline.at, an die Onlineberatung für Mädchen und Frauen im HelpChat, www.haltdergewalt.at, an die Frauenhelpline für gehörlose Frauen, www.oegsbarrierefrei.at/bmf/hilfseinrichtungen/ oder an die Männerberatungsstelle unter 0720 / 70 44 00, https://www.maennerinfo.at wenden.

Wenn du mit akuten Problemen zu kämpfen hast, kannst du dich jederzeit an die Telefonseelsorge unter 142 wenden – rund um die Uhr erreichbar, kostenlos und anonym.

Die Psychiatrische Soforthilfe steht ebenfalls rund um die Uhr als Not- und Krisendienst unter der Rufnummer (01) 31330 zur Verfügung.

Auf der Website des Bundesverbands für Psychotherapie findet ihr noch mehr Notfallnummern für mehrere Bundesländer.

Wenn du eine Therapie in Anspruch nehmen willst:

Unkompliziert zur telefonischen Erstberatung: Außerdem gibt es eine psychotherapeutische Erstberatungs- und Info-Hotline. Sie ist ein kostenfreies, vertrauliches, professionelles und anonymes Angebot.

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