Sicher schon zig mal gehört oder gelesen, mit Sicherheit auch schon von jüngeren Menschen gehört und unverständlich den Kopf geschüttelt. Meine Vorlesung am Montagmorgen ist üblicherweise etwas, was ich als "mid" abstempeln würde. Wenn mich jemand fragt, wie Hühnerbrust mit Brokkoli und Reis schmeckt – mid. Österreichisches Polit-Geschehen der letzten zehn Jahre? Mid.
Eigentlich sollte "mid" wortwörtlich "mittelmäßig" heißen, jedoch sprechen "UrbanDictionary" und die Verwendung auf Social Media eher für die Bedeutung: "Schäm dich, dass du so etwas Durchschnittliches magst."
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Mid ist nicht genug
Die Serie "Suits"? Ziemlich mid. Alles, was zu durchschnittlich, nicht extravagant oder herausragend ist, kann von jemandem als mid bezeichnet werden. Essen bei Vapiano ist mid, Einkaufen bei WEEKDAY ist mid, Urlaub in Kroatien ist mid. Auf diese Art hat die mit unendlicher Steigerung verbundene "Hustle Culture" sogar Einzug in unsere privaten Vorlieben erhalten. Jeder Aspekt deines Lebens muss etwas Besonderes sein. Ähnlichkeit mit der Masse und Zufriedenheit mit dem Durchschnitt werden einem als Schwäche oder schlechter Geschmack ausgelegt.
Da schaffen auch soziale Medien keine Abhilfe – ob Instagram oder TikTok, ständig werden mir wahnsinnig coole Personen gezeigt, die unfassbar schöne Kleidung tragen, an unvorstellbar schönen Orten sind und das auch noch mit ihren Freund:innen, die alle auch astronomisch cool sind. Es ist eben auch im Privatleben teilweise nicht mehr genug, durchschnittlich zu sein. Wenn du denkst, dass du von diesem Phänomen völlig unberührt bist, stell dir die Frage: "War es dir schon ein Mal unangenehm, über deine Nischen-Interessen zu sprechen?"
Gleich danach kannst du dich auch fragen: "Wem gegenüber verspüre ich diese Scham eigentlich genau?" Oft sind es Menschen, von denen du denkst, dass ihre Meinung dir eigentlich egal ist.
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Kommst du noch mid?
Es fühlt sich teilweise so an, als hätte die Schulzeit nie geendet und alle weiterhin eine Art Coolness-Wettbewerb gewinnen möchten. Du möchtest eigentlich "Forsthaus Rampensau" schauen, aber momentan ist "Escaping Twin Flames" auf Netflix das heißeste Gesprächsthema, und je mehr du dazu sagen kannst, desto cooler bist du. Wer daran nicht teilnehmen möchte, wird aus der öffentlichen Diskussion schnell mal ausgeschlossen. Vor allem Menschen, die Social Media den Rücken kehren, berichten immer wieder davon, "out of the loop" zu sein.
Wenn deine Interessen also mid sind, dann bist du es eben auch. Dabei ist "mid" sein eigentlich genau so, wie eine "Beige Flag" zu sein. Nicht besonders aufregend eben, aber womöglich muss auch nicht alles und jeder eine aufregende, leuchtende Dopamin-Maschine für uns sein – möglicherweise können Sachen uns auch beruhigen oder entspannen, und trotzdem "cool" sein.
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Mut zum "mid-Sein"! Begriffe wie "mid" sind Werkzeuge zum Vergleichen, sie bilden aber kaum tatsächliche Qualität oder Wertigkeit ab. Lediglich Leute, die ich als "mid" bezeichnen würde, würden persönliche Interessen anderer Menschen mit drei Buchstaben als uninteressant abtun.