Youtube/ Deutschland Akut 27.11.2013

Alles, was du über Christiane F. wissen musst

Christiane Felscherinow wurde in den 70ern mit ihrer Biografie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" weltberühmt. Bis heute ist ihr Leben von ihrer Drogensucht geprägt.

1977 wird "Stern"-Redakteur Horst Rieck im Zuge seiner Recherchen zu Kinderprostitution auf die damals 16-jährige Christiane Felscherinow aufmerksam. Die junge Frau soll in einem Prozess gegen einen Geschäftsmann aussagen und hat Rieck einiges aus ihrem Leben zu erzählen.

Statt einem einfachen Artikel für seinen Arbeitgeber recherchiert Rieck mit seinem Kollegen Kai Hermann zwei Monate, um die Geschichte von der drogensüchtigen Christiane und ihrer Clique erzählen zu können. Im selben Jahr erscheint eine mehrteilige Reportage im "Stern", ein Jahr später die Artikel-Sammlung als Buch namens "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo".

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Der berühmteste Junkie Deutschlands

Christiane und ihre FreundInnen wurden schlagartig international berühmt. Die Geschichte über heroinabhängige Teenager berührte die Gesellschaft. "Man muss sich vorstellen, dass man damals nichts wusste. Ab und zu gab es Meldungen von den Herointoten auf der Toilette, das war's. (…) Die Behörden versuchten das klein zu halten", erinnert sich Horst Rieck Anfang 2021 gegenüber der "Augsburger Allgemeinen" zurück.

Damals versuchte Christiane ihren Nachnamen noch geheim zu halten und trat als Christiane F. auf. Zu diesem Zeitpunkt hatte die 16-Jährige gerade einen Entzug hinter sich und schloss die Schule ab. Sie zog zu Verwandten nach Schleswig-Holstein, weit weg von den Drogen und ihren einstigen FreundInnen – zumindest denen, die die Drogensucht bis dahin überlebten.

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Der Film "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"

1981 wurde ihre tragische Geschichte von Uli Edel mit Natja Brunckhorst in der Hauptrolle verfilmt. Noch heute werden Buch und Film in Schulen vorgestellt – sie sollen als abschreckendes Beispiel dienen und für Aufklärung sorgen. Beschrieben wird darin Christianes Leben ab ihrem zwölften Lebensjahr.

Sie lebt als Scheidungskind bei ihrer Mutter in der Trabantensiedlung Gropiusstadt in Neukölln. Mit zwölf raucht sie zum ersten Mal Gras, kurz darauf folgen Tabletten beim Feierngehen im Club Sound und mit 13 beginnt sie Heroin, von ihr "H" genannt, zu spritzen. Als sie und ihr erster Freund Detlef ihre gemeinsame Heroinsucht nicht mehr finanzieren können, gehen die beiden beim Bahnhof Zoo auf den "Kinderstrich" anschaffen.

Nach der erfolgreichen Verfilmung lernt Felscherinow Musiker Alexander Hacke der Band Einstürzende Neubauten kennen. Sie ziehen in Hamburg zusammen und machen gemeinsam Punk-Musik. Christiane veröffentlicht vier Lieder unter den Namen "Christiana" und "Christiane F.". Kurz darauf verrät sie der Öffentlichkeit ihren vollen Namen und will so die Bekanntheit der Band steigern.

In den Filmen "Decoder" und "Neonstadt" sammelt sie Schauspielerfahrungen. In den 80ern erlebt die Berlinerin wieder einen Rückfall in die Drogensucht, die die Trennung von Hacke mit sich bringt. Es folgen einige Verhaftungen wegen Diebstahl und Drogenbesitzes, weshalb sie 1986 eine zehnmonatige Haftstrafe in Berlin-Plötzensee absitzt.

"Ich wollte nie Kinder haben. Aber es war zu spät."

Nach ihrer Entlassung verbringt sie sechs Jahre in Griechenland. Als sie zurückkommt, greift sie wieder zu Drogen. Unter ärztlicher Aufsicht beginnt sie ein Entzugsprogramm mit Methadon. 1995 wird sie ungewollt schwanger. Im Interview mit "Welt" erzählt Felscherinow 2013: "Ich wollte nie Kinder haben. Aber es war zu spät. (…) Ich war eine der glücklichen drogenabhängigen Frauen, die ihren Eisprung gar nicht mehr hatten. Dann bin ich aber ins Methadon-Programm gekommen, und plötzlich war der Eisprung wieder da."

Dennoch sei die Geburt der schönste Moment in ihrem Leben gewesen. Zwölf Jahre lang gibt sie sich ihrer Mutterrolle vollkommen hin und trennt sich vom drogensüchtigen Vater.

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2008 will sie mit ihrem Sohn Philipp nach Holland auswandern. Das Jugendamt ist dagegen und entzieht Felscherinow das Sorgerecht. "Wir hatten einen Familienhelfer, der kam jede Woche. Um den hatte ich mich selbst beworben, weil ich dachte, der Junge bräuchte vielleicht eine männliche Bezugsperson", erzählt sie 2013 der "Welt".

Sie könne die Entscheidung des Jugendamtes Jahre später noch immer nicht nachvollziehen. Ihr Sohn kommt zu einer Pflegefamilie und Christiane kehrt verzweifelt zu den Drogen zurück. "Gleich nachdem ich wieder in Berlin war, habe ich mir was geholt. Ich wollte nicht mehr leben! Es war dumm von mir", erinnert sich Felscherinow.  

Christiane F. heute

2010 erhält sie nach erfolgreichem Entzug das Sorgerecht wieder, lässt Philipp jedoch bei der Pflegefamilie, damit er nicht aus seinem neuen Umfeld gerissen wird. Eigenen Aussagen zufolge ist sie seitdem clean und raucht nur noch ab und zu Gras.

2013 veröffentlicht sie ihre zweite Biografie "Christiane F. – Mein zweites Leben". Nach einigen Interviews zur Bewerbung des Buches gibt sie 2014 auf ihrer Homepage ihren Rückzug aus der Öffentlichkeit mit den Worten "Ich bin eine kranke Frau Anfang 50" bekannt. Sie leide an einer Leberzirrhose und habe sich vor einigen Jahren mit Hepatitis C angesteckt. 

Anfang 2021 ist Christianes Drama der Vergangenheit wieder in aller Munde. Amazon Prime veröffentlichte die neue Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", die das Leben von Christiane und ihrer einstigen Clique – teils fiktiv – darstellt und die andauernde Aktualität des Problems aufzeigt. Was Felscherinow von der Adaption hält, ist bisher unbekannt. 

Hier geht's direkt zur Serie.