APA - Austria Presse Agentur

Debütalbum von New Wellness: "Lexicon of Untold Stories"

Den coronabedingten Ausfall seines Releasekonzerts dieser Tage im Wiener fluc sieht Silvio Lenglachner aka New Wellness derzeit noch relativ entspannt. "Ich verstehe die Maßnahmen und supporte sie zur Gänze. Ich hoffe natürlich, dass das bald vorbei geht." Ein längerer Ausfall hätte aber drastische Folgen für sein Solodebüt. "Wenn das komplett wegknickt, ist das hardcore."

Ein bisschen "hardcore" geht es auch auf seinem Popalbum "Lexicon of Untold Stories" zu, das am Freitag bei Wohnzimmer Records erscheint. Die erste Single "Treat Yourself" beginnt mit tiefem Bass und einem eindringlichen Gitarrenriff, das sich durch den gesamten Song vordergründig zieht. Rockige Sounds treffen hier auf Synthie-Klänge, das Ganze wird unterlegt von einem Pop-Beat-Teppich. Da hat sich jemand an seinen Computer-Beats ausgetobt. "Der große Unterschied ist, dass es kein richtiges Schlagzeug ist, sondern alles nur Beats sind, die ich am Computer programmiert habe. Das macht vom Sound her einen extremen Unterschied. Die Lieder entwickeln sich ganz anders", erzählt Lenglachner im Gespräch mit der APA.

"Treat Yourself" erschien im Dezember des Vorjahres und ist ein sehr persönliches Porträt des Musikers. Es erzählt vom Kampf, als Teil der "Generation Y" seinen Weg zu gehen und das Eigene in die Welt zu bringen. "I'm gonna take this world and I make it my way", singt er da im Refrain. "Ich habe das genommen was ich hatte, meine Gitarre, mein Keyboard und meinen Computer. Es war so schnell so viel da, weil sich da was angestaut hat in mir." In knapp zwei Jahren hat er zehn Songs geschrieben, eingespielt und am Laptop arrangiert. Wolfgang Möstl, der ihm das Ganze dann gemischt hat, hat Lenglachner bis heute noch nie in Person getroffen. "Ein Quarantäne-Album sozusagen", stellt er schmunzelnd fest.

Nach dem Ende der erfolgreichen heimischen Indie-Band We Walk Walls, wo er Songwriter, Gitarrist und Sänger war, legte er eine musikalische Pause ein. In dieser Zeit habe er hauptsächlich Videos gedreht und machte dabei eine Beobachtung. "Ich habe gemerkt, wie vor allem - tut mir leid, dass ich das so sagen muss - ältere Herren, die überhaupt keine Ahnung von der Technik haben, unserem Team irgendwas erklären." Vor allem wenn Frauen in seinem Team dabei waren, sei das oft passiert. "Das habe ich über Jahre erlebt, permanent. Irgendwann hat es mir gereicht."

Aus dieser persönlichen Erfahrung des "Mansplainings" setzte sich die Phrase "Stop Explaining Shit" in seinem Kopf fest, und ihm war klar, dass er unbedingt ein Lied um diese Phrase schreiben will. Daraus ist die zweite, kürzlich erschienene Single "Coco Baptiste" entstanden, deren Refrain hauptsächlich daraus besteht. "Das ist ziemlich 'in your face', in Wahrheit ist das eine Melodie und ein Satz."

"Millenials", "Generation Y", "Generation Praktikum": New Wellness singt über Phänomene einer Generation, für die es viele Namen gibt. Man ist mit denselben Serien, denselben Popgrößen und den gleichen Modetrends aufgewachsen. Und man hat dieselben Probleme, wenn man erwachsen wird. "Mansplaining" ist so ein Phänomen dieser Zeit. Studieren und dann nur schlecht bezahlte Praktika, aber keinen echten Job finden, ein weiteres. "I'm pretty young for a kid my age - stuck in a job for a minimum wage", heißt es da in "Coco Baptiste".

Grundsätzlich findet Lenglachner es schwer, von einer Generation zu sprechen. "Ich glaube nicht, dass es eine homogene Masse ist, es sind ja doch einzelne Personen." Trotzdem glaubt er, dass Menschen "ähnliche Erfahrungshorizonte" haben. Man hat sozusagen einen gemeinsamen popkulturellen Horizont, vor dem man groß geworden ist. Diese gemeinsamen Codes sind quer durchs Album verstreut. "Es geht auch um Subkultur."

Die Videos zu "Treat Yourself" und "Coco Baptiste" strotzen nur so von Pop und Trash. Da kann es auch mal Donuts regnen, animierte Delfine tanzen durchs Bild, Tipps, wie man im Jahr 2020 ein "cooles Musikvideo" drehen kann, werden erteilt, und den Künstler selbst sieht man nur hinter diversen Snapchat-Filtern. "Wenn man nicht im Internet unterwegs ist, wie ich das halt bin, wird man sich wahrscheinlich denken 'What the Fuck'." Er selbst hasse übrigens Snapchat, "aber ich fand es fürs Video trotzdem lustig".

Auf die Frage, ob er selbst gerne Wellnessen gehe, antwortet der 32-jährige Oberösterreicher lachend: "Ich war noch nie in meinem Leben Wellnessen. Ich stell es mir ziemlich fad vor, weil es dort keine Wasserrutschen gibt." Sein Künstlername kommt also nicht von einem heimlichen Hobby, sondern bezieht sich auf unsere Selbstoptimierungsgesellschaft, wo sogar das Entspannen zu einer anstrengenden Angelegenheit wird, weil man alles perfekt machen muss.

"Ich habe einen großen Teil des Albums im Kosovo geschrieben. Da bin ich auf einen Artikel über ein altes kosovarisches Archiv gestoßen, das hieß 'Lexicon of Hidden Stories'. Das hat mir total gefallen. Da dachte ich mir, meine Songs sind auch ein 'Lexicon of Stories', aber damals halt noch 'Untold Stories'." Ab Freitag kann man sich das "Lexicon of Untold Stories" anhören. Und das ist auch gut so, ist es doch ein äußerst lauschenswertes Lexikon.