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"Der denkwürdige Fall des Mr. Poe" auf Netflix

Edgar Allen Poe war der berühmteste amerikanische Dichter des Makabren. Aber "Der denkwürdige Fall des Mr. Poe", ein neuer, winterlicher Kriminalfilm auf Netflix, der seinen Namen trägt, wird dem Meister nicht gerecht. Trotz großartiger Schauspieler wie Christian Bale, Gillian Anderson, Charlotte Gainsbourg und sogar Robert Duvall, zerfällt dieser Thriller mit einem jungen Poe zur Posse.

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Louis Bayard aus dem Jahr 2003, bringt uns Scott Coopers "Der denkwürdige Fall des Mr. Poe" (der Originaltitel "The Pale Blue Eye" stammt aus Poes Kurzgeschichte "Das verräterische Herz") die fiktive Origin Story von Edgar Allan Poe. Trotz des deutschen Filmtitels ist Poe nicht die Hauptattraktion dieser Geschichte. Diese Aufgabe fällt Christian Bales weltmüdem, verwitwetem Detektiv Augustus Landor zu, dessen Verstand nicht nur im Whiskey, sondern auch im dicken Nebel verschwunden ist, der diese Schauergeschichte in eine zugegebenermaßen gotische Atmosphäre taucht.

In einer kalten Winternacht im Staat New York des Jahres 1830 hängt ein junger Militärkadett tot von einem Baum. Um die Sache noch seltsamer zu machen, hat jemand dem Burschen das Herz herausgeschnitten. Wie jeder guter Sherlock Holmes, entdeckt der geniale Landor Indizien, die sonst niemand zu sehen scheint. Aber er holt sich auch eine Art Watson zur Hilfe in Form eines exzentrischen Kadetten namens Edgar Allan Poe (ein feiner Harry Melling, der Dudley Dursley in den "Harry Potter"-Filmen gespielt hat), der noch nicht berühmte Schriftsteller, der tatsächlich auf die Militärakademie in West Point ging. Als noch mehr Tote auftauchen, nimmt der Fall eine okkulte Note an und erinnert absichtlich an die Werke, die Poe später zum Virtuosen des Grauens gemacht haben. Der Film ist gespickt und aufgesetzt mit schwarzen Raben, verlorenen Herzen, Spaziergängen auf finsteren Friedhöfen, dem Tod einer schönen Frau, Verweisen auf seine Muse Lenore und anderen Anspielungen, als ob wir Zeugen der Entstehung des Mannes werden würden, der den Detektivroman mitbegründet hat.

Nacherzählt hat der Film alles, was man sich von einem verschneiten Schauerroman wünschen kann: eine melancholische Romanze, eine Rachetragödie, Kerzenlichter, weiße Landschaften und ein wirklich großartiges Ensemble. Die Besetzung ist ein Who is Who legendärer Charakterdarsteller von Toby Jones als Arzt, Gillian Anderson als seine Ehefrau, Timothy Spall als Offizier der Militärakademie bis hin zu Charlotte Gainsbourg als Kellnerin und Landors Bettgefährtin (sie hat nicht sehr viel Dialog). Sogar Robert Duvall tritt im Alter von 91 Jahren als Experte auf, der von Landor konsultiert wird, um Licht in den okkulten Unterbauch der Morde zu bringen. Der legendäre Howard Shore ("Der Herr der Ringe") hat die Filmmusik komponiert. Das einzige Problem ist, dass Regisseur Scott Cooper ("Crazy Heart"), der auch das Drehbuch geschrieben hat, unfähig zu sein scheint, seine Figuren in etwas zu formen, das einer logischen oder ansatzweise gruseligen Geschichte ähnelt, mit einer angeklatschten Enthüllung und zwei Enden, von denen keines auch nur im Entferntesten befriedigend ist.

Nach "Auge um Auge" (2013) und "Feinde - Hostiles" (2017) ist es schon das dritte Mal, dass Cooper mit Christian Bale zusammenarbeitet, aber selbst der sonst so faszinierende Schauspieler scheint durch seine Rolle schlafzuwandeln. Im Gegensatz dazu fühlt sich Harry Mellings Poe als der makabre, kleine Außenseiter, der er ist, erfrischend schrullig an. "Der denkwürdige Fall des Mr. Poe" ist einfach bei weitem nicht so denkwürdig wie die Rätsel, die uns dieser großartige Dichter hinterlassen hat. Er würde sich zurecht im Grab umdrehen.