APA - Austria Presse Agentur

Doku über Rockband "Kiss - Die heißeste Band der Welt"

Vier Jahre ist es her, dass die Rockgruppe Kiss ihre finale Abschiedstournee ankündigte, die im Jänner 2019 begann. Auch pandemiebedingt dauert die "End Of The Road"-Tour an. Kiss, die im kommenden Jahr ihr 50. Bandjubiläum feiern, füllen mit Hymnen wie "Rock And Roll All Nite", "Detroit Rock City" und "Shout It Out Loud" weiterhin die großen Hallen. Dass das nicht immer so war, zeigt eine zweiteilige Doku über die New Yorker Kultband am Freitag (21.55 Uhr) bei Arte.

Der Dokumentarfilm feierte in den USA bereits im letzten Sommer Premiere, wird nun aber erstmals in Deutschland ausgestrahlt. "Niemand hat je so dick aufgetragen wie Kiss", schwärmt Dave Grohl. Der Foo-Fighters-Frontmann und ehemalige Nirvana-Drummer ist einer der prominenten Kiss-Fans, die zu Wort kommen. Ein anderer ist Tom Morello, einflussreicher Gitarrist von Rage Against The Machine, für den Kiss als Teenager eine Offenbarung waren. "Sie waren die gefährlichste und gefürchtetste Band Amerikas", sagt er.

Im ersten Teil von "Kiss - Die heißeste Band der Welt" schildern Sänger und Rhythmusgitarrist Paul Stanley alias "Starchild" und der als "The Demon" bekannte Bassist und Sänger Gene Simmons ihre mühsamen ersten Schritte im Musikbusiness, die erfolglosen Anfänge und schließlich den schwindelerregend rasanten Aufstieg von Kiss, der alle Beteiligten überwältigte. "Wir waren vier Idioten von der New Yorker Straße, die keinen blassen Schimmer hatten", so Simmons.

Gemeinsam besuchte das Duo für den Film die Electric Lady Studios im New Yorker Stadtteil Greenwich, wo sie mit ihrer Band Wicked Lester einst Songs für ein Album aufnahmen. Der gebürtige Israeli Simmons hieß damals noch Chaim Witz, bei seinem Bandkollegen stand Stanley Bert Eisen auf der Geburtsurkunde. Der Traum, Rock'n'Roll-Stars zu werden, ihr Ehrgeiz und ihre Hartnäckigkeit verbanden die beiden.

Gemeinsam mit Gitarrist Ace Frehley und Schlagzeuger Peter Criss, mit der visionären Idee von Make-up, fantasievollen Bühnenoutfits und wahrlich explosiven Liveshows erspielten sich Kiss ein Publikum. Doch drei Studioalben - jetzt Klassiker - floppten. Heute undenkbar: Der Manager nahm eine Hypothek auf sein Haus auf, der Labelboss lieh sich angeblich Geld von der Mafia, weil beide von Kiss überzeugt waren.

Das Livealbum "Alive!" brachte 1975 den Durchbruch. Livealbum? Naja. Relativ offen geben Simmons und Toningenieur Eddie Kramer zu, wie im Studio getrickst wurde, um ein perfektes Kiss-Konzerterlebnis auf Schallplatte zu bringen. Der Zweck heiligte die Mittel.

Das Album brach damalige Verkaufsrekorde und machte Kiss endgültig zu Superstars. Doch mit dem Erfolg kamen Spannungen in der Band auf. "Der Ruhm verändert dich nicht", sagt Stanley. "Er erlaubt dir nur, das Arschloch zu sein, das du schon bist."

Die Ex-Mitglieder Frehley und Criss verweigerten ihre Teilnahme an dem Film. Sie teilten die Ansichten nicht, heißt es zu Beginn. Kein Wunder. Stanley und Simmons, die exzessiven Drogen- und Alkoholkonsum stets ablehnten, sparen nicht mit Kritik an den beiden: Zu viel Party, zu viel Alkohol und Drogen, Egoismen, erratisches Benehmen.

Ein Archivinterview, in dem Frehley seine Kollegen betrunken vor laufender Kamera lächerlich macht, soll das belegen. Offenbar nehmen Simmons und Stanley den beiden einiges bis heute übel. Es ist dennoch schade, dass Frehley und Criss nur in Archivinterviews vorkommen.

Der zweite Teil widmet sich den turbulenten 1980er-Jahren, die bei Kiss manchmal vernachlässigt werden. Die Dekade war gekennzeichnet von einer Sinnsuche, dem kuriosen Science-Fiction-Film "Kiss Meets The Phantom Of The Park" (lief als "Kiss - Von Phantomen gejagt" in den deutschen Kinos), den zahlreichen Besetzungswechseln, sinkenden Plattenverkäufen und sinkenden Zuschauerzahlen, zumindest in ihrer Heimat - in Europa und Südamerika waren Kiss weiterhin angesagt.

Schließlich verzichtete das Quartett sogar für 13 Jahre auf das berühmte Make-up. So waren Kiss eine gewöhnliche Rockband. Obendrein verlor man Schlagzeuger Eric Carr, der 1991 an Krebs starb. Erst in Folge eines Unplugged-Konzerts bei MTV kam es zur vorübergehenden Reunion mit Criss und Frehley (und Make-up), die Kiss ab 1996 wieder als Topband etablierte, die in Stadien und großen Hallen spielt.

Etwas zu abfällig äußert sich Simmons über die bei vielen Fans sehr beliebten Kiss-Alben der 1980er-Jahre. Das ist erstaunlich, weil die Band 80er-Hits wie "Heaven's On Fire", "Tears Are Falling" oder "Crazy Night" bis heute regelmäßig bei ihren Konzerten spielt. Doch insgesamt ist es erfrischend, dass die Kiss-Musiker, die vor allem in Person von Simmons nie mit Selbstlob sparen, auch zugeben, was nicht so gut lief und wie enttäuschend solche Rückschläge für sie waren.

Zu Wort kommt außerdem Starproduzent Bob Ezrin, der unter anderem "Destroyer" (1976), das Opus Magnum der Kiss-Studioalben, produzierte, Tommy Thayer, seit 20 Jahren Leadgitarrist von Kiss, der langjährige Drummer Eric Singer, Ex-Gitarrist Bruce Kulick und Managerlegende Doc McGhee. So entsteht trotz Abwesenheit der beiden Gründungsmitglieder Frehley und Criss ein einigermaßen rundes Bild der fast 50-jährigen Kiss-Karriere, die nun zu Ende gehen soll. Oder doch nicht?

Aus dem Kiss-Umfeld waren zuletzt zunehmend Zweifel zu hören, dass es wirklich die allerletzten Konzerte sein werden. Ihr "End Of The Road" haben Kiss womöglich doch noch nicht erreicht.

(S E R V I C E - "Kiss - Die heißeste Band der Welt" am 19. August ab 21.55 Uhr bei Arte. www.arte.tv)