Ein Fest für 20.000 "Partyratten" - Die Ärzte in Graz

Zweieinhalbstündiges Songfeuerwerk der Berliner Band
Aus dem ganzen Land waren die Fans am Donnerstag in die Steiermark gepilgert, um Die Ärzte beim ersten von zwei Österreich-Stopps ihrer "Buffalo Bill in Rom"-Tour live zu erleben. Sie wurden nicht enttäuscht. Zweieinhalb Stunden lang feuerten die Berliner Ex-Punkrocker auf dem Grazer Messegelände ein Feuerwerk aus 40 Songs ab. Dass die Herren inzwischen auf die 60 zugehen (Drummer Bela B feiert seinen "runden" im Dezember) war ihnen keine Sekunde lang anzumerken.

Auch das Wetter spielte mit. Die drohenden Regenwolken verzogen sich pünktlich und kurz vor sieben ertönte eine schräg gespielte Version des "Also sprach Zarathustra"-Themas von Richard Strauss hinter dem vor der Bühne hochgezogenen schwarzen Vorhang und die Ärzte starteten passend mit "Himmelblau" von ihrem Album "Jazz ist anders". Nach drei kerzengerade durchgebretterten Nummern folgt die standesgemäße Begrüßung: "Hallihallöchen, ihr Partyratten". Bela B, der immer wieder sein Stehschlagzeug verlässt und moderierend Ausflüge über die Bühne macht, und Sänger/Gitarrist Farin Urlaub teilen sich die traditionell flapsigen Ansagen, mit denen sie durch das Programm führen.

Mit Punk hat das Ganze mittlerweile so wenig zu tun wie die Musik der britischen Kollegen von The Police, auch wenn beiden Gruppen ihre Wurzeln dort haben und auch jeweils zu dritt kraftvoller Sound produziert wird. Eher schon spielen die Ärzte heutzutage perfekten Pop. Die Melodien sind durchwegs ohrenfreundlich eingängig, wie das mittlerweile auch schon zum Klassiker gewordene "Lasse reden" mit seiner vom Publikum gesungenen Breitseite auf die "Bild"-Zeitung, der Die Ärzte nach wie vor keine Interviews geben. Zwischendurch wechseln Bassist Rodrigo González und Farin Urlaub, der eigentlich Jan Vetter heißt, Platz auf der Bühne und Instrument, was ersterem Gelegenheit gibt, seine Parade-Ballade "1/2 Lovesong" mit einem auf der akustischen Gitarre geschrummelten Sex-Pistols-Cover einzuschwingen.

Die Ärzte blicken auf einen über 40 Jahre zu einem ansehnlichen Konvolut angewachsenen Back-Katalog zurück. Lieder wie "Manchmal haben Frauen" haben in ihrer unmissverständlichen Schärfe anlässlich von hierzulande ansteigenden Femiziden und Gewalt gegen Frauen nichts von ihrer traurigen Aktualität verloren. Bei "Friedenspanzer", einer bereits etwas älteren Anti-Kriegsnummer, ist die Bühne wohl nicht zufällig in blaues und gelbes Licht, die ukrainischen Nationalfarben, getaucht.

Die Band hat ihr Publikum, das im Frontstage-Bereich inzwischen bereits tanzt und mitsingt, jede Sekunde lang im Griff. Dass dann nach knapp zwei Stunden mit "Unrockbar" Schluss sein soll, glaubt natürlich niemand.

Das Beatles-hafte "Dinge von denen" leitet die ausgiebigen Zugabenblöcke ein. Hier darf es natürlich auch richtig romantisch werden. "Wie es geht", "Mach die Augen zu" sind was für's Herz. Die seinerzeit auf den Index gesetzte "Geschwisterliebe" wird - wie schon auf der Ärzte-Live-LP - von 1988 durchwegs vom Publikum gesungen. Nicht fehlen durfte natürlich die Anti-Neonazihymne "Schrei nach Liebe", das wichtigste Lied, das er je geschrieben hat, wie Sänger Farin Urlaub erklärt. Dann noch ein furioses Medley mit den selten gespielten "Zitroneneis" und "Roter Minirock".

"Hat es euch Spass gemach?" Publikum: "Jaaaaaaa". "Uns auch. Das war eines der besten Konzerte der Tour bisher", verkündet Bela B. Zum Dank gab es mit einer weiteren Rarität, dem a cappella dargebotenen "Westerland", für die 20.000 Fans, die sich trotz starker fußballerischer Konkurrenz eingefunden hatten (Sturm Graz spielte zeitgleich im unweit gelegenen Liebenauer Stadion gegen den dänischen Verein Midtjylland), ein echtes Gute-Nacht-Zuckerl mit nach Hause.

Am 15. September sind Die Ärzte in Bad Hofgastein zu Gast und ein zweites Mal in Österreich zu erleben. Die "Buffalo Bill in Rom-"Tour endet zwei Tage später im saarländischen Nohfelden-Bosen.

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