Es ist soweit: Tribal Tattoos sind wieder da

Es ist soweit: Tribal Tattoos sind wieder da
Die heiligste aller 90er-Reliquien feiert ihr großes Comeback: Tribal Tattoos sind zurück.

Alles rächt sich irgendwann. "What goes up must come down" sagt man im Englischen. Wer allerdings schon mal sieben Bacardi Cola intus hatte, der weiß, dass auch eine direkte Umkehrung dieses Sprichworts eintreten kann – und das, was einst wie Öl runterging, völlig unerwartet und inklusive Bröckchen wieder hochkommt.

Ähnlich verhält es sich auch in der Mode: Regelmäßig werden längst verdaut geglaubte Trends wieder hochgewürgt, in den vergangenen Jahren wurden wir gar mit einer wilden Kotzfontäne aus Bauchtaschen, Chokern und getönten Mini-Sonnenbrillen beglückt. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis auch das ultimative Wahrzeichen des goldenen Zeitalters rund um die Jahrtausendwende seinen zweiten Frühling erleben würde – und ganz plötzlich, einfach so, als wäre nie was gewesen, sind Tribal-Tattoos wieder da.

Wrestling-Ikone Bill Goldberg ist bekannt für seine Oberarm-Variante, Amy Schumer trägt ihres bis heute stilgerecht oberhalb des Steißbeins, Mike Tyson hat sich besonders draufgängerisch für eines im Gesicht entschieden, sogar der Game Boy Advance bekam für eine 2003 erschienene, legendäre Spezialausgabe ein paar einzelne draufgeklatscht: Tribal-Tattoos stehen für ihre Zeit wie kaum ein anderes Erkennungsmerkmal. Umso schöner, dass wir dieser Tage ZeugInnen einer modischen Renaissance werden, die über die Grenzen der Hautbemalung hinausgeht.

2019 finden wir Tribals nämlich nicht mehr nur klassisch als Peckerl, sondern auch einrasiert in die Kurzhaafrisur, als edlen Halsschmuck oder aber als Print-Shirt auf internationalen Laufstegen. Dior etwa brachte mit seiner letzten Herbst-Winterkollektion nicht nur die bekannten Männermodels der 90er, sondern auch das Trendmuster der Ära Marusha zurück. Auf dem Mantel, um den Hals, am Kragen, auf der Schädeldecke: Ein einziger Tribal-Exzess von Kopf bis Fuß.

Beim Zürcher Modelabel Vetements pfeffert man währenddessen großzügig Tribals auf Denim und erinnert damit ein bisschen an die C&A-Pullis von früher, die, wenn man Glück hatte, neben Tribal-Logos auch noch mit vereinzelten Batik-Highlights aufwarten konnten. 

Damit scheinen die Modehäuser einen Nostalgie-Nerv zu getroffen zu haben, der gerade alles dominiert: Von Ariana Grandes Instagram über die überbeanspruchte Huji-Cam-App bis hin zu blondierten Boyband-Frisuren und allen Leiberln im Sortiment von Urban Outfitters – die Ästhetik der späten 90er ist eine Erinnerung an eine Zeit, in der unsere Mixtapes noch wirklich Kassetten waren, und wirkt vielleicht gerade deshalb so wohltuend auf uns.

Dabei haben Tribals – gewiefte Englisch-Kenner werden es bereits am Namen erkannt haben – ihren Ursprung in traditionellen Stammestatöwierungen. Ob der uns heute bekannte Stil auf die indigenen Völker Polynesiens, auf die Kelten oder doch ein anderes Volk zurückzuführen ist, lässt sich nicht eindeutig sagen – klar ist jedoch, dass Tribals immer mehr Stammeszeichen als Körperschmuck waren. Was schließlich die Tribal-Tattoo-Lawine der 90er losgetreten hat, weiß niemand so genau.

Foerdl vom Wiener Tattoostudio Vienna Electric Tattoo kann es sich zumindest denken. "Tribals haben sich wegen ihrer Klarheit und Formensprache immer wieder durchgesetzt", so der Tattoo-Artist gegenüber k.at. Zu Beginn seiner Laufbahn seien fast die Hälfte aller von ihm gestochenen Tattoos "tribal-lastig" gewesen.

Irgendwann war dann aber ein Punkt erreicht, an dem Tribals zu einer Art Prolo-Kennzeichen verkommen waren. Plötzlich schien Mike Tyson nicht mehr wie der coolste Typ der Welt, sondern eher wie ein Vollkoffer, Arschgeweihe wurden zu "Schlampenstempeln" und die Kunst des Cover-ups war auf einmal dermaßen gefragt, dass es bis heute eigene Fernsehformate dafür gibt, in denen regelmäßig Tribals überdeckt werden. Im Jahre 2019 gibt es allerdings wieder zunehmend Tattoo-Kundschaft, die sich aktiv für die heilige 90er-Reliquie entscheidet.

"Ich mache in letzter Zeit wieder vermehrt Tribals und freue mich, dass es wieder mehr Wertschätzung dafür gibt, da ich sie immer als tolle Möglichkeit gesehen habe, Formen gut an den Körper anzupassen", so Foerdl von Vienna Electric TattooEinen wiederbelebten Trend will er allerdings nicht festmachen: "Tattoos bleiben meist bis zum Tod – es ist daher schwer, von einem Trend zu reden, weil sie nicht einfach ablegbar sind. Natürlich gibt es bestimmte Motive, die die Massen, speziell jetzt durch Internet und Social Media, vermehrt haben wollen, allerdings versuchen wir, unsere Kunden soweit wie möglich dazu zu bringen, individuelle Ansätzen und Ideen zu verwirklichen – eben mit der Begründung, dass ihre Tattoos 'Trends' überdauern müssen."

In Deutschland hat es sich währenddessen Tattoo-Artist Dennis Bebenroth zur Aufgabe gemacht, Tribals von ihrer Negativ-Konnotation zu befreien, indem er sie mit bekannten Comic-Figuren kombiniert und damit vielleicht sogar ein bisschen ironisiert. Auf seinem Instagram-Account stellt er sein Schaffen zur Schau – ein Simpsons-Barney, dem ein Tribal ins Auge pikst, ist zumindest originell.

Ein gescheiter junger Mann auf Twitter, der wahrscheinlich in die Trendforschung gehen oder als Orakel arbeiten sollte, hat es übrigens prophezeit: Bereits 2010, als das große 80er-Revival gerade in voller Blüte stand, stellte er eine wichtige Frage: Ob das etwa bedeuten würde, dass Tribal Tattoos in acht bis zehn Jahren auch wieder cool sein werden. Und jetzt, acht bis zehn Jahre später, haben wir den Salat.

Wir fragen eine Kundin, die sich erst kürzlich ein Tribal stechen hat lassen, wieso sie das gerade jetzt macht. Ihre Antwort ist die einzig richtige: "Weil leider geil."

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