Folkpop trifft Elektronik - Fusion-Album von Lloyd Cole

Lloyd Cole mit seinem neuen Werk "Guesswork"
Etwas mürrisch schaut Lloyd Cole vom Cover seines neuen Albums. Nötig hätte er das nicht - denn "Guesswork" ist eine zwar zunächst gewöhnungsbedürftige, dann aber sehr interessante, sinnvolle Erweiterung seines Folkpop-Sounds. Er dürfte also durchaus gut gelaunt und glücklich damit sein.

Cole gilt als Inbegriff des klugen, sensiblen Singer-Songwriters im Großbritannien der 80er Jahre. Sein Debüt "Rattlesnakes" mit den Commotions (1984) steht in diversen Bestenlisten dieses Jahrzehnts. Eine sachte Kursänderung mit "Guesswork" markiert nun den Beginn eines spannenden Alterswerks. Feinste Folk-Melodien verschmilzt der 58-Jährige mit Old-School-Elektronik. Seine Synthie-Klänge klingen angesichts kühnerer Experimente junger Laptop-Künstler ein wenig altbacken - der Brillanz dieser Hybrid-Songs schadet das aber nicht.

Die Elektro-Folk-Fusion kommt bei Lloyd Cole nicht ganz überraschend - schon mit "Plastic Wood" (2001) und "1D Electronics 2012~2014" (2015) hatte er Krautrock und Ambient ausprobiert. "Guesswork" ist nun weniger kompromisslos "anders", zumal die jung gebliebene Stimme dieses wunderbaren Sängers stets vornehm über all dem Keyboardgeplucker und -geklingel schwebt.

Im besten Fall erinnert Lloyd Cole, der diesmal mit seinen alten Weggefährten Neil Clark, Blair Cowan und Fred Maher aufnahm, in atemberaubend schönen Balladen wie "Remains" oder "The Loudness Wars" an die schottische Dreampop-Band The Blue Nile. Aber auch "The Over Under" und "When I Came Down From The Mountain" reihen sich bei den Höhepunkten im Cole-Gesamtkatalog ein.

Nur "Night Sweats" fällt ab mit Stampf-Beat und etwas aufdringlichem E-Gitarren-Solo. Ansonsten ließen sich die "Guesswork"-Stücke auch ohne elektronischen Zierrat auf einer Klampfe spielen - immer ein gutes Zeichen. Fazit: Eines der stärksten Cole-Alben seit "Love Story" (1995), seinem zweiten Meisterwerk nach "Rattlesnakes".

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