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Freundschaftsberatung statt Paartherapie: Warum FreundInnen immer wichtiger werden

Im digitalen Leben haben wir meistens viel mehr FreundInnen als im realen. Doch wie viele FreundInnen braucht man überhaupt – und wie pflegt man eine Freundschaft?
Adisa Beganovic Adisa Beganovic

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Wer aktiv seine Profile auf den verschiedenen sozialen Netzwerken pflegt, sammelt über die Jahre mehrere Hundert (wenn nicht Tausend) FreundInnen – als würde man Pokémon fangen. Die Hälfte dieser Leute kennt man oft gar nicht und hatte nie direkte Interaktionen mit ihnen – und doch liken sie, was man postet und geben einem manchmal bei Kommentaren recht. Mit einem anderen Teil dieser "Freundesliste" hat man zwar gechattet, ist ihnen aber nie persönlich begegnet. Dank Instagram & Co. sind auch FreundInnen, die man längst nicht mehr sehen will, Teil des (digitalen) Lebens. Wir bleiben "Friends", denn solange man auf Social-Media-Kanälen sichtbar ist, verliert sich niemand aus den Augen.

In der Praxis sieht es aber anders aus, schließlich ist man nicht wirklich mit all diesen Menschen befreundet. Im Internet herrscht trotz der Flut an Bildern, die täglich (oder auch stündlich) gepostet werden, eine Anonymität. Nicht jeder schüttet sein Herz in den sozialen Medien aus. Zwar gibt es Menschen, die ihre Kanäle nutzen, um von ihren Problemen zu erzählen, aber das dient eher dazu, sich eine ordentliche Portion Mitleid zu holen und das Ego wieder zu boosten. Zu einem realen Austausch (inklusive Kaffee und Umarmung) kommt es nicht.

"Es braucht einen persönlichen Kontakt, um die Qualität und Nähe von Freundschaften zu gewährleisten. Im Geschriebenen fehlt Gestik und Mimik und dadurch kommt es zu Missverständnissen", erklärt die Psychologin Katharina Smutny, die neben herkömmlichen Paartherapien auch Freundschaftsberatungen anbietet. "Menschen kommunizieren nicht nur über das, was sie sehen oder hören, sondern auch über Berührungen. In der heutigen Zeit ergänzen mediale Kanäle die Kommunikation in Freundschaften. Inwiefern die Qualität dabei erhalten bleibt, ist ein neues Forschungsgebiet", so Smutny.

Der Blick auf die Anrufstatistik deines Smartphones verrät dir mehr über deine Freundschaften als die Anzahl der Herzen unter den Bildern deines Instagram-Accounts. Man hat diese eine Nummer auf der Kurzwahltaste, die man wählt, wenn die Arbeit so richtig scheiße war oder wenn einem einfach alles zu viel wird. Meistens ist es die/der beste/r Freundin, den/die man, egal um welche Uhrzeit, um Rat fragt. Doch kann eine einzige Person alle Freundschafts-Bedürfnisse abdecken?

Nicht nur ein/e BFF

Die Rolle einer besten Freundin oder eines besten Freundes ist mit einigen Aufgaben verbunden. Man muss zuhören, trösten und ab und an geduldig sein. Falls man Glück hat, stimmen Hobbys und Musikgeschmack auch noch überein. Wozu dann überhaupt andere soziale Kontakte pflegen? "Man braucht eine enge Bezugsperson, mit der man Intimes austauschen, über die eigenen Gefühle sprechen und auf die man sich verlassen kann. Eine Person kann aber selten alles abdecken, was man sich im sozialen Zusammensein wünscht", sagt Katharina Smutny. Die Expertin rät davon ab, nur an einer Person zu hängen, weil lose Bekanntschaften das eigene Leben bereichern würden. "Zum Beispiel mache ich mit meiner besten Freundin einen Mädels-Quatsch-Abend, in dem wir uns über Gefühle austauschen, mit einer anderen Freundin gehe ich auf Konzerte, weil wir beide dieselbe Musik lieben. Davon haben alle einen Gewinn, denn ich muss meine Quatsch-Freundin nicht nötigen, auf ein Konzert mitzugehen, dessen Musik sie nicht mag. Ich komme auf meine Kosten, weil ich meine Leidenschaften mit Freunden teilen kann", erklärt Smutny.

Enge Freundschaften könnten auch Konfliktpotential mit sich tragen, weil man eben nicht alle Interessen und Hobbys miteinander teilt. "Erwartet oder verlangt man das, sind Enttäuschungen oder Konflikte unausweichlich", so Katharina Smutny. Für eine gelungene Freundschaft spielen neben der Freiwilligkeit, dass man sich auf Augenhöhe begegnet und einem Ausgleich zwischen Geben und Nehmen eben auch ein gewisses Maß an Gemeinsamkeiten. "Hakt es beispielsweise, weil eine Person die andere ausnutzt, die hierarchischen Verhältnisse verschoben sind oder es keine Gemeinsamkeiten (mehr) gibt, wird eine Freundschaft schwer aufrechtzuerhalten sein. Auch ein großer Vertrauensmissbrauch kann ein Grund für das Scheitern einer Freundschaft bedeuten“, sagt Smutny.

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Freundschaften sind wie Liebesbeziehungen

Mit jemandem befreundet zu sein bedeutet, dass man die Beziehung zu dieser Person auch hegt und pflegt. Sich nur einmal im Jahr treffen kann man nicht wirklich als Freundschaft bezeichnen. Wie man richtig mit seinen FreundInnen umgeht, erklärt Psychologin Katharina Smutny in ihrer Freundschaftsberatung. Diese würden ähnlich wie Paartherapien verlaufen, nur, dass es sich bei den Personen eben nicht um Liebespaare handelt, sondern um FreundInnen. "Freundschaften werden in der heutigen Zeit immer wichtiger. Junge Menschen ziehen beruflich von der Herkunftsfamilie weg, Liebesbeziehungen/Ehen gehen in die Brüche und Freunde schließen teilweise diese Lücken", so Smutny. Ihre Beratung würden vor allem FreundInnen in Anspruch nehmen, bei denen sich ein Konflikt eingeschlichen habe, worunter beide leiden würden. "Das kann eine Meinungsverschiedenheit sein, bei denen die Fronten verhärtet sind, ein Vertrauensbruch oder eine starke Kränkung. Konkret geht es fast immer um eingefahrene Kommunikationsmuster, das Verständnis fehlt und das Bedürfnis nach Nähe ist trotzdem vorhanden", sagt die Psychologin. Ihre Freundschaftsberatung würden mehr Frauen als Männer aufsuchen – die Hemmschwelle davor, Unterstützung zu suchen sei bei Männern etwas größer. "Frauen finden meist leichter den Zugang zu einer Beratung, durch die bessere Kommunikation und Empathie von Frauen", so Smutny. Dafür seien zwischen Frauen oft die Themen durch versteckte oder subtilere Konflikte schwerer zu erkennen. Laut Smutny seien in der Regel die Männer klarer – was nicht passt, wird meistens offen angesprochen.

Der Geschlechterunterschied

Mit FreundInnen verhält es sich in der Regel wie mit Haaren – mit dem Alter werden es immer weniger. Denkt man an die Schulzeit zurück, hatte man meist ziemlich viele Menschen um sich herum. In der Schule, dem Tanzkurs oder bei sonstigen gesellschaftlichen Aktivitäten, an denen man sich beteiligt hat, sammelte man fleißig Kontakte. Irgendwann kommt das Erwachsenwerden in Form eines Jobs oder einer Beziehung und die Anrufe oder Einladungen zu Partys trudeln immer seltener ein. "Laut einer Studie aus den USA und Finnland steigen Freundschaften bis zum 20. Lebensjahr auf durchschnittlich 20 Personen an. Ab ungefähr 30 Jahren sinken diese Sozialkontakte", so Katharina Smutny. Bei dieser Studie sei auch ein Geschlechterunterschied festgestellt worden. Männer würden in jungen Jahren mehr Sozialkontakte pflegen als Frauen, was sich ab dem 40. Lebensjahr umkehrt. "Gründe dafür könnten sein, dass Männer im jungen Alter den Netzwerken mehr nachgehen und sich bei Frauen ab 40 Jahren aufgrund der Karriere oder der Familie hilfreiche Kontakte ergeben", erklärt die Psychologin. Trotzdem sollte man womöglich nicht bis 40 warten, um neue FreundInnen zu finden – sondern bestehende Freundschaften aufrechterhalten.