APA - Austria Presse Agentur

"Haben die Grenzen aufgehoben": Milky Chance und der Mond

Ihr "Stolen Dance" ist vielen noch im Ohr: Mit dem Song landete das deutsche Duo Milky Chance einen Hit, der auch jenseits des Atlantiks auf und ab gespielt wurde. Am Freitag erscheint nun "Mind The Moon", das bereits dritte Album von Clemens Rehbein und Philipp Dausch, die erneut zwischen Folk, Pop und Electronic changieren. Sänger Rehbein sprach mit der APA über Alltag, Kreativität und den Mond.

APA: Beim Vorgängeralbum "Blossom" haben Sie von Ihrem "eigenen Tempo" gesprochen, das eher gemütlich sei. Hat sich das seitdem verändert?

Clemens Rehbein: Ich würde schon sagen, dass sich etwas verändert hat. Natürlich versuchen wir, unser eigenes Tempo zu gehen - das macht ja jeder für sich. Manchmal gibt es Situationen, in denen das Leben einen relativ schnellen Strom verfolgt und du versuchst, damit mitzuhalten. Außerdem hat sich privat viel getan. Wir sind relativ früh Familienväter geworden, und da hast du automatisch viel Erdung. (lacht) Manchmal steht man auch zwischen den Welten. Aber so ist das.

APA: Ist nach dem großen Erfolg mit "Stolen Dance" mittlerweile der musikalische Alltag eingekehrt?

Rehbein: Vor allem beim Touring kommt irgendwann eine gewisse Routine rein. Man hat das Gefühl, dass man sein Handwerk auf der Bühne mehr und mehr beherrscht. Beim kreativen Prozess selber haben wir diesmal bewusst versucht, Sachen anders zu machen. Natürlich kommt es darauf an, was du willst. Aber wenn etwas Neues passieren soll, dann musst du dich von Gewohnheiten lösen. Wir haben uns auch mehr Zeit genommen. Bei "Blossom" haben wir quasi zwischen Tür und Angel versucht, mit gefühlt gar keiner Zeit ein Album aus dem Boden zu stampfen. Diesmal hatten wir ein Jahr Pause vom Livespielen und konnten uns ganz auf das Kreative fokussieren.

APA: Wie lief dieser Prozess dann konkret ab?

Rehbein: Ideen kommen eigentlich immer, die ganze Zeit. Das kann auf Tour, aber auch Zuhause passieren. Sich dann aber ran zu setzen und das auszuarbeiten, dafür haben wir uns mehr Zeit genommen. Wir haben uns mit unserem Produzent Tobi Kuhn für ein paar Tage in ein Landhaus verzogen, haben Ideen gesammelt und alles durchgespielt. Wir sind dabei in alles weiter eingetaucht und haben geschaut, was uns am besten gefällt. Da ist es schon sehr hilfreich, wenn man sich abkapselt.

APA: Gab es einen bestimmten Moment, in dem sich die Richtung der Platte herauskristallisiert hat?

Rehbein: Es gab jedenfalls keinen Song, der mit einer bestimmten Klangfarbe als Leitfaden fungiert hat. Dazu sind die Lieder zu unterschiedlich und vielfältig. Wir sind ja keine Konzeptmusiker, es passiert alles sehr intuitiv. Jeder Song steht eigentlich für sich. Von vornherein war aber schon als Idee in unseren Köpfen, dass wir an verschiedenen Orten aufnehmen, um uns von diesen Räumen mit ihren jeweiligen Klängen inspirieren zu lassen. Deswegen haben wir ein bisschen in Etappen gearbeitet, um uns von der Umgebung inspirieren und treiben zu lassen. Insgesamt haben wir den ganzen Prozess offener gestaltet, alle mit ins Boot geholt, um mehr Pingpong-Effekte zu haben.

APA: Das betrifft wohl auch Features wie Teme Tan und Tash Sultana, die auf dem Album zu hören sind?

Rehbein: Ja. Wir haben das einfach ausprobiert und die Grenzen aufgehoben. Man lernt sich ja auf Tour kennen. Es war jetzt Zeit dafür und auch sehr spannend. Du wagst dich dabei aus deinem eigenen Sumpf heraus. (lacht) Andere Köpfe kennenzulernen, kann aus musikalischer Sicht auch sinneserweiternd sein.

APA: Bei aller Vielfalt der Stücke: Wie kam es zu "Mind The Moon" als Titel und Klammer für die zwölf Nummern?

Rehbein: Es hat tatsächlich eine ganze Weile gedauert, bis wir endlich einen Titel gefunden haben. Der Mond ist in mehreren Songs als Metapher drin, obwohl das unbewusst passiert ist. Er hat uns beim Songwriting also immer wieder begleitet. Daher spielte er bildlich und phonetisch eine Rolle. Was uns auch dazu gebracht hat, war die letzte Aufnahmephase in einem Studio in Norwegen, das direkt am Meer lag. Egal wo man hingeschaut hat, es war immer das Meer da - dieser weite Blick und dieses fließende Element. Das hat etwas mit uns gemacht, glauben wir. Meer, Mond, Gezeiten - diese ganzen Kräfte haben uns schlussendlich auf diesen Titel gebracht.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

ZUR PERSON: Das deutsche Popduo Milky Chance besteht aus Sänger Clemens Rehbein und Instrumentalist Philipp Dausch. Mit der Single "Stolen Dance" sowie dem dazugehörigen, 2013 veröffentlichten Debüt "Sadnecessary" landete die Gruppe große Erfolge und schaffte es u.a. auch in die US-amerikanischen Charts. 2017 erschien der Nachfolger "Blossom". Ab Jänner 2020 ist die Gruppe auf Tour durch Australien und Europa.