APA - Austria Presse Agentur

"Ich vertraue meinem Bauchgefühl": Neues von Sängerin Avec

Oft heißt es, das dritte Album sei "das schwierige". Bei Miriam Hufnagl war das nicht so: Die oberösterreichische Musikerin hat als Avec dieser Tage ihren neuen Longplayer "Homesick" veröffentlicht. "Es war ein sehr natürlicher Prozess", betonte die Musikerin. Und tatsächlich: Die neuen Stücke klingen leichtfüßig und eingängig, vermengen 80er-Flair mit zeitgemäßem Pop und authentischen Texten.

"Ich habe mir beim zweiten Album sicher mehr Druck gemacht als diesmal", rekapitulierte Hufnagl im APA-Interview. "Für uns war ja lange nicht klar, dass wir dieses Album machen. Eigentlich war eine EP im vergangenen Herbst geplant. Dann bin ich aber umgeschwenkt: Die Songs sind da, ich fühle mich bereit, warum also kein Album? Das war eher eine spontane Entscheidung."

Vorausgegangen ist dieser ein einmonatiger Berlin-Aufenthalt im Sommer 2019, bei dem Avec mit verschiedenen Künstler und Produzenten an Songideen feilte. Dabei sei auch das Konzept entstanden. "Es geht, wie der Titel schon sagt, um Heimweh. Die Zeit in Berlin war schön und bereichernd, aber für meine mentale Gesundheit auch sehr schwierig", so Hufnagl. Sich jeden Tag fremden Menschen zu öffnen, die äußerst persönlichen Songs zu teilen, sei eine Herausforderung gewesen.

"Also habe ich gekämpft mit Depression, Panikattacken, Angstzuständen", erzählte die Sängerin. "Auch die große Stadt bin ich nicht so gewohnt. Da habe ich mich gesehnt nach meinem Zuhause, meiner Familie und danach, wieder alleine in meinem Zimmer zu sitzen und einfach Musik zu machen." All das sei in die Stücke eingeflossen, wobei es der Schlusstrack "Heavy On My Mind" wohl am besten zusammenfasse: "Wir machen uns oft so viel Druck, aber kein Mensch ist perfekt."

Wurde viel in der Großstadt skizziert, so fand die schlussendliche Umsetzung gemeinsam mit Musikerkollege Andreas Häuserer am Land statt: "Zum Aufnehmen sind wir in ein altes Bauernhaus in Oberösterreich gegangen. Ohne fließendes Wasser, ohne Heizung. Das war wirklich sehr rustikal", lachte Avec, "mitten im Nirgendwo. Aber es war unglaublich schön. Ich brauche so etwas zum Musikmachen."

Entstanden ist dort schließlich ein Album, dass die bluesigen und folkigen Untertöne ihrer Songs mit einem modernen Anstrich kombiniert. Mal ist das Ergebnis sehr melancholisch wie "Homesick For A Day", dann wieder einem ziemlich zwingenden Groove verpflichtet ("I'll Come Back") oder versprüht Lagerfeuerromantik ("Fire"). Soundtechnisch folge sie ihrem Instinkt, so Hufnagl. "Ich vertraue immer meinem Bauchgefühl. Das hat mich noch nie wirklich im Stich gelassen."

Wobei sich die Musikerin, die heuer 25 wird, in den vergangenen Jahren auch gewandelt hat. "Ich habe im Business begonnen, da war ich 18 oder 19. Natürlich bin ich mit dem Ganzen mitgewachsen", unterstrich Hufnagl. "Man wird älter, entwickelt sich weiter, lernt dazu." Das betreffe nicht nur Songwriting oder Produktion. "Auch im Persönlichen habe ich das Gefühl, dass ich mir mittlerweile leichter tue, über Dinge zu reden. Etwa die Mental-Health-Geschichten. Das ist ein Wachstumsprozess, der nicht von heute auf morgen passiert. Es gehört Mut dazu, diese Dinge anzusprechen."

Zeit zum Nachdenken hat man angesichts der mit Corona zusammenhängenden Ausgangsbeschränkungen derzeit jedenfalls genug. "Ich bin sowieso ein Mensch, der das Alleinsein braucht und auch sehr genießt." Sie sei zum Glück bei ihrer Familie, habe in Oberösterreich auch ihr Studio. "Durch Corona ändert sich also nicht wirklich etwas. Ich brauche es, mich zurückziehen zu können. Es ist eine Art Reflexionsprozess, der für das Schreiben notwendig ist. Bekomme ich keine Stille in meinen Kopf, dann kann ich auch meine Gedanken nicht sortieren und nichts zu Papier bringen."

Das Coronavirus hat allerdings die Tourpläne der Musikerin durchkreuzt. Auch eine Verschiebung der Albumveröffentlichung sei im Raum gestanden, "aber ich wollte das nicht", so Hufnagl. "Viele machen das derzeit, ich wollte es trotzdem rausbringen. Wir haben so lange und intensiv daran gearbeitet, und wenn ich nur ein paar Leuten damit eine Freude machen kann, dann ist es mir das wert. In Zeiten wie diesen, wie man so schön sagt, hilft es vielleicht und ist ein Lichtblick."

Die Konzerte sollen nun im September stattfinden. "Natürlich ist mir das Herz gebrochen", meinte Hufnagl über die Absagen der Frühjahrstermine. "Aber wir sitzen alle im selben Boot." Sorgen müsse man sich um das Projekt Avec jedenfalls nicht machen. Und wer nicht gerade ihr neues Album hört, für den hat die Sängerin auch ein paar andere Tipps, wie man die Corona-Isolation übersteht: lesen, kochen, laufen. "Ich lese sehr viel, endlich finde ich wieder die Zeit dazu", schmunzelte Hufnagl. "Und beim Gemüseschneiden kann man gut den Kopf abschalten."

Im Jahr 2020 könne sie jedenfalls nichts mehr überraschen. "Ich hoffe einfach, dass sich die Leute wirklich zusammenreißen", sprach sie die von der Regierung gesetzten Maßnahmen zur Eindämmung des Virus an. "Vielleicht verändert sich ja auch etwas. Es kann nach Corona ja kein bloßes Zurückgehen geben zu dem, wie es davor war. Ich habe noch nie erlebt, dass sich so schnell etwas geändert hat. Das würde ich mir auch wünschen für die Umwelt, für die Flüchtlingskrise, für so viele andere Dinge. Vielleicht tut sich in diesen Belangen etwas, das würde mich sehr freuen."