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Jana McKinnon: Christiane F. war eine "intensive Rolle"

Jana McKinnon ist Hauptdarstellerin in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" auf Amazon. Sie spielt Christiane F., die in einen Drogensumpf abrutscht.

Vorbild sind die 1978 publizierten Erinnerungen einer 16-Jährigen. Im Interview spricht McKinnon über ihre Erfahrungen beim Dreh und ihre Zukunftspläne.
Frage: In der Kinofassung von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" spielte Natja Brunckhorst 1981 die Rolle. Sie war danach jahrelang als Gesicht von Christiane F. bekannt. Hatten Sie Bedenken, dass diese Rolle zu stark Ihre Schauspielkarriere prägen könnte?

Antwort: So eine Rolle sagt man nicht ab, wenn man sie kriegt. Es ging außerdem wahnsinnig schnell. Ich hatte am Freitag von dem Casting erfahren, hatte Samstag die Texte, bin Montagfrüh hingegangen und hatte Dienstag die Rolle. Es war so ein kurzer Prozess, dass ich kaum zum Nachdenken gekommen bin. Aber ich hätte mich auch nicht anders entschieden, wenn ich die Zeit gehabt hätte. (...) Es war für mich völlig klar, dass ich das unbedingt machen möchte.

Frage: Wie sind Sie mit den Erlebnissen Ihrer Figur umgegangen?

Antwort: Das ist schon so eine Rolle, die man nicht so abstreift, wenn man ins Bett geht. Man schläft damit ein und man wacht damit auf. Was ich für mich gefunden habe, ist, dass ich mich am Wochenende mit anderen Dingen beschäftige und Sachen für mich mache und mit meinen Freunden und meiner Familie in Kontakt bin. (...) So bin ich gut durch die Zeit gekommen. Aber es ist natürlich eine intensive Rolle. Man muss sich auch bis zu einem gewissen Grad da reinfallen lassen. Sonst kann man das gar nicht spielen über so einen langen Zeitraum.

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Frage: Wie haben Sie die Szenen mit Spritze im Arm gedreht?

Antwort: In Szenen, wo es zu sehen ist, haben wir die Spritze angesetzt. Aber das waren stumpfe Nadeln. Die hätte man gar nicht reinstechen können. Die haben wir angesetzt, als würden wir sie reinstechen. Und da wurde auch schon "Cut" gesagt. Und es gab einen Tag, da haben sich Leute nur damit beschäftigt, Makroaufnahmen von Silikonarmen zu machen, in die Spritzen reingesteckt werden, und Blut durchfließen zu lassen. Aber wir haben gelernt, wie man sich eine Spritze setzt, mit Kochsalzlösung natürlich.

Wir hatten zur Vorbereitung einen Drogenberater zur Seite gestellt bekommen. Wir haben ihm Löcher in den Bauch gefragt. Ich hatte davor eine Spritzenphobie und einen richtigen Ekel vor Spritzen. Wenn ich mal Blut abnehmen lassen musste, musste immer jemand mitkommen und meine Hand halten. Ich hab dann weggeguckt und alles. Und da wusste ich: Damit komme ich jetzt nicht mehr weit, wenn ich diese Rolle spiele. Ich hab das dann unter Anleitung des Drogenberaters gemacht und meine Angst vor Spritzen überwunden. Ich kann sie mittlerweile gut in der Hand halten.

Frage: Sehen Sie Drogenabhängige heute mit anderen Augen als vor den Dreharbeiten?

Antwort: Ich glaube schon, weil ich mich mit der Droge sehr beschäftigt habe. Ich bin sehr empathisch geworden dadurch. Ich bin als Mensch sehr gewachsen mit dem Projekt. Ich habe so viele Erfahrungen gemacht, so viele Leute kennengelernt. Das hat natürlich auch menschlich was in mir bewegt. Ich gehe heute anders durch die Welt als vorher.

Frage: Sie stehen schon seit Ihrer Kindheit vor der Kamera. Nun sind Sie 22, Sie haben bereits den "New Faces Award". Was sind Ihre Zukunftspläne?

Antwort: Ich habe viele verschiedene Interessen und das Schauspielern mache ich schon sehr lange. Ich habe als Kind hauptsächlich Kurzfilme und Studentenfilme gedreht. Ich habe überhaupt erst mit 15, 16 erfahren, dass man Geld bekommt als Schauspieler. Ich wusste gar nicht, dass das ein Beruf ist. Ich mache auch noch andere Sachen nebenbei. Ich halte mir gerade so ein bisschen alle Türen offen, weil ich das Schauspielern sehr liebe, aber es auch brauche, immer wieder andere Sachen zu machen und mir Zeit zu nehmen, anderen Interessen nachzugehen. Ich bin ganz ehrlich: Ich weiß gerade auch nicht, wie es weitergeht. Ich bin gespannt, was passiert, wenn die Serie rauskommt, wie es dann weitergeht.

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Frage: Wie denken Sie über den Film von 1981? Er stand ja auch in vielen Schulen auf dem Lehrplan.

Antwort: Ich finde den Film von damals wahnsinnig toll. Und er steht auch für sich. Ich mag den Film sehr gerne. Ich habe mir sehr genau angeschaut, wie Hauptdarstellerin Natja Brunckhorst die Welt anschaut und was in ihren Augen passiert, wenn sie gewisse Dinge sieht. Weil man oft auch das Gefühl hat, sie wusste selber noch gar nicht, was da passiert. Das fand ich wahnsinnig spannend und es hat mir auch sehr geholfen in der Vorbereitung. Ich finde es auch sehr gut, dass dieser Film und dieses Buch immer noch in den Schulen besprochen werden. Ich weiß nicht, ob man mit einer Serie in die Schulen gehen kann. Dafür fehlt wahrscheinlich der zeitliche Rahmen. Aber ich hoffe natürlich, dass viele das zuhause gucken und sich davon berührt fühlen.

Frage: Wollen Sie nochmal so eine große Serie machen?

Antwort: Im Moment eher nicht, weil ich mich auch gerade auf mein Studium der Politikwissenschaft konzentriere. Aber mal schauen, was die Zukunft bringt. Ich lass mich gerne treiben. Ich hatte letztes Jahr einen Film auf der Berlinale, bei dem ich eine kleine Rolle spielte, aber auch an der Entwicklung beteiligt war: "The Trouble with being born". Er kommt heraus, sobald die Kinos wieder aufmachen. Und ich habe im Herbst einen Film mit Clemens Schick über die österreichische Otto-Muehl-Kommune gedreht, eine linke Künstlerkommune der späten 70er Jahre. Ich habe eine junge Frau gespielt, die da aufwächst. Es geht um ein Mädchen, das sich verliebt, obwohl in der Kommune die Liebe zwischen zwei Menschen verboten ist.

(ZUR PERSON: Jana McKinnon (22) wuchs in Australien und in Wien auf. Sie war vier, als sie erstmals in einem Kurzfilm auftrat. Im Kinofilm "Beautiful Girl" (2015) spielte sie die Hauptrolle. 2020 gewann sie den New Faces Award als beste Nachwuchsschauspielerin.)

(Das Interview führte Christof Bock/dpa)