APA - Austria Presse Agentur

Koenig erkundet "Messing"

Wenn "Messing" von Koenig anläuft, glaubt man sich zunächst in einer Mischung aus Maschinenraum und Werkstatt angekommen. Der Auftakt zum neuen Album von Avantgardeschlagzeuger Lukas König scheppert, vibriert und brutzelt, dass es nur so eine Freude ist. Insgesamt eine halbe Stunde lang entführt der Musiker in die Welt eines einziges Beckens, das er nach allen Regeln der Kunst bearbeitet hat.

"Dieses Blech klingt super speziell", erzählte König im APA-Interview vom Beginn seines neuen Projekts. "Das ist das billigste Messingbecken, das man bekommt. Normalerweise ist das bei Kinderschlagzeugen dabei. Diese Bleche sind sehr dünn und extrem biegsam, die reißen eigentlich gleich mal. Aber letztlich klingt das auch ziemlich gut." Wobei er es natürlich nicht nur mit konventionellen Mitteln wie Drumsticks, sondern auch Essstäbchen oder diversen Metallvibratoren bearbeitet hat.

Wieso sich aber so extrem reduzieren auf einen Aspekt des eigenen Instruments? Das hatte für König ganz banale Gründe. "Ich habe lange einen neuen Proberaum bei mir ums Eck gesucht", erklärte der Jungvater. Kurze Wege seien ihm mit kleinem Kind zuhause wichtig. Als er zunächst nicht fündig wurde, bot ihm der befreundete Filmemacher Serafin Spitzer ein Lager an. "Dort durfte man aber nicht laut sein", schmunzelte König. Was also tun als Schlagzeuger? "Ich habe begonnen, mit verschiedenen Dingen auf einem Becken zu kratzen."

Was dabei an Sounds herauskam, fand König so spannend, dass er sich dem intensiver widmen wollte. "Ich habe dann aufgenommen, aufgenommen, aufgenommen. Irgendwie war das lässig, weil dieses Becken gar nicht nach einem Becken klingt. Man kann es nicht zuordnen. Mit dem gesammelten Material bin ich dann zum Produzenten und Elektroniker Nik Hummer." Mit diesem hat König schon für das erste Album seines Trios Mopcut zusammengearbeitet. "Er hat nicht nur ein tolles Studio, sondern ist auch sehr radikal." Schließlich galt es, aus der Fülle an Sounds und Ideen Tracks zu formen, was auch mit intensivem Editieren zu tun hatte. "Und ich bin sehr entscheidungsunfreudig", lachte König. "Manchmal verliere ich mich im Lager."

Das Endergebnis ist trotz der Limitierung so vielseitig wie anspruchsvoll, wenn nicht gar herausfordernd. Wo der Opener "Hot Springs" über fünf Minuten lang eine pulsierende Energie versprüht, zieht schon das darauffolgende "Handrolls" die Chaoskarte und lässt den Beat sich quasi selbst überholen. Dazu gibt es intensive Vocals von Elvin Brandhi, die neben zwei anderen Gästen auf dem Album für stimmliche Extravaganz sorgt. Bei "Eyeball" ist König selbst zu hören, bricht aber mit dem von ihm bekannten Rapzugang in gewisser Weise.

Ohnehin ist "Messing" für Anhänger seines 2017 erschienen Albums "Best of 28", das zumindest im Ansatz mit einer elektronischen Spielform des Hip-Hop liebäugelte, wohl ein ziemlicher Brocken. "Es gab diese Zuschreibung als Alleinunterhalter mit komödiantischen Elementen. 'Schaut, der spielt Schlagzeug, Synthie und rappt, das ist doch lustig!' So habe ich mich nie gesehen", sinnierte König. "Meine ganze Musikästhetik hat sich verändert. Gab es vorher noch ein Harmoniebedürfnis, ist 'Messing' jetzt anders: spröde, metallisch, einfach eine andere Zeit."

Als Risiko würde er die zehn neuen Tracks allerdings nicht bezeichnen. "Von einem popkulturellen Standpunkt wäre dieses Album vielleicht ein Fehler. Aber nein, ich mache ja einfach das, was mir gefällt. Es folgt meinem eigenen Hörverhalten und ist wohl deshalb ein Zwischending, eine Gratwanderung." Für ihn gehe es letztlich um "das Kreieren eines eigenen Sounds, der wie ein Trademark ist, sich aber auch wieder verändert".

Speziell ist "Messing" in jedem Fall geworden. Und ein spezielles Erlebnis dürfte auch die Livepräsentation am Mittwoch im Wiener Porgy & Jazz werden, begrüßt der Club doch mittlerweile bis zu 90 Besucher. Die Coronapandemie hat davor natürlich auch König mit Konzertabsagen getroffen, wobei sich der Schlagzeuger in den vergangenen Wochen alles andere als langweilte. "Bei mir war Kinderdienst angesagt", schmunzelte er. Wann das Konzertleben wieder in normalen Bahnen stattfinden wird, könne auch er nicht beurteilen. "Es ist ein historischer Moment, und später wird man sehen, wie verschiedene Künstler damit umgegangen sind. Irgendwann ist es hoffentlich vorbei."

Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA