Letzte Klappe für die "Lindenstraße": Dreharbeiten enden

Marie-Luise Marjan und Moritz Sachs bedauern das Ende der Serie
In den WDR-Kulissen der "Lindenstraße" in Köln geht es trubelig zu. Schauspieler werden per Lautsprecher zur Probe gerufen, Komparsen warten aufgeregt auf ihren Einsatz. Äußerlich deutet nichts darauf hin, dass es hier sehr bald ganz still werden wird: Am Freitag (20. Dezember) enden die Dreharbeiten für die ARD-Serie. Die letzte Folge der "Lindenstraße" wird dann Ende März 2020 ausgestrahlt.

Die Stimmung unter den Schauspielern ist erstaunlich gelöst - obwohl viele von ihnen noch nicht wissen, wie ihre berufliche Zukunft aussehen wird. "Wir hatten ja Zeit, uns an den Gedanken zu gewöhnen", sagt Moritz Sachs, der seit dem Start der Serie 1985 den Klaus Beimer spielt. Vor gut einem Jahr hatte die Fernsehprogrammkonferenz der ARD sich mehrheitlich gegen eine Verlängerung des Produktionsvertrags entschieden. "Das war schon sehr emotional für mich. Da fällt ja nicht nur mein Arbeitsplatz weg. Viele der Kollegen sind meine Freunde. Wegen der "Lindenstraße" bin ich als junger Mann nicht aus Köln weggezogen."

Wenn die Dreharbeiten zu Ende sind, will Sachs zunächst sein geplantes Buch über sein Leben in der "Lindenstraße" zu Ende schreiben. "Und dann mal sehen." Es sei noch nichts spruchreif. In der Vergangenheit hat er neben der Schauspielerei auch im Bereich Regieassistenz und Produktionsleitung gearbeitet. "Durch die neue Situation ergeben sich auch Chancen, die man ansonsten nicht hätte." Viel Ausräumen müsse er am letzten Arbeitstag nicht, sagt der 41-Jährige: Die wenigen persönlichen Gegenstände, die er in seiner Garderobe habe, passten in eine Tasche.

Die Nachricht vom Ende der Serie sei ein Schock für ihn gewesen, sagt Erkan Gündüz. "Ich habe den Murat gerne gespielt." Immer wieder hat die Serie die Integration von Ausländern thematisiert. Murat stand dabei in einem besonderen Spannungsfeld: Auf der einen Seite der bodenständige, gut integrierte Türke mit modernen Ansichten - auf der anderen Seite seine zum Islam konvertierte Ehefrau Lisa, die traditionelle muslimische Werte hochhält. Auch persönlich werde ihm etwas fehlen: "Die "Lindenstraße" ist wirklich meine zweite Familie", sagt Gündüz, der sich künftig mehr auf den Bereich Kameraregie konzentrieren will.

"Ich fand es immer toll, dass die Lisa ganz anders ist als ich", sagt Sontje Peplow über ihre Figur "Lisa", die oft durch ihr intrigantes, fieses Verhalten für Spannung sorgte. Bis heute Kultstatus hat die Szene, in der Lisa als junges Mädchen den Priester Matthias Steinbrück mit einer Bratpfanne erschlug. Abgesehen von solchen Extremen habe die "Lindenstraße" aber hauptsächlich Geschichten aus dem Alltag erzählt, meint Peplow - "und das wird dem Fernsehen fehlen". Wie es für sie persönlich ohne die "Lindenstraße" sein wird, könne sie sich nicht vorstellen: "Ich kenne ja gar kein Leben ohne sie", sagt die 38-Jährige, die wie Sachs seit ihrer Kindheit dabei ist.

Mit dem ersten Schwulenkuss im deutschen Fernsehen sorgte die Serie 1990 für einen echten Skandal. Aber auch ansonsten griff sie unterschiedlichste gesellschaftliche Themen auf, sei es den Umgang mit Krankheit oder Behinderung, Scheidungen, Mobbing, Extremismus oder Flüchtlinge. "Die "Lindenstraße" hat Politik anfassbar gemacht", meint Gunnar Solka (Lotti). Dank der Serie hätten aktuelle Diskussionen auch Menschen erreicht, die sich keine politischen Talkshows anschauten.

Für Moritz Sachs ist das Aus zum jetzigen Zeitpunkt deshalb besonders bitter: "Gerade jetzt gibt es so viele Themen, die die Serie weiterhin auf bissige Weise umsetzen könnte - zum Beispiel Rechtspopulismus oder Klimaschutz."

Nach Ansicht von Marie-Luise Marjan (Helga Beimer) wird vielen langjährigen Zuschauern künftig ein Stück Struktur im Leben fehlen. "Für die Fans ist das furchtbar. Die sagen zu mir: Was soll ich denn jetzt sonntagabends ohne Sie machen?" Es sei für eine Serie einzigartig, über so lange Zeit ein Publikum an sich zu binden.

Marjan will demnächst mehr Zeit für Lesungen und ihr soziales Engagement aufwenden. Sie bedaure das Ende der "Lindenstraße", sehe das Ganze aber professionell, sagt die 79-Jährige: "Wenn eine Tür zu geht, öffnet sich eine andere."

Kommentare