APA - Austria Presse Agentur

Neil Young veröffentlicht nach 45 Jahren ein "Missing-Link"

Es ist neben "Chrome Dreams" das vermutlich legendärste unter den zurückgehaltenen Alben von Neil Young: Am Freitag erscheint "Homegrown" - 45 Jahre nach der ursprünglich geplanten Veröffentlichung. Als "Missing-Link" zwischen seinem kommerziell erfolgreichsten Studiowerk "Harvest" und den Alben "Comes A Time", "Old Ways" und "Harvest Moon" bezeichnet Young die Produktion.

"Homegrown" reiht sich unter den besten Arbeiten des in Amerika lebenden Kanadiers ein. "Sehr ehrlich" seien die Lieder, wie Young in der Biografie "Shakey" dazu zitiert wird. 1975 hätte die stilistisch an "Harvest" angelehnte LP das Licht der Öffentlichkeit erblicken sollen - sehr zur Freude der Plattenfirma, denn die schwermütigen Vorgänger "Times Fade Away" und "On The Beach" waren alles andere als leicht zu verkaufende Produkte.

Doch dann zog Young die Reißleine und brachte stattdessen das (ebenfalls großartige, aber sehr raue und düstere) "Tonight's The Night" heraus. "Zu ehrlich und zu persönlich" wären die Songs auf "Homegrown", um sie mit der Öffentlichkeit zu teilen, begründete der eigenwillige Musiker seine Entscheidung. Wie wohl auch "Tonight's The Night", aufgenommen unter Schock wegen der Drogentode seines Roadies Bruce Berry und des Crazy-Horse-Gitarristen Danny Whitten, sehr ehrlich und persönlich ist.

Aber schon der "Homegrown"-Opener "Separate Ways" macht Youngs Entschluss verständlich: Der Kanadier arbeitet textlich die damals, Mitte der 70er, aktuelle Trennung von seiner ersten Frau Carrie Snodgrass auf. Die Melodie verstärkt das inhaltliche Thema, man spürt Schmerz und Konfusion, mit einer klagenden Harmonika klingt der Song aus. "Separate Ways" ist eine von sieben bis dato unveröffentlicht gebliebenen "Homegrown"-Nummern.

Fünf "Homegrown"-Kompositionen, nun in der Ur-Form zu hören, hat Young im Laufe seiner Karriere für andere Alben neu aufgenommen - etwa das Titelstück und "White Line". Letztes ist ein Höhepunkt auf dem durchwegs starken Werk, zerbrechlicher als auf "Ragged Glory", für das Young das Lied mit Begleitband Crazy Horse elektrisiert überarbeitete. Die Originalversion ist solo akustisch eingespielt und hätte auch zu "Heart Of Gold" auf "Harvest" gut gepasst.

Auf einigen Songs wird Young von Ben Keith, Karl T Himmel, Tim Drummond sowie Levon Helm und Robbie Robertson (letztere von The Band) begleitet. "Vacancy", ein grooviger Country-Rocker, und der Barroom-Blues "We Don't Smoke It" sind etwa Band-Stücke. Zu den Country-Balladen "Try" und "Star Of Bethlehem" steuerte Emmylou Harris eine harmonische zweite Stimme bei. Bei diesen Aufnahmen waren, erzählte später Harris, neben ihr noch Ben Keith, Neil Young "und eine Flasche Tequila" zugegen.

Was wäre ein Neil-Young-Album ohne Kuriosität? Auf "Homegrown" erfüllt das gesprochene, musiklose "Florida" diese Rolle - der Text dazu wurde, warum auch immer, im Artwork von "Tonight's The Night" abgedruckt. Mit den Songs "Mexico", einer von Schmerz erfüllten Piano-Ballade, und dem zerbrechlichen, von akustischer Gitarre und Harmonika getragenen "Kansas" bildet das Stücke eine "Länder-Trilogie".

45 Jahre gelang es Young, "Homegrown" in seinen Archiven vor Bootleggern zu schützen. Die endlich erfolgende Veröffentlichung - für Young selbstverständlich, wurde mit restaurierten Master Tapes und ausschließlich analog gearbeitet - ist ein Gewinn. Um noch ein Beispiel dafür anzuführen: Das Juwel "Little Wing" klingt hier noch verletzlicher als in der Überarbeitung auf "Hawks & Doves".

Von Wolfgang Hauptmann/APA