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No Angels: Warum ihr neues Musikvideo so wichtig ist

Im Video zu "Still in Love with You" setzt die Band ein kleines, aber umso bedeutsameres Zeichen für die LGBTIQ-Community.
Franz Lichtenegger

Die unverhoffte Reunion der No Angels legte sich in den letzten Wochen wie eine wärmende Nostalgie-Decke über die gebrochenen Seelen zahlreicher stressgebeutelter Millennials. Mit ihrem Jubiläumsalbum "20" steht Deutschlands erste Castingband nun wieder ganz oben in den Charts, ein großes Konzert in der Berliner Wuhlheide ist bereits für 2022 geplant.

In all dem Comeback-Trubel droht ein scheinbar kleines, dennoch wichtiges Statement der Band für die LGBTIQ-Community beinahe übersehen zu werden.

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Das Video zur neu aufgelegten "Celebration Version" ihres 2002er-Sommerhits "Still in Love with You" zeigt die vier Frauen in einem dampfenden Wellness-Tempel. Jedem der vier Engel ist dabei eine Liebelei beiseite gestellt, mit der später auch getanzt wird. Das Besondere dabei: Während die restlichen Bandmitglieder mit Männern tanzen und spielen, ist Lucy Diakovska erstmals höchst offiziell mit einer Frau zu sehen.

Einen Hehl aus ihrer Sexualität hat die Sängerin nie gemacht, dennoch kam es in den ersten Erfolgsjahren der Gruppe nie zu einer öffentlichen Stellungnahme. Zwar wurde im Video zum Song "Something About Us" bereits mit Gerüchten kokettiert, Lucy sei lesbisch; ein wirkliches Statement – nicht, dass eines nötig gewesen wäre – gab es allerdings nie. In späteren Musikvideos war Lucy stets mit männlichen Tänzern und Spielpartnern zu sehen.

Dass selbst offen queere Popstars in ihrer Arbeit oft ein heterosexuelles Image verkörpern, ist kein Phänomen, das sich auf die No Angels beschränkt: George Michael etwa flirtete auch nach seinem schwulen Coming-out in Musikvideos weiterhin mit weiblichen Protagonistinnen, auch der deutsche "DSDS"-Gewinner Mark Medlock, der seine Homosexualität von Anfang an offenlegte, sang in seinen Songs stets über Frauen.

Dass Lucy von den No Angels heute mit einer Frau tanzt und spielt, mag für viele ein unbedeutendes Detail in einem Musikvideo sein, für die LGBTIQ-Community aber ist der Schritt vor allem im Pride Month ein bedeutsames Zeichen, wie die YouTube-Kommentare unter dem Video deutlich machen.

"Endlich bekommt Lucy eine Darstellerin an ihre Seite gestellt! Es war verdammt noch mal Zeit", "Dass Lucy eine Lady als Partnerin hat, ist einfach wunderschön", "20 Jahre vergangen, geoutet, ewiger No-Angels-Fan, sehe Lucy endlich mit einer Frau im Musikvideo. Pride!" – so lauten nur einige der emotional aufgeladenen Kommentare unter "Still in Love with You (Celebration Version)". Der hohe Stellenwert der Band innerhalb der queeren Community wird mit der Geste zusätzlich verstärkt.

Die No Angels standen schon für Vielfalt, als Diversity noch nicht als Verkaufsargument galt. Damals fünf Frauen, heute vier, alle aus unterschiedlichen Kulturen, eine davon queer. Anfang der Nullerjahre wurde einer ganzen Generation damit vermittelt, dass "Freundschaft, Akzeptanz, Toleranz miteinander für sich sprechen", reflektierte Lucy Diakovska erst vor Kurzem gegenüber "Deutschlandfunk Kultur". Heute sind es kleine Zeichen wie eine Tänzerin an ihrer Seite, die den Status der Band legitimieren.