APA - Austria Presse Agentur

Poet und Clown aus Holland: Herman van Veen wird 75

Die Haare sind weißer und spärlicher geworden, die ohnehin hohe Stirn scheint noch ein weniger höher zu liegen - doch die Stimme des niederländischen Sängers Herman van Veen ist voll und kräftig wie eh und je. Am Samstag wird der Troubadour der Niederlande 75 Jahre alt.

Ein freundlicher älterer Herr mit melancholischen großen blauen Augen und vielen Lachfalten? Sicher. Doch wenn er auf der Bühne steht, dann sind die Jahre wie ausgelöscht. Van Veen rockt, haut in die Tasten, manchmal sogar mit dem ganzen Fuß. Dann wieder springt er zur Geige, zieht temperamentvoll den Bogen über die Saiten. Er witzelt ins Publikum, verrenkt die Glieder, wackelt mit dem Po. Und dann bringt er mit einer melodisch nachdenklichen Ballade Tausende zum Schweigen. Van Veen begeistert und rührt. Er ist ein virtuoser Clown und poetischer Liedermacher.

Er sei im "Winter seines Lebens", sagte der Sänger Ende Jänner in der populären niederländischen TV-Talkshow DWDD. "Es ist die Zeit meines Lebens." Ja, das nimmt man ihm voll ab. Er sprüht nur so vor Lebensfreude und Energie. "Was ich so schön finde am Älterwerden", sagt er bedachtsam, "man hat verdammt viel Erfahrung, man sammelt Erinnerungen." Und das sei die Basis einer sehr beruhigenden Gelassenheit. Gemütsruhe - zu Herman van Veen passt so ein altertümliches Wort.

Zu seinem Geburtstag erscheint sein neues Buch "Befreiungskind", geschrieben mit seinem Freund und langjährigen Autor Rob Chrispijn (75). Die vergangenen 75 Jahre werden darin mit Musik illustriert und mit musikalischen Wegbegleitern erklärt. Der kanadische Sänger Leonard Cohen etwa. Dessen Song "Suzanne" war mit niederländischem Text der erste große Hit von van Veen in seiner Heimat 1969. Oder Bob Dylan - "er gab uns damals Mut", beschreibt der Niederländer die Bedeutung des Gitarristen und Protestsängers für eine ganze Generation.

Van Veen sieht sich sehr bewusst als Kind der Freiheit. "Ich bin so alt wie der Friede in unserem Land", sagt er. Die ersten 25 Jahre seines Lebens in Utrecht waren noch sehr geprägt von den Kriegserinnerungen seiner Eltern. Am 4. Mai, dem niederländischen Totengedenktag, so erinnert er sich, "waren die Lippen meiner Eltern fest aufeinander gepresst". Es war ein Tag der Trauer und der bitteren Erinnerungen an die Zeit der deutschen Besatzung. Doch am nächsten Tag, an dem das Land traditionell die Befreiung von den Deutschen feiert, wurde gejubelt. "Dann war mein Vater meistens sternhagelvoll", lacht er.

Liebevoll erzählt van Veen Anekdoten aus seiner Kindheit und Jugend. Es war eine stabile Basis für sein eigenes lebenslanges Engagement für Kinder. Er selbst ist Vater von vier heute erwachsenen Kindern und hat viel über und für Kinder gesungen ("He, kleiner Fratz"). Generationen wuchsen mit dem Entensong "Warum bin ich so fröhlich?" auf, aus der populären Zeichentrickserie über die Abenteuer der Ente "Alfred Jodocus Kwak".

Aber seit Jahren setzt sich der Sänger auch sehr engagiert für Kinderrechte ein, er gründete Stiftungen, ist Botschafter von Unicef. Friede und Freiheit haben für ihn eine hohe Bedeutung, das gilt für seine Musik wie auch sein gesellschaftspolitisches Engagement. Und wenn es ihm nötig erscheint, dann erhebt er seine Stimme gegen Rassismus, Rechtspopulismus und all die, die "Hass säen gegen Minderheiten", wie er sagt.

Seit über 50 Jahren begeistert van Veen seine Fans vor allem in den Niederlanden, Belgien, Deutschland und Österreich. Doch er tritt auch auf fast allen großen Bühnen der Welt auf. Über 170 CDs veröffentlichte er, mehr als 70 Bücher, van Veen malt, dichtet und hat sein eigenes Kulturunternehmen.

"Harlekin" hieß seine allererste Show, die ihn mit gerade mal 21 Jahren berühmt machte. Ein Clown ist er bis heute - ein melancholischer Spaßmacher, ein musikalischer Erzähler. Ans Aufhören denkt van Veen auch mit 75 Jahren noch lange nicht. Im Gegenteil. "Ich habe vor, den Tod so lange wie möglich hinauszuzögern", versprach er im Jänner in der belgischen Zeitung De Morgen.

Zur Feier des Dreiviertel-Jahrhunderts gibt van Veen 140 Vorstellungen, die meisten vor ausverkauftem Haus. "Jetzt kommen die Zuschauer schon mit ihren Kindern und Enkeln", sagt er und zieht seine Augenbrauen verwundert hoch, als könne er es selbst nicht fassen. Herman van Veen genießt. "Ja", sagt er, "es ist die schönste Zeit meines Lebens."