APA - Austria Presse Agentur

Popduo Mynth wünscht sich für 2021 "die Lockerheit zurück"

Eigentlich hätte es ein ziemlich stressiger Herbst für Mynth werden sollen: Das aus den Zwillingen Giovanna und Mario Fartacek bestehende Popduo hat Anfang November sein überzeugendes neues Album "Shades I Mynth" veröffentlicht, eine Tour war natürlich auch schon gebucht. Aber Livemusik ist in Coronazeiten eben nur schwer möglich. "Wir müssen ohnehin flexibel bleiben", zeigen sich die beiden pragmatisch und wünschen sich für 2021 "die Lockerheit zurück".

Bei Mynth herrscht jedenfalls Optimismus vor. "Das Jahr hätte schon besser sein können", blickt Sängerin Giovanna lachend auf die vergangenen Monate zurück. So schwer die Musikszene von der Coronakrise auch getroffen wurde, dürfe man die Zuversicht nicht verlieren. "Wir nehmen es ganz locker. Es bringt ja nichts, wenn wir uns da hineinsteigern - wir können es ja nicht ändern", hält Giovanna im APA-Interview fest. Angesichts der Konzertabsagen denke man sich mittlerweile nur "Oh, schon wieder ein Gig, den wir nicht spielen", schmunzelt Mario.

Eine Verschiebung der Albumveröffentlichung sei ihnen jedenfalls nie in den Sinn gekommen. "Das war keine Option", unterstreicht der Musiker. "Wenn, dann hätten wir es um ein Jahr nach hinten verschieben müssen, aber da sind wir dann schon wieder so weit weg von den Songs. Es ist ja schön, wenn man den Leuten ein Album mitgeben kann in dieser Zeit." Was mit der Tournee passiert - aktuell sind die Termine für Februar angesetzt -, müsse sich ohnehin zeigen. "Schauen wir mal."

Für die Fans bleibt somit mehr Zeit, sich in die zehn neuen Lieder zu vertiefen. Und die haben es in sich, erkennt man doch schnell, dass Mynth ihre melancholischen Electroperlen auf eine neue Stufe gehoben haben. Das Ergebnis von harter Arbeit, wie die beiden zugeben. "Wir wollten eigentlich ein Bandalbum machen, haben aber nach den Aufnahmen erkannt, dass da die Tiefe fehlt, die wir mit unseren elektronischen Sounds erzeugen", so Mario. "Bei dem Song 'Laurel' haben wir schließlich gemerkt, dass wir genau zwischen diesen beiden Polen sind. Wir möchten beide Welten zusammenbringen. Ab diesem Zeitpunkt wussten wir, wie es weitergeht."

"Wir haben seit dem ersten Album ('Plaat II' von 2016, Anm.) definitiv gelernt, zu reduzieren und uns aufs Wesentliche zu fokussieren. Natürlich braucht es da Erfahrung", skizziert Giovanna den Unterschied zu den Anfängen des Duos. "Damals wollten wir so viel wie möglich reinpacken, haben Dinge damit aber oft überladen. Jetzt können die Songs atmen und sind leichter, obwohl die Melancholie und das Emotionsgeladene in jedem Fall noch da ist. Es fällt den Leuten leichter, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, weil es nicht mehr so schwer ist."

Eingängiger Pop mit Anspruch also, das liefern Stücke wie das sanft pulsierende "Tulum" oder die bereits angesprochene Single "Laurel", die sich unweigerlich in die Gehörgänge schraubt. Auch die stimmliche Bandbreite von Giovanna kommt hier hervorragend zur Geltung, während das musikalische Fundament kühle Synthie-Welten mit einem organischen Touch vereint, der die Hörer beinahe schon umarmt.

Der Weg zum fertigen Song sei jedenfalls kein exakt geplanter, sondern habe mit viel Eingebung zu tun. "Es gibt ja verschiedene Ansätze beim Songwriting", erzählt Giovanna. "Wir sind da nicht analytisch, gehen auch keinem Schema nach, sondern folgen eher einem Gefühl. Das ist dann der Impuls für den Sound und die ersten Zeilen. So kann auch diese Tiefe entstehen, weil wir uns keine Grenzen setzen. Sich diese Freiheit zu nehmen, ist schon auch ein Luxus - vor allem, dass es dann auch von den Leuten angenommen wird!"

Eintauchen lässt sich bei "Shades I Mynth" aber nicht nur in eine Sound-, sondern auch Farbwelt, nutzt das Album doch verschiedene Grüntöne als Leitsystem. "Ich habe das sehr passend gefunden für uns", so Giovanna. "Jeder Songtitel bezieht sich auf eine Grünschattierung - ob das nun der Name selbst ist oder in der Geschichte steckt. So wollten wir uns auch mit den verschiedenen Facetten von uns selbst auseinandersetzen. Thematisch geht es in den Songs nach wie vor um Selbstreflexion, auch um den Kampf, den wahrscheinlich jeder Mensch mit sich selber hat."

Ein Kampf war 2020 auch für viele Musiker. Wobei Mynth der Coronakrise sogar positive Seiten abgewinnen können. "Das Schönste war ja zu sehen - und da kann ich uns miteinschließen -, wie idealistisch Künstlerinnen und Musikerinnen sind, die einfach beinhart weiter machen", betont Mario. "Trotz dieser schrecklichen Perspektive! Das sind einfach Leute, die vom Idealismus geprägt sind. Deswegen werden wir immer Kunst und Kultur haben, auch wenn es uns noch so schwer gemacht wird."

"Auch zwischen den Bands hat es einen neuen Zusammenhalt gegeben", ergänzt Giovanna. "Jeder sitzt ja im selben Boot. Vorher gab es vielleicht mehr Konkurrenzdenken. Aber heuer gab es viel Austausch, und das habe ich wirklich schön gefunden." Die Unterstützung von öffentlicher Seite habe da schon mehr zu wünschen übrig gelassen, sagt Mario auf Nachfrage. "Ich finde nicht, dass es viel Wertschätzung für die Szene gibt." Zwar habe es einige Förderungen gegeben und sei die Situation natürlich für alle schwierig. "Aber teilweise sind die Dinge einfach nicht zu Ende gedacht. Das ist sehr schade."

Derzeit nutzen die Zwillinge ihre Zeit, um an neuer Musik zu arbeiten - konkret dem Solovorhaben von Giovanna. "Ich schreibe gerade eine EP, das wird ein Deutschprojekt. Der Sprachwechsel hat mich komplett gefordert. Andererseits hat es mir auch beim Englischen geholfen, weil sich thematisch andere Welten aufgetan haben." Und wer weiß, auch neues Material von Mynth ist bis zum Frühjahr nicht ausgeschlossen. Der größte Wunsch für 2021 bleibt aber die eingangs angesprochene Lockerheit im alltäglichen Leben. "Die war ja immer selbstverständlich", so Mario. "Dass man jemanden umarmen kann, das wünsche ich mir wirklich sehr."