APA - Austria Presse Agentur

Queen-Urvater und Gentleman-Gitarrist - Brian May wird 75

2020 publizierte die US-amerikanische Musikzeitschrift "Guitar World" eine Top-100-Liste der weltweit besten Rockgitarristen.

Brian May wurde am 19. Juli 1947 in Hampton, einem Londoner Außenbezirk, geboren und wuchs im benachbarten Feltham auf. Ebendort, wenige 100 Meter Luftlinie entfernt, sollte sich rund 15 Jahre später eine Flüchtlingsfamilie aus Sansibar, deren Sohnemann sich noch nicht Freddie Mercury nannte, ansiedeln. Begegnet sind sich die beiden Burschen dort nie.

Sehr früh schon erhielt das merklich begabte Kind Klavierunterricht, mit sechs Jahren fand er sich bereits auf der Ukulele zurecht, ein Jahr später folgte die erste propere Akustikgitarre. Aber bekanntermaßen kommt mit der Pubertät auch die Tendenz zum Krawall - eine E-Gitarre musste her. Nur: Geld war knapp. Wie gut, einen gelernten Elektroingenieur zum Papa zu haben.

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Die somit frisch gegründete ARGE "Vater & Sohn" beschloss ein Eigenbauprojekt, bei dem der Nachhaltigkeit großer Stellenwert beigemessen wurde. Das heute als "Red Special" geläufige und nach wie vor bespielte Gitarren-Unikat besteht aus einer alten Kamineinfassung, Bruchstücken eines Eichentisches, Motorradfedern, Teilen eines Fahrradsattels, einer Stricknadel und Knöpfen, beides aus Mutters Nähkästchen stibitzt. Lediglich Tonabnehmer und Saiten wurden gekauft - kurzum: fast zwei Jahre Bauzeit, keine neun Pfund Finanzaufwand.

Den ersten Einsatz erlebte die selbst gestrickte Klampfe im Sommer 1966 bei einem Konzert von Mays erster Band namens 1984, mit der er es immerhin ins Vorprogramm von Jimi Hendrix schaffte. Nach der Auflösung 1968 blieben May und Sänger Tim Staffell übrig - personell zu wenig für eine Band (außer man heißt Attwenger). Per Aushang suchte man nach einem Schlagzeuger, den Zuschlag erhielt ein gewisser Roger Taylor. Smile nannte man sich, entwarf ein entsprechend bildhaftes Logo, das später mit frappanter Ähnlichkeit bei den Rolling Stones auftauchte und weltberühmt wurde. Obwohl die Band Studioaufnahmen inklusive Plattenveröffentlichung zuwege brachte und als Vorgruppe von Pink Floyd auftrat, haute Staffell 1970 mangels Steilheit der Erfolgskurve den Hut drauf. In der Entourage der Studentenband tummelte sich ein dandyhafter Möchtegern-Star, der die Gelegenheit erkannte und sich bei May und Taylor als Sänger empfahl. Freddie Mercury - der dritte im Bunde - übernahm das Ruder, Queen war geboren und ein Jahr später mit dem Neuzugang John Deacon am Bass komplett.

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Bis Queen volle Fahrt aufnahm, dauerte es knapp fünf Jahre. Der schleppende Beginn erforderte ein gerüttelt Maß an Zuversicht, hatte doch May mit seinem abgeschlossenen Astronomiestudium hervorragende Jobaussichten. Dennoch blieb - sehr zum Leidwesen des Vaters - sein Fokus auf die Musik gerichtet, die 1970 begonnene Doktorarbeit stellte er viel später - 2007 - fertig und promovierte zum Doktor der Astrophysik.

Spätestens mit "Bohemian Rhapsody" katapultierte sich das Quartett in die oberste Oberliga der Rock- und Popgiganten der 70er- und 80er Jahre. Neben Mercury war May mit über 50 Songs Hauptlieferant an Queen'schem Liedgut, darunter "Fat Bottomed Girls", "I Want It All" und vor allem der zur regelrecht globalen Volksweise mutierte Kracher "We Will Rock You". Auf ewig getrübt ist diese schillernde Erfolgsgeschichte allerdings durch ihr jähes Ende - Mercury verstarb 1991 viel zu früh.

Und diese Tragödie machte dem hochsensiblen Musikus nachhaltig zu schaffen, zumal im selben Jahr auch sein Vater starb und er vor den Trümmern seiner Ehe stand, die - aufgrund einer Affäre mit der englischen Schauspielerin Anita Dobson - drei Jahre zuvor geschieden worden war. Das Kapitel Queen war beendet - schwere Depressionen, über die er später auch öffentlich sprach, und eine überstürzte Flucht in musikalische Soloprojekte waren die Folge. Nur: Die Queen-Maschine ist wie ein Mercedes-Diesel - sie läuft und läuft und läuft. May und Taylor, der ebenfalls mit großer Verzweiflung alles hinter sich zu lassen trachtete, erkannten, dass sie das erfolgreiche und unvermindert gewinnbringende Monstrum, das sie geschaffen hatten, nicht abschütteln konnten. Nach der schmerzhaften Arbeit am posthumen, letzten Queen-Album "Made In Heaven" mit Mercurys hinterlassenen Gesangsparts begann allmählich die Produktion des Musicals "We Will Rock You", das nicht nur Rekorde sprengen sollte, sondern gerade May die ungebrochene Popularität seines Schaffens vor Augen führte.

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Durch glückliche Fügungen trafen May und Taylor auf Paul Rodgers und Adam Lambert, die bereit waren, den unersetzlichen Sänger-Part zu übernehmen und dadurch mithalfen, dass Queen bis heute weltweit die Hallen füllen. May wirkt mittlerweile längst versöhnt mit den tragischen und dramatischen Phasen seiner Vergangenheit, aktuell tingelt er mit Queen durch Europa, um die coronabedingt zwei Mal verschobene Tour schön langsam zu Ende zu bringen. Und das könnte es dann auch gewesen sein, zumindest live, denn gesundheitlich macht der alte Mann mehr und mehr Spompanadeln: Knie- und Augenoperation, eine fatale Gesäßmuskelzerrung, ein Herzinfarkt und eine überstandene Corona-Erkrankung Ende vergangenen Jahres mit gehörigen Nachwirkungen bis April.

Digital teilhaben kann man an Mays Gedanken- und Erlebniswelt übrigens seit rund 20 Jahren über seine "Soapbox" auf www.brianmay.com, ein Blog, den er regelmäßig befüllt, gern und oft auch abseits des Themas Queen. May ist leidenschaftlicher Tierschützer, hat dafür schon etliche Kampagnen ins Leben gerufen und sich schon mehrmals deswegen mit Parlamentariern angelegt. In der Fotografie-Spezialdisziplin Stereoskopie ist er ein Meister seines Faches, betreibt in London gar eine eigene Company und publizierte seine bildhaft festgehaltene Bandgeschichte bereits in Buchform. Der notorisch höfliche und zuvorkommende "Gentleman"-Gitarrist ist Veganer, Agnostiker, militanter Nichtraucher, leidenschaftlicher Holzclogsträger und mittlerweile seit über 20 Jahren mit Anita Dobson verheiratet. Aus seiner ersten Ehe stammen drei erwachsene Kinder, die ihn schon sieben Mal zum Großvater gemacht haben. Und, nein, er trug nie eine Perücke, seine Lockenpracht war immer echt.