APA - Austria Presse Agentur

Regisseur Almodovar: "Habe beim Schreiben geweint"

Mit "Leid und Herrlichkeit" über einen homosexuellen Regisseur hat Pedro Almodovar seinen persönlichsten Filme gedreht. Für den Spanier ("Alles über meine Mutter") war das Drama eine Art Katharsis. In einem Interview mit Journalisten in Cannes erzählt er, dass die Geschichte für ihn heilbringend war. "Leid und Herrlichkeit" kommt am Freitag in die heimischen Kinos.

Frage: Warum haben Sie diesen sehr persönlichen Film gerade jetzt gedreht? Hat das etwas mit ihrem 70. Geburtstag zu tun, den Sie im September feiern?

Almodovar: Ich weiß es nicht. Ich begann über die Beziehung zu einigen Schauspielern zu schreiben, aber nur aus Spaß. Ich schreibe viel und gern, um mich zu entspannen. In meinem Computer habe ich viele Geschichten. Erst als ich Wochen später las, was ich da geschrieben hatte, wurde mir bewusst, dass es eine Geschichte über mich war.

Frage: Hat Sie das sehr überrascht?

Almodovar: Ich bin eher zurückhaltend und befangen. Doch beim erneuten Lesen hatte ich das Gefühl, ich selber zu sein. Das fühlte sich gut an. Da waren einzigartige und sehr bewegende Momente dabei, vor allem in jenen Kapiteln, in denen es um meine Kindheit und Mutter geht. Ich saß am Drehbuch und habe beim Schreiben geweint.

Frage: Ist die Geschichte so schmerzlich für Sie?

Almodovar: Nein, der Film hat mir gut getan, er war heilbringend, aber er war keine Therapie. Filme als Therapie rate ich niemandem. Ich hatte Rückenschmerzen als ich mit dem Schreiben begann. Danach habe ich mich viel besser gefühlt, auch schon während des Schreibens.

Frage: Im Mittelpunkt steht ein alternder Regisseur. Haben Sie Angst vor dem Älterwerden?

Almodovar: Die Geschichte handelt von der Zeit, die vergeht. Er findet in den 60er- und 80er-Jahren statt und in der Gegenwart. Die Zeit spielt darin eine Rolle. Ich hätte den Film nicht vor zehn Jahren drehen können.

Frage: Ihr Protagonist steckt in einer tiefen Krise. Körperliche Leiden und Depressionen hindern ihn am Schreiben. Sind das Ängste, die Sie teilen?

Almodovar: Eines Tages nicht mehr schreiben zu können und keine Ideen mehr zu haben, wäre für mich ein Albtraum. Filmemachen ist meine Leidenschaft, eine Art Abhängigkeit.

Frage: In dem Film geht es um Sexualität, ein in Ihren Werken immer wiederkehrendes Thema. Wie sehr hat die Sexualität Ihr Leben beeinflusst?

Almodovar: Sexualität ist Teil unseres Lebens, unabhängig davon, was der Papst dazu sagt. Ich hatte diese Impulse schon sehr früh als Bube. Da war ich so ungefähr zehn Jahre alt. In diesem Alter weiß man überhaupt nicht, wie das heißt, was da einem widerfährt, man experimentiert es einfach aus.

Frage: In dem Film blickt Ihr Protagonist auf eine vergangene Beziehung zurück, unter deren Trennung er sehr gelitten hat. Wann hatten Sie Ihre erste Liebesgeschichte?

Almodovar: Sehr früh. Ich wusste schnell, zu welchem Geschlecht ich mich hingezogen fühlte. Das half mir sehr, für meine Sexualität zu kämpfen. Ich habe mir so viel Freiheit wie möglich gegeben, trotz der gesellschaftlichen Konventionen und des Elternhauses. Dabei half mir sehr, dass ich ein Atheist bin.

Frage: Sie hatten bis zu Ihrer Jugend eine christliche Erziehung? Wann haben Sie der Religion den Rücken gekehrt?

Almodovar: Ich war der Religion gegenüber schon immer sehr skeptisch. Ich gab mir damals ein Jahr, um zu wissen, ob es für mich Gott gibt. Die Religion ist für viele eine wunderbare Hilfe, das habe ich bei meinen Eltern gesehen. Bei mir hat das aber nicht geklappt.

Frage: Antonio Banderas spielt in dem Film die Hauptrolle. Weil er ein Freund von Ihnen ist?

Almodovar: Als ich angefangen habe mit dem Schreiben, hatte ich keine konkreten Gesichter vor Augen. Die tauchten erst langsam auf. Dabei kristallisierten sich drei Darsteller für diese Rolle heraus. Ich habe Antonio das Drehbuch geschickt und er sagte sofort zu. Aber ich wollte einen anderen Antonio, nicht den leidenschaftlichen Mann und Verführer aus den 80er-Jahren. Ich wollte einen neuen Antonio.

Frage: Hatten Sie denn genaue Vorstellungen davon, wie dieser andere Antonio Banderas aussehen sollte?

Almodovar: Er sollte das genaue Gegenteil von dem sein, was er bisher war. Er hat sofort verstanden, was ich wollte. Er hat verstanden, wie wichtig der Film für mich war und wusste auch sofort, dass es sich in der Geschichte um mich handelt, denn Antonio ist in meinen Leben sehr präsent.

Frage: Sie haben mit ihm mehrere Filme gedreht. Welcher Antonio gefällt Ihnen heute besser? Der alte oder der neue?

Almodovar: Antonio hat mich in dieser Rolle fasziniert. Er hatte Gesten, die ich so bei ihm noch nie gesehen habe. Seine Schauspielerei ist eindringlicher geworden.