APA - Austria Presse Agentur

Reinhold Messner feiert 75er - Noch immer am Gipfel

Er steht noch immer am Gipfel. Jahrzehnte, nachdem er als erster Mensch alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestiegen hatte, umgibt Reinhold Messner nach wie vor die ewige Höhenluft. Unverwechselbar, streitbar, eigenwillig, egoistisch, querdenkend, unkonventionell, einzelgängerisch, charismatisch. Der Mann der vielen Rollen wird am 17. September 75 Jahre alt.

Die Rollen seines Lebens, aufgeteilt auf die verschiedenen "Lebensphasen", wie Messner immer zu sagen pflegt, sind u.a. Extrembergsteiger, Abenteurer, Museumsbetreiber, Politiker, Autor von an die 50 Büchern ("Alle ohne Ghostwriter!"), Vortragender, Filmemacher - Lebensabschnittsetikettierungen- und Funktionen, Mosaiksteine im Gesamtgefüge der Universalmarke Reinhold Messner. Doch die wirklich Großen brauchen kein Amt und keine Funktion, um bedeutend und groß zu sein. Reinhold Messner ist Reinhold Messner, das genügt.

Ein Leben lang von Beruf Reinhold Messner - das hat den Südtiroler reich und weltberühmt gemacht. Messner, der scheinbar so auf das Endziel, auf den großen Erfolg, Ausgerichtete - offenbar eine Fehlannahme. "Ich halte wenig von einem gelungenen Leben, sondern von einem gelingenden Leben. Das ist ein Prozess", hat er im APA-Interview einmal gemeint. Im Leben gehe es darum, "Erfahrungen zu sammeln". Erfolg und Wissen seien unwichtig. Ob es Dinge gibt, die er im Blick zurück anders machen würde? "Das ist keine Option, die infrage kommt. Ich bin oft gescheitert. Ich packe meine Fehlentscheidungen in den Rucksack und habe damit weiterzugehen." Selbstbestimmung sei ihm immer "das Heiligste" gewesen. Und selbstbestimmt ist er seinen (Erfolgs)-Weg gegangen.

Zu internationaler Berühmtheit gelangte der 1944 geborene Villnösser Lehrersohn im Mai 1970. Damals bezwang er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Günther den Himalaya-Riesen Nanga Parbat (8.125 Meter) nicht nur erstmals über die gefürchtete Rupal-Wand, sondern schaffte auch eine Überschreitung, indem er auf der Diamir-Flanke abstieg. Bei dieser riskanten Unternehmung kam Günther unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen ums Leben. Lange schwelte ein Streit, was damals am Nanga Parbat geschah. Messner sagte, sein Bruder sei beim gemeinsamen Notabstieg von einer Lawine verschüttet worden. Seine Ex-Kameraden zweifelten das an und brachten dafür Argumente. Gerichtsprozesse über mehrere Instanzen erzeugten weder Klarheit noch Frieden.

In den 1970er und 1980er-Jahren setzte Messner als Extremalpinist Maßstäbe: Als erster Mensch stand er auf dem Gipfel aller 14 Achttausender; auf einigen sogar mehrmals. Bei keiner einzigen Expedition verwendete er Flaschensauerstoff. Eine bemerkenswerte Leistung, die noch 1978, als Messner gemeinsam mit Peter Habeler den Mount Everest (8.848 Meter) bezwang, für unmöglich gehalten wurde.

Nachdem Messner Mitte der 1980er-Jahre alle Achttausender erklommen hatte, begab er sich in die Ebene und suchte dort das ultimative Abenteuer. Fortan baute er seinen Ruhm mit Durchquerungen von Eis- und Sandwüsten aus. Mit Arved Fuchs etwa legte er in 92 Tagen 2.800 Kilometer zu Fuß über den Südpol zurück, ohne Hunde- oder Motorschlitten. Expeditionen wie die Grönland-Längsdurchquerung und jene der Wüste Gobi bildeten weitere Highlights in Messners langer Abenteuer-Liste.

In den 1990er-Jahren, als der Südtiroler wegen einer Fußverletzung weitere extremalpinistische Ambitionen begraben musste, widmete sich der, dem seine Heimat stets zu eng war, verstärkt der Politik. Höhepunkt seiner Politlaufbahn war die Europawahl 1999, wo er als Parteiloser auf der Liste der Grünen einen Sitz im EU-Parlament errang.

Mit dem Projekt "Messner Mountain Museum" mit mittlerweile sechs Museen in Südtirol und Belluno erfand sich der findige Geschäftsmann Messner neu. Zahlreiche Bücher und Multivisions-Vortragstourneen in großen Hallen, vor allem im deutschsprachigen Raum, bilden bis heute weitere Eckpunkte im Messner'schen Gesamtkunstwerk. Welches in den vergangenen Jahren um eine weitere Facette reicher wurde: Messner startete in sein "siebentes Leben" und mutierte zum Filmemacher. Ob "Still Alive - Drama am Mt. Kenya" oder "Holy Mountain" - der Geschichtenerzähler Messner inszeniert jene Welt, die ihn groß gemacht hat. In der Filmwelt scheint der Bergfex nicht wirklich heimisch geworden zu sein - und liebäugelt bereits mit dem nächsten Projekt. "Es hat indirekt mit Bergen zu tun. Ich werde dabei aber mehr fliegen als klettern", verriet er der APA.

Messner spielt perfekt auf der Medienklaviatur. In all seinen Rollen blieb er stets omnipräsent - auch in jener des Mahners, der gegen Massentourismus auf den Bergen auftritt oder Naturzerstörung geißelt. "Rettet die Berge" fordert er in einem seiner zwei neuen Bücher, die kurz vor dem Geburtstag erschienen sind (im anderen rekonstruiert er das Leben von "Eispapst" Wilhelm Welzenbach). Auch sein Privatleben sorgt für Schlagzeilen. Kurz vor seinem 75er bestätigte er der "Bunten", dass seine Frau Sabine Stehle, mit der er seit 2009 verheiratet war, ihn verlassen habe. Mit ihr hat er drei Kinder, eine weitere Tochter stammt aus einer vorangegangenen, nicht ehelichen Beziehung.

Doch Messner wäre nicht Messner, hätte er nicht auch hier schon ein neues Kapitel aufgeschlagen. Er habe eine neue Frau an seiner Seite, verriet er der Illustrierten: "Sie ist ein paar Jahrzehnte jünger". Bei ihr spüre er "große Neugierde an dem, was ich mache. Sie ist mein Resonanzboden. Ich bin immer gern zu zweit gereist und mag es, wenn ich ihr Buchmanuskripte zum ersten Lesen geben kann. Ich kann mit ihr auch sehr gut wandern und bergsteigen." Bis zum nächsten Gipfel.