APA - Austria Presse Agentur

Rockact Karnivool froh, "wieder auf diesen Bühnen zu stehen"

Zehn Jahre sind eine lange Zeit im Musikgeschäft. Das wissen auch die australischen Progrocker Karnivool, die 2013 ihr bis dato letztes Studioalbum "Asymmetry" veröffentlicht haben. Dennoch halten ihnen die Fans die Stange, wie auch die aktuelle, gut besuchte Europatournee des Quintetts beweist. Wobei die Wertschätzung offenbar auf Gegenseitigkeit beruht, wenn man Sänger Ian Kenny zuhört: "Es fühlt sich wirklich gut an, wieder auf diesen Bühnen zu stehen."

Seit Mitte Jänner sind Kenny und Co in hiesigen Gefilden unterwegs, was wie ein kleines Wunder anmutet. Einerseits sei es für eine Band vom anderen Ende der Welt "unglaublich schwierig", so eine Konzertreise zu organisieren. "Das betrifft etwa die logistischen Aspekte, aber auch die Ausgaben, die notwendig sind, sind enorm", nickte Kenny im APA-Interview. Andererseits machte es nicht zuletzt Corona notwendig, die erstmals für 2021 angesetzte Tournee zweimal zu verschieben.

Von Anspannung war bei Kenny dennoch wenig zu merken: Hinter der Bühne des Münchner Clubs Backstage nahm sich der großgewachsene Sänger Anfang dieser Woche viel Zeit, um über den Status quo seiner Band zu plaudern, die es seit mehr als 20 Jahren gibt - und die sich in dieser Zeit bei nur drei Alben einen ziemlich gewichtigen Platz im alternativen Metalsektor erarbeitet hat. Vor etwas mehr als einem Jahr war die Begeisterung groß, als mit dem mächtigen "All It Takes" ein neuer Song veröffentlicht wurde. Doch das Geduldsspiel geht unterdessen munter weiter.

"Die Leute denken vielleicht, dass wir die ganze Zeit an dem Album arbeiten", zeigte Kenny Verständnis. "Aber das ist nicht der Fall. Es hat sich doch vieles verändert bei uns. Wir sind älter geworden, haben Familien gegründet, sind bei anderen Projekten involviert. Das macht es schwierig." Zwar gebe es bereits Material "für ein oder zwei EPs, wenn nicht sogar für ein Album. Aber die Songs sind alle in ganz unterschiedlichen Stadien. Es braucht sicher noch Zeit."

Insofern ist es auch bemerkenswert, dass die Band selbst immer wieder zusammenfindet. Etwa 2021, als man zum (verspäteten) Jubiläum des zweiten Albums "Sound Awake" ein großes Konzert geben wollte, das covidbedingt in einem leeren Theatersaal als Livestreamevent abgehalten wurde. Später folgte ob des Zuspruchs der Fans eine Veröffentlichung auf Blu-ray. Nicht zuletzt der Auftritt in München machte wieder deutlich, wie intensiv und mitreißend Karnivool ihre bis ins kleinste Detail ausgestalteten Songs live darbieten. Komplexe Rhythmik, eingängige Melodien und überraschende Wendungen sind da nicht die Ausnahme, sondern die wohltuende Regel.

"Wenn wir gemeinsam spielen, dann gibt es diese Momente, in denen du dich ganz im Sound verlierst und nicht mehr denken musst", beschrieb Kenny die Besonderheit für die Musiker selbst. "Und dieses Gefühl bekommen wir nirgends sonst. Das ist einfach magisch, es ist ein wirklich einzigartiger Ort, an den wir dabei gelangen. Wir sind in gewisser Weise verletzlich, wenn wir da oben stehen - und gleichzeitig versuchen wir, so ehrlich wie möglich zu sein."

Vom stampfenden "Goliath" über das elegische "All I Know" bis zum als großes Finale gesetzten Fanfavoriten "New Day" wusste das bestens eingespielte Quintett in gut eineinhalb Livestunden alles abzudecken, was man an dieser Musik gut bis bemerkenswert findet. Von "All It Takes" abgesehen, musste man auf neue Stücke aber verzichten, wiewohl Karnivool in ihrer Heimat in den vergangenen Jahren immer wieder Songs vorgestellt haben, die bis dato noch nicht offiziell veröffentlicht wurden. "Fast hätten wir auch ein neues Stück mit nach Europa gebracht, aber es ging sich letztlich nicht aus", verriet Kenny.

Womit man wieder beim für die Künstler leidigen Thema des neuen Materials wäre: "Ja, die Fragen haben uns schon unter Druck gesetzt. Das war auch sehr ungesund für uns. Aber durch viele Gespräche sind wir jetzt an einen Punkt angelangt, von dem aus wir gut weitermachen können." Im Songwriting könne man letztlich nichts erzwingen. "Das ist einfach harte Arbeit und durchaus frustrierend für uns. Wir wollen ja nicht ewig brauchen", schmunzelte Kenny. Aber mit etwas Durchschnittlichem werde man sich keinesfalls zufrieden geben. "Das klingt vielleicht anmaßend, aber es muss es einfach wert sein!" Bis dahin kann man sich am Livegenuss erfreuen, den Karnivool noch bis 10. Februar u.a. in Manchester, Leeds und London anbieten werden.

Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA