APA - Austria Presse Agentur

"'S klane Glücksspiel": Strizzilieder von Voodoo Jürgens

Er singt über liebenswerte Strizzis, zwielichtige Gestalten und den Wirten ums Eck: Der Musiker Voodoo Jürgens öffnet mit seinen Liedern einen eigenen kleinen Kosmos, wenn er an der Grenze von Wienerlied und Pop wandert.

Nach dem großen Erfolg seines Debüts "Ansa Woar" (2016) legt Jürgens am Freitag mit "'S klane Glücksspiel" nach und ist sich klar: "Es ist eine andere Erwartungshaltung da."

Vor drei Jahren gab es nämlich den ersten Platz in den Albumcharts sowie mit "Heite grob ma Tote aus" einen waschechten Hit. David Öllerer, wie der Sänger eigentlich heißt, hat sich aber Zeit gelassen. "Ich war ja viel unterwegs", verwies er auf die unzähligen Auftritte zur ersten Platte. "Ich liebe die Konzerte, aber das ist für mich nicht die inspirierendste Zeit. Da habe ich wenig Kopf, dass ich mich hinsetze und über Sachen nachdenke." Stift beziehungsweise Handy hat Jürgens allerdings immer dabei, um sich gegebenenfalls Notizen zu machen.

Immerhin kommt die Inspiration gerne beim Spazierengehen. "Da entstehen oft die Grundideen", so Jürgens. "Manche Geschichten schiebe ich aber auch ewig lang hin. Beispielsweise hat es eine Nummer gegeben über eine Striptease-Stange, die man beim Hofer kaufen kann. Da hatte ich schon die ganze Geschichte, auch was danach passiert, aber es ist nichts daraus geworden - obwohl es eigentlich die Nummer schlechthin für mich war auf der Platte. Man kann nicht sagen, warum das so ist. Manche Dinge verfolgt man weiter, manche sind schnell wieder weg."

Schnell ging es jedenfalls, als Jürgens und seine Band dann mit Produzent Fuzzman ins Studio gingen. Dort folgte schließlich die Entscheidung: "Jetzt fangen wir wirklich an!", erinnerte sich der Musiker im APA-Gespräch. "Der Rest war Vorbereitungsphase. Und es tut schon gut, wenn es nicht nur lose in der Luft herumhängt." Das Endprodukt bietet eine geschärfte Version dessen, was Jürgens schon immer ausgemacht hat. Die Arrangements sind ausgefeilter, Bläser und Streicher bekommen ebenfalls ihren Platz und die hörspielartigen Abschnitte sind noch besser auf den Punkt gebracht.

"Das interessiert mich schon sehr", nickte Jürgens auf diese Stücke angesprochen. "Es ist ja schwierig, ins normale Popformat viel Story reinzupacken. Aber letztlich macht beides Spaß, weshalb sich eine Platte gut eignet, auf der du dafür Platz hast." Und sein Strizzi-Faible? "Ich weiß auch nicht", schmunzelte der Musiker. "Mir liegt es, mich in sie hineinzuversetzen und ihren Wortlaut wiederzugeben. Das macht mir einfach Spaß. Es war schon so, als ich noch ein Kind war: Bei Zeichentrickserien hatte ich immer Sympathien für die Bösewichte auch. Es wäre doch schön, wenn die auch einmal Glück haben", lachte Jürgens.

Dass man mit seinen Figuren mitfühlt, das schafft Jürgens schnell. Und nicht selten würde man gerne etwas mehr erfahren. "Aber ein Lied verträgt es nicht unbedingt, dass so wahnsinnig viel Information drinsteckt", winkte Jürgens ab. "Man schreibt zwar mehr, beginnt dann aber auszusieben. Ich dachte eigentlich, dass es klarer wird mit der zweiten Platte. Dabei war es noch mehr ein Kampf, alles runterzureduzieren. Es wird immer schwieriger, je mehr Text da ist. Wenn alle dahindudeln, hört man das gar nicht mehr so genau. Also muss man schauen, dass man mit ein paar Sätzen weniger auskommt."

Weniger Schutzschild denn kreatives Vehikel ist jedenfalls Voodoo Jürgens selbst für Öllerer. "Das wird eigentlich eher konkreter mit der Zeit", beschrieb er seine Bühnenfigur. "Je länger etwas dauert, umso mehr kommt hinzu. Da geht es auch um die Frage, was man nach außen hin aus dem Privaten preisgibt - oder auch nicht. Irgendwie wächst es schon, auch durch die Musik. Das Spannende daran ist, wie es stimmig bleibt und sich trotzdem weiterentwickelt." Im weitläufigen Feld des Austropop ist Jürgens jedenfalls fest verankert, auch dank "Tatort"-Auftritt oder Würdigung in einer Popausstellung im Wien Museum. Eine Ehre? "Es freut mich natürlich. Aber wirklich viel denke ich darüber nicht nach."

Immerhin gab es u.a. mit Die Eternias ja auch ein musikalisches Leben vor Voodoo. "In jüngeren Jahren wäre es mir vielleicht zu Kopf gestiegen", sinnierte der Musiker. "Jetzt weiß ich es einfach zu schätzen. Und man kann ja beobachten, wie gehypte Dinge plötzlich schnell wieder weg sind. Deswegen sitzt man nie im Trockenen und muss immer schauen, wie es weitergeht", ist sich Jürgens sicher. "Ich finde es daher unangebracht, würde man plötzlich was weiß ich glauben." Das klischeebehaftete Rockstargehabe, es scheint jedenfalls weit entfernt.

Bleibt bei einer Platte über das kleine Glücksspiel noch die Frage, was Glück für Voodoo Jürgens selbst bedeutet? "Das ist ein überstrapazierter Begriff, man kann es wahrscheinlich eh nur ganz kurz haben. Das Spielen auf der Bühne ist für mich so ein Moment. Wenn fünf oder sechs Leute auf derselben Welle sind, es funktioniert und sich auf das Publikum überträgt: das sind Glücksmomente, die ich sehr genieße. Aber ich glaube nicht an den Zustand des permanenten Glücks. Man ist ja nicht nur selber dafür verantwortlich. Du kannst leicht aus der Bahn geworfen werden. Manche erleiden selten Schicksalschläge, andere ziehen das wiederum an. Man kann nicht sagen, wo es herkommt. Manchmal haut es hin, manchmal nicht."