APA - Austria Presse Agentur

Slipknot überzeugten in Wien auch ohne Horror

Die Klischees sind altbekannt: Slipknot tragen Masken aus Horrorfilmen, spielen bösen Metal und verderben die Jugend.

 Aus der Sicht mancher Erziehungsberechtigter mag das vielleicht zutreffen, aber Freitagabend bot die US-Band eine Show, die auf derlei Stereotypen (fast) gänzlich verzichtete. In der ausverkauften Wiener Stadthalle regierte nämlich die Musik - und das nicht zu knapp.

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Wer große Effekte, Schockelemente oder Ähnliches erwartete, wurde enttäuscht. Die Gruppe um Sänger Corey Taylor trägt zwar weiterhin ihre gruseligen Masken, aber das war es aber auch schon mit dem großen Show-off. Die tausenden Zuschauer erwartete nämlich eine äußerst sterile, an 80er-Jahre-Science-Fiction-Filme gemahnende Bühne, die bis auf die seitlich positionierten Percussiontürme kaum Kinkerlitzchen zu bieten hatte. Klar, Craig und Sid an Keyboards wie Turntables hatten waschechte Laufbänder zum Zeitvertreib - aber das interessierte wohl kaum jemanden.

Stattdessen ging es pünktlich um 21 Uhr mit einer Verneigung vor AC/DCs "For Those About To Rock (We Salute You)", das aus den Boxen dröhnte, los. Der erste richtige Song, das vom jüngsten Album stammende "Unsainted", entfachte bereits ein ansehnliches Feuerwerk im Publikum, wo sich vereinzelt Circle-Pits bildeten und die Bierbecher durch die Luft segelten. Ließ der Sound zunächst noch zu wünschen übrig, sorgte das Nonett (!) spätestens beim vielfach erprobten "Eeyore" für reichlich Bewegung in der Nackengegend der Fans.

Slipknot, das ist auch im Jahr 2020 eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche: Taylor verstand sich nicht nur bei neueren Songs wie dem mächtigen "Nero Forte" oder dem Klassiker "Wait and Bleed" auf ein Wechselspiel aus herrlichem Gekeife und eingängigen Zeilen. Das Best-of-Set ließ an diesem Abend kaum Wünsche offen, bediente mit Titeln wie "Before I Forget" das tanzfreudige Klientel, lieferte mit "Disasterpiece" eine ansprechende musikalische Umsetzung des Titels oder beschwor mit "(sic)" die äußerst wütenden Anfangszeiten der Gruppe.

Einzig die ziemlich statische Bühnenshow, die durch ihre bunte Computeroptik auch zu so manchem Popact gepasst hätte, sowie ein im Mittelteil mit der Stimme kämpfender Corey Taylor sollten bei dieser Darbietung für kleine Unstimmigkeiten sorgen. Glücklicherweise waren bei dem neu fabrizierten Hit "Birth of the Cruel" sowie dem aus tausend Kehlen geschmetterten "Duality" wieder alle Bestandteile dort, wo sie hingehören - unabhängig davon, ob man eine Band wie Slipknot nun als Schocker einstuft oder nicht.

Denn um Effekthascherei ging es der Gruppe aus Iowa, wie auch ihr wohl bestes Album betitelt ist, an diesem Abend keineswegs. Hier wurde vielmehr deutlich, dass sich auch im Metal äußerst anspruchsvolle Musik findet, die die Massen begeistern kann. Und wer nach dem wirklichen Bösen sucht, der kann ja bei der polnischen Vorgruppe Behemoth vorbeischauen: Sänger Nergal und Konsorten stehen für mitreißenden Black Metal mit allem Drum und Dran. Da wird Satan besungen, sich das Gesicht hübsch angemalt und flackern die Feuerfontänen neben dem Drumset hervor.

Aber eigentlich war es genau diese Mischung, die die Wiener Stadthalle an diesem Abend zum perfekten Wohnzimmer für Anhänger harter Musik machte: Die extreme Ausformung mit einer atmosphärisch stimmigen Show zum Auftakt, und dann die großen Heroen, die ihren Aha-Effekt vielleicht mittlerweile eingebüßt haben. Aber wer wie Slipknot ein Album vom Kaliber "We Are Not Your Kind" aus dem Ärmel schüttelt, dem kann so schnell nichts Kopfzerbrechen bereiten. Schön, wenn beide Seiten zusammenkommen.