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Sophie Passmann in Kritik: Twitter kürt sie zur "White Woman Of The Day"

Die Autorin und Influencerin Sophie Passmann steht in heftiger Kritik. Sie sprach im "Annabelle"-Interview über die Reproduktion von rassistischen Standards im Journalismus.
Julia Deutsch

Die 28-jährige Sophie Passmann kennt man vor allem als laute Stimme gegen ein sehr aktuelles Feindbild: "Alte weiße Männer: Ein Schlichtungsversuch", ihr Buch, erschien 2019. Seitdem hört man von der Henri-Nannen-Preisträgerin oft Meinungen und Aussagen zu polarisierenden Themen wie Identitätspolitik, Rassismus oder Feminismus.

Nun sind aktuelle Aussagen des im "Annabelle Magazin"  veröffentlichten Interviews vielen LeserInnen sauer aufgestoßen. Im Versuch journalistische Praktiken pluralistisch zu betrachten, tappte sie in die Falle, ihr eigenes Privileg als weiße Frau unbeachtet zu lassen.

"Critical Whiteness Theory"

Was in der Wissenschaft laut "Vielfalt." als "Critical Whiteness Theory" beschrieben wird, erklärt einen Ansatz, der davon ausgeht, dass "Weißsein" eine andere Weltsicht mit sich bringt. Außerdem erklärt es die strukturellen Vorteile, die weiße Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe genießen im politischen, sozialen oder kulturellen Sinn. "Weißsein" werde als die Norm unserer Gesellschaft angesehen, wohingegen Schwarze Menschen und People of Color als "Andere" betrachtet werden.

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Aussagen Passmann's in "Annabelle" wie: "Wenn Redaktionen im Namen des Antirassismus eine schwarze Frau zum vermeintlichen Sprachrohr von rassistischen Erfahrungen in Deutschland machen, führt das dazu, dass wieder nur ein Standard reproduziert wird: Wer spricht am lautesten, am funkiesten in ein Interviewmikrofon hinein? Ohne dabei irgendetwas gegen Rassismus getan zu haben" stehen nun unter Beschuss.

Auch in einem "Standard"-Interview nach Subjektivierung in Texten und Werken gefragt, antwortete Passmann: "Ich hoffe, dass wir irgendwann diese Repräsentationsthemen im Kern so ernst nehmen, dass wir sie journalistisch intellektuell beurteilen und betrachten wollen. Und niemals wieder an den Punkt kommen, dass die Textsorte "Ich habe Folgendes erlebt und daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen" als intellektuell und logisch in sich konsistentes Werk gilt. Dass es im Moment so ist, hat sicher auch mit dem Zeitgeist zu tun, in dem wir gerade leben, in dem Emotionen gleichwertig betrachtet werden mit Argumenten."

Kritik an Identitätspolitik?

Was die Autorin in ihrer Kritik an "Identity Politics" leider vergisst ist, dass die Repräsentation von Schwarzen Personen oder People of Color nur in den allerwenigsten Fällen selbstverständlich im Journalismus stattfindet – eben genau aufgrund der strukturellen Nachteile, die unsere Gesellschaft marginalisierten Gruppen aufzwingt. Eine Schwarze Frau als "am lautesten und funkiesten" zu beschreiben, zeigt eventuell auf, wie Medien gewisse Stereotype zu reproduzieren versuchen, jedoch illustriert dies außerdem, wie unsensibel Passman auf ihr eigenes Argument reinfällt. Das merken auch Twitter-UserInnen an:

Weiters: "Man kann nicht eine Personengruppe mit einer individuellen Geschichte repräsentieren, auch wenn das bei den Sachbüchern, die sich sehr gut verkaufen, immer wieder so impliziert wird." so Passmann. Anders als Passmann gesagt, könnte man aber auch argumentieren, dass man jedoch genau marginalisierten Gruppen eine Bühne geben sollte, um dann als weißer Mensch von Erfahrungsberichten zu lernen und sich selbst und die eigene "Critical Whiteness" in Frage zu stellen.

Veraltete Standards im Journalismus?

Ob im Journalismus eine gewisse Härte zu (veralteten?) Qualitätsstandards nicht neu ausverhandelt werden sollte, ist wahrscheinlich eine größere Debatte, die man hiermit anstoßen muss. Am besten bezieht man aber dann auch alle Gruppen mit ein und lässt sie zu gleichen Voraussetzungen in diese Diskussion gehen – eben um endlich alle Sichtweisen so realitätsnah wie möglich abzubilden. Damit wir, "die Weißen", vielleicht auch einmal von dem Standard weggehen, dass weiße JournalistInnen marginalisierte Gruppen interviewen und dann, am Ende zwangsweise immer subjektiv, aufschreiben, wie dies auf uns als weiße Person gewirkt hat.

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Twitter kürte Passmann zu "White Person Of The Day"

Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter herrscht indes eine erhitzte Debatte, wie Passmann diese Aussagen denn gemeint habe. Manche verteidigen die Autorin und finden, sie habe laut "RND" nur angedeutet, dass es viel mehr brauche als eine laute, schwarze Stimme, um strukturellen Rassismus sichtbar zu machen. Die Sängerin Malonda bezeichnete Passmann ironisch als "White Woman Of The Day" und empörte sich, dass schwarze AktivistInnen schlecht gemacht würden. Außerdem habe Passmann in der Vergangenheit mit ihren Tiraden gegen das Patriarchat, Sexismus und Rassismus Geld verdient.

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Passmann äußert sich zu Vorwürfen

48 Stunden nach dem Backlash meldete sich auch Sophie Passmann zu Wort und erklärte in Kommentaren eines alten Postings, wie diese Aussagen zustande gekommen seien. Sie entschuldigte sich auch für die Leichtigkeit mit der sie ein Thema abgetan habe, das ihr nicht nahegehe: "Ich brauchte einige private Gespräche mit Schwarzen Kolleginnen, um zu verstehen, wie das gelesen wurde. Mir tut es sehr leid, dass diese Passage missverständlich war, das war nämlich mein Fehler. Der ist dadurch entstanden, dass ich das Interview nicht gründlich freigegeben habe. Für die Leichtigkeit, mit der ich diese Passage überlesen habe, schäme ich mich, sie zeigt, dass ich leichtfertig mit einem Thema umgegangen bin, das mir selbst nicht nahegeht. Wieso das so war, kann ich bisher nur erahnen und werde darüber in den kommenden Wochen nachdenken."