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Warum "BoJack Horseman" eine der tiefgründigsten Netflix-Serien ist

Ein Cartoon wirft Fragen über das Leben auf und bietet komplexe Charaktere. Warum BoJack Horseman bisher die klügste, traurigste und verrückteste Netflix-Show ist.

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BoJack Horseman (halb Mensch, halb Pferd), der ständig raucht, trinkt und einen Wollpulli trägt, ist nicht nur wegen seinem Aussehen gewöhnungsbedürftig. Auch mit seiner Persönlichkeit muss man sich erst einmal anfreunden: BoJack ist faul, manchmal ein Arschloch, aber auch sympathisch und gutmütig. Er war der Star der Sitcom Horsin' Around aus den 90er Jahren und möchte wieder im Rampenlicht stehen. Eine Autobiografie soll ihm Aufmerksamkeit verschaffen, weshalb er eine Ghostwriterin anheuert. 

Oft überreißt man seine Witze erst beim zweiten oder dritten Mal. Einige Lacher bleiben einem jedoch im Hals stecken, da die Show die dunklen Seiten von BoJack und der Hollywoodindustrie aufzeigt. BoJack Horseman ist nicht mit Serien wie Friends oder How I Met Your Mother, wo alle Hauptdarsteller nach einem beschissenen Tag beisammensitzen und miteinander plaudern, zu vergleichen. Nein, ganz im Gegenteil. Der Tiefgang der Serie geht unter die Haut.

ACHTUNG: Falls du noch nicht alle Bojack Horseman Staffeln durch hast (Spoiler Alert), solltest du lieber nicht weiterlesen.

Schrei nach Liebe 

Mitten in der ersten Staffel stiehlt der betrunkene BoJack das D des berühmten Hollywood Signs, um die Ghostwriterin Diane damit zu beeindrucken. Für den Rest der Serie wird das D aus dem Vorspann entfernt und alle Figuren nennen es nun "Hollywoo".

Diane, ein waschechtes Daria-Lookalike, ist klug, witzig und unsicher. Sie ist mit dem anthropomorphen Labrador Mr. Peanutbutter zusammen. BoJacks selbstzerstörerisches Verhalten ist quasi vorprogrammiert, weil seine Liebe nicht erwidert wird. Mr. Peanutbutter ist, genau wie Bojack, ein Schauspieler, doch da hören die Gemeinsamkeiten der beiden auch schon auf. Mr. Peanutbutter ist eine menschliche Interpretation des Innenlebens eines Hundes. Horseman ist geprägt von Unsicherheit, Einsamkeit und einer problematischen Kindheit. Weil es keine Hoffnung für BoJack und Diane gibt, findet sich der Gaul mit belanglosen Liebschaften zufrieden.

Flucht aus Hollywoo

BoJack stellt sich nie seinen Problemen. Da er weder beruflich noch familiär an seinen Lebensmittelpunkt L.A. gebunden ist, flüchtet er nach New Mexico. Sein Seelenheil versucht er abseits von Hollywoo zu finden und nistet sich bei seiner alten Freundin Charlotte ein.

Zunächst scheint er glücklich zu sein und fügt sich dem familiären Leben, das Charlotte führt. Und gerade, wenn man denkt, dass BoJack noch die Kurve kratzen könnte, beweist er, dass er aus seinem Teufelskreis nicht ausbrechen kann: BoJack findet sich mit Charlottes minderjähriger Tochter Penny im Bett wieder. Sie werden von Charlotte unterbrochen. Obwohl nichts zwischen den beiden gelaufen ist, ist sich BoJack nicht sicher, wie weit er gegangen wäre.

Tiefe Abgründe

In der Sitcom Horsin' Around spielte BoJack Horseman einen Familienvater. Seiner jüngsten Serien-Adoptivtochter Sarah Lynn begegnet BoJack Jahre später wieder. Während Sarah Lynn in BoJack noch immer eine Art Vaterfigur sieht, schenkt er ihr nicht die nötige Aufmerksamkeit. Obwohl sie seit einigen Monaten nüchtern war, wird sie mit BoJack wieder rückfällig. Sie verbringen wilde Partynächte mit viel Drogen und Alkohol. Sarah Lynn erzählt BoJack, dass sie nichts an sich selbst mag, weil alles "fake" sei: Ihr T-Shirt wäre von einer Firma, die ihr 8000 Dollar für das Tragen zahlt. Und obwohl sie das Geld nicht braucht, würde ihr der Gedanke gefallen, dass jemand noch Interesse an ihr zeige. Am Schicksal von Sarah Lynn wird der Umgang der Hollywoo-Industrie mit Kinderstars thematisiert. Sie stirbt an einer Überdosis.

Wenn der Schleier fällt

Wenn man die Unterhaltungsindustrie näher betrachtet, ist sie oberflächlich, skrupellos und egozentrisch. Genauso wird sie in der Serie auch dargestellt. Keine der Figuren schafft es tatsächlich, dem Sog von Hollywoo zu entkommen. Alle Figuren der Serie scheinen im Strom zu schwimmen und bilden somit das System, von dessen Unbarmherzigkeit sie bereits wissen.

Dabei zeigt die Serie nicht mit dem Finger auf die Schattenseiten Hollywoos, sondern stellt das monströse System, das von den Protagonisten geschaffen wurde, in den Mittelpunkt. Nicht der unmenschliche Mechanismus treibt das System voran, sondern das bequeme und selbstsüchtige Mitmachen. Das macht den Reiz von BoJack Horseman aus – weil es dem Publikum vertraut vorkommt.

Nichts für schwache Nerven

Sein Ärger und seine Frustrationen lassen BoJack grausam und kalt wirken. Er reißt Witze über den Holocaust, die Terroranschläge vom 11. September und Afghanistan. Sein Zynismus geht soweit, dass er seinem ehemaligen besten Freund Krebs wünscht ("Get cancer"). Und – Spoiler Alert – der Typ bekommt tatsächlich Krebs.

Die Serie schafft es, zu erklären, warum BoJack so ist, wie er ist. Seine Eltern waren grausam zu ihm. Besonders die Beziehung zu seiner Mutter wird kompliziert dargestellt. Es wird nichts relativiert, weil BoJack für seine Taten verantwortlich gemacht wird. Sein Arschloch-Dasein wird nicht auf Eitelkeit oder Langeweile reduziert, sondern im Kontext seiner Erziehung gesetzt.

Halte die Taschentücher bereit

So witzig die Show auch sein mag – Platz für Traurigkeit, Selbsthass, Selbstsabotage, Wut, Zweifel und Einsamkeit gibt es genügend. Bei BoJack ist nichts schwarz oder weiß, hier treffen verschiedene Grautöne aufeinander. Obwohl er von seiner Mutter Beatrice in der Kindheit schlecht behandelt wurde, ist er nicht immun gegen ihr Leiden.

Beatrice ist dement und verwirrt, als BoJack sie im Altersheim zurücklässt. Er beruhigt sie, in dem er ihr erzählt, dass sie in Michigan sind. "It’s a warm summer night. The fireflies are dancing in the skies, your whole family is here and they are telling you that everything is gonna be allright. We are eating ice cream. Can you taste the ice cream, mom?"

BoJack twittert

Freche Sprüche klopft der Gaul nicht nur in der Serie: Während wir geduldig auf die sechste Staffel warteten, versorgt uns BoJack auf Twitter mit frechen Sprüchen. Dort reagiert er auf aktuelle Ereignisse und verspottet die Welt der Prominenz.

Die Zeichentrickfilmserie wird mit der sechsten Staffel enden, die in zwei Teilen gezeigt wird. Während der erste Teil bereits auf Netflix zu sehen ist, erscheint die zweite Hälfte erst am 31. Jänner 2020.