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Wir müssen über Normani reden

Alle auf den Hype-Train: Normanis "Motivation" ist die Niederkunft eines waschechten Popstars. Endlich!
Franz Lichtenegger

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16 Jahre sind vergangen, seitdem Beyoncé, damals noch hauptberuflich Destiny's-Child-Frontfrau, in roten High Heels und Denim-Hotpants Solopfade beschritt. "You ready?" fragte sie frecherweise, wohlwissend, dass niemand auch nur annähernd ready war für das, was da noch kommen sollte. Es war eine Zeit, in der Popstars nicht nur Musik, sondern Momente lieferten, in der Musikvideos wie Events gefeiert wurden, einzelne Tanzschritte im kollektiven Gedächtnis einer ganzen Generation landeten und eine VMA-Performance schon mal einem Zirkus gleichen konnte.

2019, in einem Meer aus #NewMusicFriday-Monotonie und Popstars, deren Appeal ihre Gewöhnlichkeit ist, sind solche Momente selten geworden. Vereinzelte Lichtblicke verlieren sich schnell im schieren Überfluss von Spotify-Playlists. Die Niederkunft von Normani aber fühlt sich endlich wieder an wie ein ausgewachsener Pop-Moment.

Ähnlich wie Beyoncé wurde auch Normani Kordei Hamilton als Teil einer Girlgroup bekannt – mit dem Unterschied, dass man bei Fifth Harmony irgendwie dachte, die Beyoncé der Gruppe bereits in Camila Cabello gefunden zu haben. Die hatte nach ihrem frühzeitigen Band-Ausstieg einen gesalzenen Welthit im Ärmel ("Havana"), wodurch Camila prompt zum Breakout-Star von Fifth Harmony erklärt wurde und das Interesse am später folgenden Solo-Material der restlichen Mitglieder relativ gering ausfiel.

Anders als ihre Kolleginnen entschied sich Normani, ihre eigene Musik zurückzuhalten – sie gastierte vorerst nur auf Songs anderer Künstler. Nachdem "Love Lies" mit Khalid und "Dancing With A Stranger" mit Sam Smith zu internationalen Erfolgen wurden, hatte sie sich ganz ohne richtige Debütsingle einen Namen als Solokünstlerin gemacht. Diese Strategie gab ihr die Erlaubnis, letztendlich mit einem Knall auf der Bildfläche zu erscheinen.

"Motivation" fungiert nun als offizielle Solo-Premiere und präsentiert sich als Zwei-Akkord-Stampfer, der sich sowohl an Beyoncés 2005er-Hymne "Check On It" als auch an der blasmusiklastigen Instrumentalisierung ihres historischen Coachella-Sets zu orientieren scheint. Geschrieben wurde der Song unter anderem von Pop-Gott Max Martin, der als erfolgreichster Songwriter der letzen 20 Jahre sonst eigentlich nur mit etablierten Superstars arbeitet, und Ariana Grande höchstpersönlich. Es scheint, als würde die gesamte Musikindustrie kollektiv auf Normani setzen.

Und dann wäre da noch dieses Nullerjahre-Fest von einem Video, das vollgepumpt mit Hommagen an ihre Vorreiterinnen daherkommt. Von der offensichtlichen "Crazy in Love"-Referenz in der Eröffnungsszene über den J.Lo-Basketballplatz aus "I'm Real (Remix)" bis hin zu einem originalgetreuen Britney-Salto und dem obligatorischen Regenschauer – Normani hat ihre Hausaufgaben gemacht, ihre Ambition ist unübersehbar. Und weil dieser Karrierestart offenbar ein einziges 2000er-Revival ist, feiert "Motivation" seine Live-Premiere stilgerecht mit einer Performance bei den MTV Video Music Awards.

Normanis Momentum wird untermauert von der immensen Unterstützung, die sie von prominenten Kolleginnen erfährt. Cardi B, Kylie JennerMissy Elliott, Lizzo, Bella HadidNicki Minaj, Ciara, Kelly Rowland, alle haben ihre Verehrung auf Social Media zum Ausdruck gebracht. Beyoncé höchstpersönlich soll bei einem Aufeinandertreffen beteuert haben, dass Normani sie mit Stolz erfülle. Und wenn selbst Queen Bey ihren Segen gibt, dann haben wir es hier mit einem waschechten Popstar zu tun. Endlich.