APA - Austria Presse Agentur

Der Zusammenhang zwischen Mikrobiom und Rheuma

In den vergangenen Jahren hat die Medizin-Grundlagenforschung das Mikrobiom des Menschen zunehmend als Thema entdeckt. Das sind alle Bakterien, Pilze, Viren etc., welche den Organismus von Geburt an "besiedeln". Was eher krank macht, hat die Forschung laut Spezialisten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) bereits einigermaßen klären können. Doch welches Mikrobiom eher gesund hält, scheint noch ungeklärt.

"Als Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Viren, Bakterien, Pilze und anderer Mikroben bezeichnet, die auf oder in unserem Körper leben - eine Lebensgemeinschaft, deren Einfluss auf die menschliche Gesundheit erst allmählich verstanden wird. Besonders das Immunsystem steht in permanenter Wechselwirkung mit den Mikroben, die Haut und Schleimhäute besiedeln", schrieb die deutsche Fachgesellschaft jetzt in einer Aussendung. Nicht ohne Grund: Das Mikrobiom und seine Beteiligung an Autoimmunerkrankungen, eben die vielen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, wird ein großes Thema beim Jahreskongress der deutschen Rheumatologen im kommenden September sein.

Entzündlich-rheumatische Erkrankungen und andere Autoimmunerkrankungen sind durch eine Fehlfunktion des Immunsystems gekennzeichnet: Körpereigene Strukturen und Gewebe werden zum Gegenstand des Immunangriffs, Entzündungen bis hin zu Gewebezerstörungen sind die Folge. Die Tatsache, dass die Balance zwischen entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Immunzellen auch durch das Mikrobiom beeinflusst wird, hat die mikrobiellen Mitbewohner für die Rheumaforschung interessant gemacht.

"Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren bereits mehrere krankheitsfördernde Keime entdeckt worden, die Autoimmunität anstoßen oder verschlechtern können", sagte Martin Kriegel von der Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie der Universitätsklinik Münster. So haben Versuche an Mäusen und an menschlichen Gewebeproben gezeigt, dass die Darmbakterien Prevotella copri und Enterococcus gallinarum die Aktivität entzündungsfördernder weißer Blutkörperchen (TH17-Immunzellen) verstärken und die Produktion von Autoantikörpern in Ganz setzen können. Auch die Barrierefunktion der Darmschleimhaut, die den übrigen Körper vor Krankheitserregern, Schadstoffen und Allergenen schützt, hänge entscheidend von der Zusammensetzung des Mikrobioms ab.

Insgesamt gibt es rund 200 verschiedene Erkrankungen des rheumatischen Formkreises. Etwa ein Prozent der Menschen leiden an chronischer Polyarthritis (Gelenksrheuma, rheumatoide Arthritis), hinzu kommen viele Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (z.B. Morbus Crohn oder Colitis ulzerosa). Bisher sind die Ursachen ungeklärt. Man nimmt an, dass dabei durch irgendeinen fehlgeleiteten Reiz das Immunsystem gegen körpereigenes Gewebe rabiat gemacht wird. Bei der rheumatoiden Arthritis ist das zum Beispiel das Knorpelgewebe von Gelenken.

Wenn die Wissenschaft bereits ansatzweise versteht, welche Keime einen negativen Effekt haben können, ist natürlich auch der umgekehrte Weg von Interesse. Es ginge darum, zu klären, welches Mikrobiom vor Autoimmunität eher schützt.

"Die Forschung dazu steht noch am Anfang, und womöglich gibt es keine einfache und für alle Menschen gültige Antwort auf diese Frage", heißt es vonseiten der deutschen Rheumatologen. Allgemein gelte jedoch: Je größer die Artenvielfalt innerhalb des Mikrobioms ist, desto weniger stark können schädliche Keime sich vermehren. "Bei rheumatischen Erkrankungen spielt jedoch auch die genetische Veranlagung eine Rolle", betonte Kriegel. Möglicherweise ließen sich in absehbarer Zeit Subgruppen von Patienten identifizieren, die besonders von der Eliminierung schädlicher Keime profitierten.

Im Mittelpunkt vieler Forschungen, aber auch von mehr oder weniger seriösen Theorien, steht oft das Darmmikrobiom. Es ist natürlich stark abhängig von der Ernährungsweise. "Der zunehmende Konsum verarbeiteter Nahrungsmittel und der Gebrauch von Antibiotika reduzieren die Diversität des Darmmikrobioms deutlich", sagte Andreas Krause, Chefarzt für Rheumatologie und Klinische Immunologie am Immanuel Krankenhaus Berlin und Präsident der deutschen Rheumatologengesellschaft.

Umgekehrt - so der Experte - könne die Ernährung aber auch als Ansatzpunkt dienen, um das Mikrobiom und damit den Verlauf entzündlich-rheumatischer Erkrankungen positiv zu beeinflussen. Bereits seit vielen Jahrzehnten werde Heilfasten in der Therapie der rheumatoiden Arthritis eingesetzt. Wie Studien belegten, trägt die vorübergehende Begrenzung der Kalorienzufuhr dazu bei, die Krankheitsaktivität zu senken, Schmerzen zu lindern und die Gelenksfunktion zu verbessern.

Allerdings: Was dabei im Körper der Patienten abläuft, ist noch nicht bis ins Detail verstanden. Bekannt ist jedoch, dass der Stoffwechsel sich beim Fasten oder einer ketogenen Diät mit einem sehr geringen Anteil an Kohlenhydraten stark umstellt und sich verstärkt sogenannte Ketonkörper bilden.

"Diese Ketogenese (Stoffwechselzustand bei Kohlenhydratmangel; Anm.) beeinflusst sowohl das Mikrobiom als auch das Immunsystem günstig", erläuterte Kriegel. So nehme zum Beispiel die Zahl der entzündungsfördernden TH17-Zellen im Darm ab. Welche Fastenmethoden oder Ernährungsweisen für welche Erkrankung bzw. Untergruppen einer Erkrankung am besten geeignet seien und wie nachhaltig sie wirkten, müsse jedoch noch in weiteren Studien untersucht werden. Gerade darauf käme es aber an, um nicht sprichwörtlich falschen Propheten Tür und Tor zu öffnen.