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Enzephalitis: Bei Gehirnentzündung schnell handeln

Gehirnentzündungen und Hirnhautentzündungen werden sprachlich oft verwechselt.

Dabei tragen die Namen bereits den Unterschied in sich: Bei einer Gehirnentzündung, in der Fachsprache Enzephalitis genannt, ist das gesamte Gehirn betroffen. Bei der Hirnhautentzündung, der Meningitis, ist es die äußere Schicht, die das Hirn umhüllt. Die Anzeichen unterscheiden sich deutlich: "Bei Entzündungen der Hirnhaut gibt es keine Beeinträchtigungen von Hirnfunktionen wie zum Beispiel Bewusstseinsstörungen. Sondern es kommt zu Kopfschmerzen, Fieber und zu einer Nackensteife. An diesen Zeichen versucht man auch, diese Erkrankung zu erkennen", sagt Prof. Frank Erbguth, Ärztlicher Leiter der Neurologie am Klinikum Nürnberg.

Je mehr die Entzündung nach innen in die Tiefe dringt, so erklärt der Mediziner, desto stärker ist das Gehirn betroffen. Anders als bei der Hirnhautentzündung haben Betroffene bei einer Enzephalitis Ausfallserscheinungen der Hirnfunktionen. "Je nachdem, wo der Schwerpunkt der Entzündung im Gehirn liegt", sagt Erbguth.

Sprachstörungen, Lähmungen, epileptische Anfälle

Das Spektrum der Symptome ist breit: "Liegt zum Beispiel eine Entzündung im Sprachzentrum in der linken Gehirnhälfte vor, hat man Sprachstörungen", sagt Erbguth. Sei das motorische Zentrum in der rechten Gehirnhälfte betroffen, könne es zu Lähmungen im linken Bein kommen. "Ist die elektrische Erregungslage im Gehirn hochgefahren, kann es zu epileptischen Anfällen kommen."

Es gibt viele mögliche Ursachen für eine Enzephalitis. "Eine Entzündung ist im Prinzip die Waffe des menschlichen Körpers gegen fremde Eindringlinge ins Blut oder in Gewebe des Körpers", sagt der Neurologe und Psychiater. "Wenn etwas eindringen will, das Schaden anrichtet, soll es bekämpft werden. Dafür hat die Natur ein sehr differenziertes und präzises Abwehrsystem erschaffen."

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Die Eindringlinge können von außen kommen, zum Beispiel in Form von Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilzen. So können Herpes-Viren oder das von Zecken übertragene FSME-Virus der Auslöser sein.

Eine zweite große Gruppe sind Autoimmunreaktionen: Dabei wird die körpereigene Abwehr aktiviert, ohne dass ein Eindringling vor der Tür steht. Der Körper reagiere wie auf einen äußeren Feind, der gar nicht da sei, beschreibt Erbguth. "Wenn die Abwehr das in den Gelenken tut, handelt es sich um Rheuma. Passiert es im Gehirn, ist es eine Form der autoimmunen Enzephalitis."

Fehlgeleitete Abwehrreaktion des Körpers

Professor Harald Prüß arbeitet an der Charité in Berlin und ist spezialisiert auf die Autoimmun-Enzephalitis. Er nennt beispielhaft verschiedene Auslöser der fehlgeleiteten Abwehrreaktion des Körpers.

"Bei einem Teil der Patienten ist die Autoimmun-Enzephalitis durch einen Tumor bedingt", sagt der Oberarzt der Klinik für Neurologie. Das Immunsystem greift diesen an. Es könne auch sein, sagt Prüß, dass eine Krebserkrankung durch die Entwicklung von Antikörpern langsamer voranschreite. "Aber zu einem hohen Preis. Denn es kann passieren, dass sich eine Enzephalitis entwickelt."

Es kann auch vorkommen, dass nach einer Gehirnentzündung, die durch Herpes ausgelöst wurde, eine Autoimmun-Enzephalitis auftritt, so der Arzt. "Offenbar triggert das Virus eine Reaktion des Immunsystems."

Darüber hinaus könne diese Erkrankung nach Virusinfektionen auftreten, nach einer Grippe oder nach Pfeifferschem Drüsenfieber zum Beispiel. "Wer in dieser Situation Anzeichen bemerkt, sollte sich schnell an einen Arzt wenden", rät Prüß.

Wesensveränderungen sind ein Alarmsignal für eine Enzephalitis
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Psychische Veränderungen als Warnsignal

Ein Alarmsignal für eine Enzephalitis sind Wesensänderungen: "Die Betroffenen sind innerhalb kürzester Zeit in sich gekehrt", sagt der Charité-Mediziner. Psychische Veränderungen sind demnach bei relativ vielen Patientinnen und Patienten zu beobachten. "Manche sind depressiv, andere hören Stimmen oder halluzinieren."

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Auch Sprachveränderungen sind häufig ein Anzeichen. Betroffenen fallen die Worte nicht ein. Eine Enzephalitis kann jeden treffen. Man kann nicht vorbeugen, sondern nur schnell reagieren. Bei psychischen Veränderungen oder Lähmungserscheinungen in Kombination mit Fieber sollte man sich sofort an eine Ärztin oder einen Arzt wenden.

"Den Nachweis erbringt man meistens durch eine Kombination verschiedener Diagnoseverfahren", erklärt Neurologe Erbguth. Bei einer Untersuchung des Liquors - meist Nervenwasser genannt - durch eine sogenannte Lumbalpunktion könne man feststellen, ob es dort eine Entzündungsreaktion gibt oder sogar Erreger zu finden sind. "Außerdem braucht man ein Bild vom Gehirn mit CT oder MRT." Also durch Computertomographie oder Magnetresonanztomographie.

Schnell handeln, um das Gehirn zu retten

Ob man eine Enzephalitis, die durch externe Auslöser auftritt, behandeln könne, hänge stark vom Erreger ab, sagt Erbguth und erklärt es an zwei Beispielen: "Ist es ein Herpesvirus, dann kann man nicht vorbeugen, aber die Viren effektiv behandeln." Umgekehrt bei FMSE: Hier kann man das Virus nicht direkt bekämpfen, sondern nur die Symptome mildern. Dafür gibt es gegen FSME eine Impfung.

Handelt es sich um eine Autoimmun-Enzephalitis, versucht man, die Antikörper im Blut zu entfernen und die Produktion neuer Antikörper durch die Gabe von Medikamenten zu verhindern.

In jedem Fall sollte man schnell reagieren. "Im Prinzip gilt hier der gleiche Merksatz wie beim Schlaganfall: Time is Brain", sagt Charité-Mediziner Prüß. Also: Zeit ist Hirn.

"Je schneller und intensiver am Anfang behandelt wird, desto besser ist der Status Jahre später", sagt Prüß. "Wenn man ständig eine schwelende Entzündung in den Gedächtniszentren des Gehirns hat, entsteht ein großer Schaden."

Enzephalitis betrifft im Gegensatz zur Meningitis das gesamte Gehirn
HAMBURG - DEUTSCHLAND: ILLUSTRATION - Zum Themendienst-Bericht von Julia Felicitas Allmann vom 26. Mai 2021: Bei einer Enzephalitis ist im Gegensatz zur Meningitis das gesamte Gehirn betroffen. Foto: Georg Wendt/dpa/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++. - FOTO: APA/APA/dpa/Georg Wendt

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