APA - Austria Presse Agentur

Unterschiede zwischen politischen Lagern sind kleiner als man denkt

Menschen, die sich zu einem politischen Lager zählen, überschätzen die Unterschiede zwischen ihnen und den Menschen auf der anderen Seite der politischen Kluft.

Das zeigt eine im Fachmagazin "Nature Human Behaviour" erschienene Studie mit Teilnehmenden aus 26 Ländern, darunter der Schweiz. Die aktuelle Studie basiert auf einer früheren Untersuchung aus den USA, in der dieses Muster zwischen DemokratInnen und RepublikanerInnen bereits festgestellt wurde. Das internationale Forschungsteam wollte nun herausfinden, ob diese Effekte auch in Ländern zu finden sind, in denen es kein Zwei-Parteien-System gibt.

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5.400 Personen zu Gesetzesänderungen befragt

Dafür rekrutierte das Team aus 82 Forschenden um Kai Ruggeri von der Columbia University (USA) insgesamt über 10.000 Menschen, die sie in einem ersten Schritt fragten, ob sie sich fest zu einem politischen Lager zählten. Für die Schweiz wählten die Forschenden um die Psychologin Lisa Wagner von der Universität Zürich die Bezeichnungen "eher bürgerlich" und "eher links".

Das Team legte 5.406 Studienteilnehmenden auf die Länder zugeschnittene Szenarien vor, bei denen eine Gruppe eine Gesetzesänderung vorschlägt, die das andere politische Lager benachteiligen könnte. Für die Schweiz lautete eines der Szenarien beispielsweise, dass politische Spenden transparent gemacht werden sollen oder Richter keiner Partei mehr angehören dürfen.

Die StudienteilnehmerInnen sollten dann in einer Online-Umfrage angeben, ob sie persönlich, ihr politisches Lager oder das gegnerische Lager diese Forderung unterstützen würde. Dabei zeigte sich: Die Wahrnehmung gegenüber dem anderen politischen Lager war über alle Länder hinweg verzerrt.

Die Menschen nahmen an, dass diejenigen aus der anderen politischen Gruppe die Vorschläge viel stärker ablehnen würden, als dies tatsächlich der Fall war. "In der Schweiz zeigte sich dieser Effekt sogar etwas stärker als in der Gesamtstichprobe", sagte Wagner.

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Falsche Wahrnehmung polarisiert

Demnach sind die Meinungen zu vielen politischen Themen viel ähnlicher als die Studienteilnehmenden dachten. Diese falsche Wahrnehmung könne zur Polarisierung beitragen, so Wagner. Die Diskrepanz fand sich überdies in beiden Lagern gleich stark. Auch in der Schweiz mit 163 Teilnehmenden ließen sich keine Unterschiede zwischen den Bürgerlichen und Linken ausmachen.

In einem zweiten Experiment mit 4.801 Studienteilnehmenden aus zehn der anfänglich 26 Länder zeigte sich, dass sich die negative Wahrnehmung reduzieren lässt, wenn die Menschen über die tatsächlichen Einstellungen der anderen Seite informiert werden.

"Das ist eine sehr simple Möglichkeit, um die Fehleinschätzungen gegenüber anderen politischen Gruppieren zu mindern", sagte Wagner. Und es zeige, wie wichtig es für den politischen Diskurs sei, dass die Menschen miteinander reden und sich zuhören würden.