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Schnelle Hilfe gefragt: Ein Schlaganfall kann jeden treffen

Es ist dieser Moment, den Dunja Delker nicht mehr vergisst: Sie liegt benommen im Rettungswagen. Vor dem Haus steht ihr Mann. Das Baby auf dem Arm, den fünfjährigen Sohn an der Hand. Der Wagen fährt los Richtung Krankenhaus und Dunja Delker denkt: Wie soll das gehen ohne mich? Die plötzliche Trennung von ihren Kindern trifft sie härter als ihre Diagnose: Schlaganfall. Mit 38 Jahren.

Was war geschehen? Dunja Delker braucht Wochen, um es zu verstehen. Sie, die junge Mutter und Journalistin, die mit beiden Beinen fest im Leben steht - und nun plötzlich einen Rollator braucht. Sie ist eine der rund 33.000 Betroffenen in Deutschland pro Jahr, die vor ihrem 55. Lebensjahr einen Schlaganfall erleiden. "Ich war völlig überfordert von der Diagnose", erinnert sich Gütersloherin. "Mit 38 Jahren rechnet man ja nicht damit." Heute ist sie 43.

Mehr als 80 Prozent der Schlaganfall-Patienten sind tatsächlich älter als 60 Jahre. Doch grundsätzlich kann jeder Mensch einen Schlaganfall bekommen, vom Säugling bis zum alten Menschen, sagt Neurologe Thomas Kloß, Chefarzt der Klinik für Neurologie des St. Elisabeth-Hospitals und des LWL-Klinikums Gütersloh.

Was passiert dabei eigentlich im Körper? "Am häufigsten tritt der sogenannte ischämische Schlaganfall, der Hirninfarkt, auf", erklärt Kloß. "Dabei verschließt sich im Gehirn ein Blutgefäß. Bleibt dieser Verschluss unbehandelt, sterben Nervenzellen ab, weil das Gehirn an den betroffenen Stellen nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird."

Eine zweite, eher seltenere Ursache für einen Schlaganfall sei die Hirnblutung, bei der ein Gefäß im Gehirn platze, erklärt er. Dadurch würden bestimmte Bereiche des Gehirns nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Die Blutung könne im Hirn erhebliche Schäden anrichten.

Im Durchschnitt gehen bei einem Schlaganfall 1,9 Millionen Nervenzellen pro Minute zugrunde. Bereits nach wenigen Minuten treten neurologische Schäden auf, die in der Regel nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Besonders gefährdet für einen Schlaganfall sind Raucher und Menschen mit Übergewicht, erhöhtem Blutdruck oder Diabetes mellitus. Dunja Delker gehörte nicht zur Risikogruppe. Sie machte Sport, rauchte nicht und trank nur selten Alkohol. Dennoch traf es sie.

Begonnen hat alles im Februar 2015. Sie wachte mit starkem Schwindel, Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen auf. "Ein Kater konnte es nicht sein", sagt sie. "Ich hatte höchstens drei Gläschen Sekt getrunken." Dunja Delker schleppte sich durch den Tag - holte die Kinder aus dem Kindergarten ab und zog sogar die Kaffeeeinladung mit Freundinnen durch.

Stunden vergingen und immer dachte sie: Das wird schon besser. Wurde es nicht. Am nächsten Morgen kam sie nicht mehr aus dem Bett. Ihr Mann rief den Krankenwagen, und dann ging alles ganz schnell. Dunja Delker wurde in die nächste Stroke Unit gefahren - das sind spezialisierte Schlaganfallstationen, die innerhalb weniger Stunden Diagnosen sichern und sofortige Therapien einleiten können.

"Jeder Patient mit einem Schlaganfall-Verdacht gehört auf eine solche Stroke Unit", sagt Notfallmediziner Claus-Martin Muth, Leiter der Sektion Notfallmedizin an der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Ulm. Stroke Units sollten von jedem Ort innerhalb der Lyse-Zeit mit dem Rettungswagen erreichbar sein

Lyse-Zeit - damit meinen Ärzte das Zeitfenster zwischen dem akuten Auftreten des Schlaganfalls bis zur Behandlung. Lyse steht für Thrombolyse, eine medikamentöse Therapie, mit der sich in vielen Fällen das Blutgerinnsel im Gehirn auflösen lässt. "Je schneller diese Therapie beginnt, desto besser", betont Neurologe Thomas Kloß. Bei Verdacht auf einen Schlaganfall sollte der Rettungsdienst darum auch so rasch wie möglich gerufen werden, damit die Behandlung auf einer Stroke Unit zeitnah erfolgen könne.

Doch viele Patienten kommen nicht rechtzeitig in die Kliniken. "Häufig werden die Symptome zu spät bemerkt oder nicht richtig gedeutet", sagt Anästhesiologe Claus-Martin Muth. Um das zu verhindern, könnten medizinische Laien noch vor Ort den sogenannten FAST-Test anwenden. Die Buchstaben stehen für die englischen Wörter Face, Arms, Speech, Time (also: Gesicht, Arme, Sprache, Zeit).

Muth erklärt: "Bei einem Schlaganfallverdacht ist häufig ein Teil des Gesichts gelähmt. Man sollte die betroffene Person bitten, zu lächeln. Ist dies schwer möglich, ist das ein deutliches Anzeichen." Auch wenn es demjenigen schwerfällt, beide Arme gleichzeitig hochzuheben, sollte sofort der Krankenwagen gerufen werden - genauso, wenn die Sprache plötzlich verwaschen klingt. Weitere Anzeichen sind Taubheitsgefühle, Schwindel mit Gangunsicherheit sowie sehr starke Kopfschmerzen.

"Wenn auch nur eins der Symptome auftritt, ist Eile geboten", sagt Muth. "Auch dann, wenn die Beschwerden wieder von selbst abklingen." Dahinter könne die transitorische ischämische Attacke (TIA) stecken. Dabei verschwinden die Symptome üblicherweise nach einigen Minuten oder Stunden. "Die TIA ist häufig ein Vorbote des Schlaganfalls und immer ein Grund, den Rettungswagen zu rufen. Selbst wenn keine Symptome mehr vorhanden sind", erklärt Thomas Kloß.

Bis der Rettungswagen eintrifft, sollten Anwesende Erste Hilfe leisten. "Ist die Person bei Bewusstsein, sollte sie leicht erhöht liegen oder sitzen und nicht allein gelassen werden. Wenn sie nicht atmet, sollte sofort mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen werden", sagt Claus-Martin Muth.

Dunja Delker hat zu lange gewartet, bis sie den Ernst der Lage erkannte - doch sie hatte Glück im Unglück. Auch wenn viel Zeit verging bis zu ihrer Behandlung, blieben kaum Folgeschäden. Heute, fünf Jahre nach dem Schlaganfall, tritt nur noch ein Kribbeln in der rechten Körperhälfte auf, wenn sie sich zu viel zumutet. Außerdem ist ein Auge etwas geschlossener als das andere. Um wieder Vertrauen in ihren Körper zu bekommen, tut ihr der Austausch mit anderen Betroffenen gut.

"Um grundsätzlich einem Schlaganfall und anderen kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen, gibt es einige Möglichkeiten", sagt Neurologe Thomas Kloß. Dazu gehörten regelmäßige Bewegung, wenig Alkoholkonsum, eine gesunde, ausgewogene Ernährung und für Menschen mit Diabetes eine gute Blutzucker-Einstellung.

Obwohl Dunja Delker nie zur Risikogruppe gehörte, hat auch sie ihr Leben umgestellt. Sie arbeitet wieder, kümmert sich um ihre Kinder - schaltet aber auch einmal einen Gang zurück, wenn alles zu viel wird. "Das ist die größte Lehre, die ich daraus gezogen habe", sagt sie. "Auf den eigenen Körper hören und das Leben noch mehr genießen."

Um mögliche Symptome zu erkennen, hilft der sogenannte FAST-Test
BERLIN - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA (dpa/gms)/Christin Klose - Das Bild darf nicht in einem das Model diffamierenden Zusammanhang verwendet werden!

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