Rudolf Semotan

Alternativen zu Google Maps: Vier Navi-Apps im Test

Egal ob im Urlaub oder auf dem Weg zu einem wichtigen Termin. Das Smartphone ist für viele Orientierungshilfe und Navigationsgerät Nummer eins. Wir haben die besten Navi-Apps getestet.
Amir Farouk Amir Farouk

2009 im Appstore für iOS sehnlichst erwartet, gibt es sie heute fast wie Sand am Meer: Navi-Apps gehören dieser Tage zu den Essentials was die App-Ausstattung am eigenen Smartphone betrifft. Und auch am Preis hat sich mit der Zeit einiges getan. Während rund um die Geburtsstunden von iOS und Android Preise im hohen zweistelligen Bereich aufgerufen wurden, kommt man heute auch mit einer Gratis-App komfortabel und schnell ans Ziel.

Die Ende 2009 erschienene App der „Telenav GmbH“ hat sich still und heimlich zu einer der beliebtesten Apps in Sachen Navigation gemausert. Damals noch unter dem Namen „skobbler“ bekannt, fand die Anwendung auch bei mir früh den Weg aufs Smartphone. Ausschlaggebend war vor allem der Preis. Denn Scout ließ sich schon früh kostenlos herunterladen und hatte damit im Gegensatz zu TomTom und Konsorten einen Startvorteil bei vielen Smartphone-Nutzern.

Kartenmaterial aus der Community

Scout basiert auf den frei verfügbaren Karten von OpenStreetMap und muss sich somit wenig Sorgen um die Aktualität seiner Karten machen. Beim ersten Start bieten Scout seinen Nutzern den kostenlosen Download einer Länderkarte an. Wer wie ich hier Österreich gewählt hat und auch im Ausland öfters einen technischen Wegweiser benötigt, kann per In-App-Kauf zusätzliche Kartenpakete oder einzelne Länder herunterladen.

Neben verkürzten Ladenzeiten ermöglichen die zusätzlich gekauften Karten vor allem die Nutzung ohne permanente Datenverbindung und schützen vor unschönen Roaming-Überraschungen. Die Preise halten sich einigermaßen in Grenzen. So kosten einzelne Länder 2,99 Euro, wer sich für einen ganzen Kontinent oder gar den gesamten Globus entscheidet, muss 4,99 Euro bzw. 10,99 Euro berappen.

Optimistischer Wegbegleiter

In Sachen Routenplanung gibt es bei Scout nur wenig zu kritisieren. Im Vergleichstest mit den anderen Navi-Apps wurden durchwegs die gleichen Routen vorgeschlagen. Auffällig ist aber, dass die Berechnung der Fahrtzeit relativ optimistisch von statten geht. Auf einer rund 25-minütigen Fahrt verschätzte sich Scout um fünf Minuten, was auf längeren Strecken möglicherweise zu eklatanteren unterschieden führen kann. Wer nicht das Traffic-Paket gekauft hat, könnte hin und wieder mit der Reaktion auf Behinderung unzufrieden sein. So reagiert die App auf zähfließenden Verkehr im Test entweder gar nicht, obwohl Ausweichmöglichkeiten vorhanden waren oder gibt vor, alle zwei Minuten eine neue, bessere Route gefunden zu haben.

Regelwächter für Bleifüße

Interessant ist der Modus „Blitzerwarner“. Hier werden keine Routen geplant, das Navi verfolgt einfach die gefahrene Wegstrecke. Auch ohne gekauftes Blitzer-Paket wird hier auf viele stationäre Radarboxen hingewiesen. Eine nette Zusatzfunktion ist ein permanenter Hinweis auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Auf Wunsch warnt Scout außerdem bei zu hoher Geschwindigkeit mittels akustischem Signal.

Nicht nur Offline-Karten auch etliche Zusatzfeatures können bei Scout via In-App-Kauf erworben werden. Das Verkehrsfeature reichert die eigene Routenplanung beispielsweise mit Real-Time Verkehrsdaten an. Dadurch soll unter anderem die Routenplanung verbessert werden um unter anderem auf Staus und andere Behinderungen besser reagieren zu können. Desweitern können notorische Bleifüße einen Blitzerwarner dazu kaufen, der vor noch mehr stationären und auch mobilen Radarstation warnen soll.

Neben der eigentlichen Navigation sind auch Tripadvisor und Foursquare in die App integriert, um die Suche nach Points-of-Interest zu erleichtern.

Scout GPS ist für Android und iOS kostenlos erhältlich.

Im Gegensatz zu Scout ist Waze vollkommen kostenlos und bietet auch keinerlei In-App-Käufe an. Das 2006 als „Free Map Israel“ gestartete Traffic-Community Projekt entwickelte sich in kurzer Zeit zu einer der größten Player unter den Navi-Apps und erfuhr 2013 durch den Kauf von Google seinen Ritterschlag.

Google Maps Deluxe?

Folglich basiert das Kartenmaterial auf den Daten von Google Maps, unterscheidet sich aber trotzdem deutlich von Googles eigener Kartenanwendung. Waze setzt vor allem auf die Zusammenarbeit seiner Nutzer, den sogenannten Wazern. Um Wazer zu werden, müssen sich Nutzer einmalig registrieren.

Dazu muss die eigene Telefonnummer angegeben werden, um via SMS-Code-Verfahren die Identität zu bestätigen. Eine Anmeldung ohne Preisgabe einer Handynummer ist nicht möglich, wohl, um die Verbreitung und Anzeige von Falschinformationen über die Anwendung zu verhindern oder zumindest einzudämmen.

Ohne Registrierung keine Community

Ist der Registrierungsprozess erst einmal erledigt, lässt sich Waze mit vollem Funktionsumfang nutzen. Durch langes Drücken können stellen eines Straßenabschnittes markiert und mit verschiedenen Meldungen versehen werden. Begegne ich beispielsweise einer Straßensperre oder einem Unfall während meiner Fahrt, lässt sich ein entsprechender Eintrag via App anlegen und ist sofort für alle Nutzer sichtbar.

Da die Anwendung aber nicht zu illegalen oder gar gefährlichen Handlungen während des Autofahrens verleiten möchte, ermöglicht Waze die Steuerung per Sprachbefehl. Erblickt man beispielsweise eine Radarkontrolle oder verfängt sich in zähem Stau, können diese Informationen auch via Spracheingabe ins System eingepflegt werden.

App als ständiger Begleiter

Waze unterstützt seine Nutzer aber auch dabei, die Verkehrsregeln im Blick zu behalten. Neben einer ähnlich wie bei Scout integrierten Anzeige der höchstzulässigen Geschwindigkeit benachrichtigt die App zusätzlich, wenn der Fahrer die übliche Durchschnittsgeschwindigkeit unterschreitet.

Laut Waze soll die Anwendung möglichst bei jeder Fahrt aktiviert werden, selbst wenn die Navigationsfeatures nicht benötigt werden. Dies soll unter anderem dabei helfen, die Karten durch Aufzeichnung etwaiger Unregelmäßigkeiten verbessern zu können. Selbstverständlich ist Google aber auch generell an den Fahrtdaten seiner Nutzer interessiert.

Waze ist für Android und iOS kostenlos erhältlich.

Lange von den Nutzern verkannt, navigierte die damals unter Here Maps bekannte Anwendung sich langsam in die Herzen der Smartphone Nutzer. Von Navteq übernommen, entwickelte der einstige Handy-Riese Nokia Here Maps zu einem alleinstellungsmerkmal seiner Handys und konnte sich durch seine Navigationssoftware von seinen Konkurrenten abheben.

Niedergang und Aufstieg

Mit dem Niedergang von Nokia verschwand aber auch Here Maps in der Bedeutungslosigkeit und konnte sich trotz Aufhebung seiner Plattform-Exklusivität (zuerst bei Nokia, dann bei Samsung) nur schwer gegen Google Maps durchsetzen. Dass die Anwendung und das firmeneigene Kartenmaterial Potenzial haben, erkannten aber vor allem Audi, BMW und Daimler, die seit Ende 2015 Besitzer des Navi-Unternehmens sind.

Die Anwendung fällt vor allem durch ihre angenehm einfache Gestaltung auf. Die Kartendarstellung ist klar definiert und im Vergleich zu Google Maps deutlich besser abzulesen. Wie die Navi-Apps der Konkurrenz, kann ich auch bei Here auswählen, ob ich die klassische Kartendarstellung oder Satellitenansicht wünsche.

Im Hauptbildschirm integriert ist eine Suchfunktion, die sowohl nach Straßennamen als auch Points-of-Interest suchen lässt. Die Suche ist dabei überraschend schnell und findet die wichtigsten Unternehmen und Sehenswürdigkeiten. Über das Feature „In der Nähe“ lassen sich außerdem Taxistände, Geldautomaten, Parkmöglichkeiten oder Wikipedia-Einträge zu Sehenswürdigkeiten anzeigen.

Fortbewegungsmittel en masse

In Sachen Navigation muss sich Here WeGo nicht verstecken. Auf meiner Teststrecke unterscheiden sich die berechnete Route und die geplante Fahrzeit nicht von den Angaben der Konkurrenz. Hervor sticht aber die umfangreiche Integration von alternativen Fortbewegungsmitteln. Zur Auswahl stehen unter anderem das Rad, Taxis und sogar Car-Sharing-Dienste. Selbst die Daten der öffentlichen Verkehrsmittel können abgerufen werden.

Wer sich bei der ersten Ausfahrt nicht genauer mit der App beschäftigt, wird höchstwahrscheinlich einen stummen Beifahrer in seine Handyhalterung stecken. Die nur 80 Megabyte große Anwendung kommt nämlich ohne vorinstallierter Sprache. Um die gewohnt deutsche Sprachansage zu aktivieren, musste ich erst die entsprechende Sprachdatei herunterladen. Neben vielen verschiedenen Sprachen kann hier auch zwischen weiblicher und männlicher Stimme, sowie guter und mittelmäßiger Sprachqualität gewählt werden (was im Notfall den Systemspeicher schonen soll).

Im Preis unschlagbar

Auch Here WeGo verfügt über einen Tempowarner, zeigt aber nicht permanent die erlaubte Geschwindigkeit an. Verkehrshindernisse werden in der Karte mit einem Rufzeichen versehen, Details lassen sich dazu aber leider nicht abrufen.

In Sachen Preis-Leistung kann Here WeGo im Vergleich mit Scout einige Pluspunkte erzielen. Offline-Karten lassen sich innerhalb der App für beinahe alle Länder dieser Welt einzeln und kostenlos laden. Wer keine Kompromisse eingehen will, kann bei ausreichendem Speicher gleich gesamte Kontinente herunterladen. Die kleinste Sammlung, nämlich Afrika, schlägt dabei mit rund 2.3 Gigabyte zu buche. Möchte ich ganz Europa in meiner Hosentasche haben, muss ich mit rund 11 Gigabyte rechnen.

Here WeGo ist für Android und iOS und als Webapp kostenlos erhältlich.

2011 als kleine Google-Alternative gestartet, ist Maps.me heute mehr als nur die zweite Wahl. Das in Zürich ansässige Unternehmen „MapsWithMe“ startete damals auf Apples iOS und baute seine Kartenanwendung langsam aber stetig auf.

OpenStreetMap unter der Haube

Wie der Navigator von Scout setzt auch die mit einem WhatsApp-grünen Icon versehene Anwendung auf das offene Kartenmaterial von OpenStreetMaps. Folglich sind die vorhandenen Daten aktuell, im Vergleich mit Apple Maps und Here WeGo waren sogar kürzlich errichtete Häuser auf der Karte zu finden. Vor allem in Sachen Darstellung und Detailreichtum kann Maps.me punkten.

Straßen heben sich in der App gut von der Umgebung ab und Straßennamen lassen sich gut ablesen, auch die Piktogramme sind einwandfrei erkennbar. Wähle ich die einfache Kartendarstellung aus, zeigt mir die Schweizer App sogar die Umrisse der einzelne Häuser und ihre Hausnummern, was gerade in für einen selber unbekannten Gegenden sehr hilfreich sein kann.

Suchfunktion enttäuschend

Bei der Suchfunktion muss sich Maps.me seinen Konkurrenten geschlagen geben. Zwar werden unter anderem die Supermärkte oder Fast-Food-Restaurants der großen Ketten ohne Problem gefunden, wer aber ohne genaue Adresse und nur mit einem Namen einen kulinarischen Geheimtipp finden möchte, könnte schnell auf Probleme stoßen. Bei weniger Bekannten Points-of-Interest weitet die App die Suche nämlich relativ schnell auf eine breite Umgebung aus, anstatt in der Nähe genauer nach der gewünschten Lokalität zu suchen. Habe ich einen für Maps.me unbekannten Ort aber trotzdem gefunden, kann ich ich diesen direkt hinzufügen und so für die Community bereitstellen.

Routenführung top, Öffis flop

Bei der Routenführung konzentrieren sich die Schweizer auf Auto, Fahrrad und zu Fuß. Eine Integration der ÖPNV ist leider nicht vorhanden und wird vor allem auf Städtereisen im Ausland schmerzlich vermisst werden. Was die Routenplanung per Auto angeht, weicht Maps.me sowohl was Wegstrecke als auch Dauer angeht kaum von seinen Mitbewerbern ab. Im Vergleich zur Konkurrenz fällt dafür die etwas robotermäßige Stimme auf. Diese besteht nämlich auch Siris Low-Quality-Variante und ist dementsprechend nicht so Sprachgewand wie jene von Google Maps und Konsorten. Nutzer der App werden sich folglich an die etwas hölzerne Beifahrerin gewöhnen müssen, da es weder alternative, noch besser aufgelöste Stimmen zum Download gibt.

Kartenmaterial etwas chaotisch

Sehr wohl zum Download steht aber Offline-Kartenmaterial zur Verfügung. Laut Maps.me sind insgesamt 345 Länder und Inseln inkludiert, die sich vollkommen kostenlos herunterladen lassen. Die Aufteilung der Karten ist dabei teilweise etwas ungenau, da zum Beispiel der Osten Niederösterreichs nur unter „Wien“ zu finden ist, West-Niederösterreich aber einzeln aufscheint.

Auch lassen sich nicht ganze Kontinente, sondern nur einzelne Länder oder Abschnitte herunterladen. Die gesamte Österreich-Karte benötigt dabei rund 370 Megabyte, Deutschland oder Frankreich schlagen mit jeweils fast drei Gigabyte zu Buche.

Maps.me ist für Android, iOS und sogar Blackberry kostenlos erhältlich.

Navigations-Apps gibt es in den verschiedenen App-Stores mittlerweile wie Sand am Meer. Positiv hervorzuheben ist dabei, dass gute Routenplaner mit umfangreichen Features und aktuellem Kartenmaterial heutzutage kaum noch etwas kosten. Wer sich von den Fesseln von Google Maps befreien möchte, wird mit Here WeGo Scout oder Maps.me garantiert glücklich.

Was den Umfang betrifft, bewegen sich alle Apps auf einem ähnlich hohen Niveau, in Sachen Schwarmintelligenz kann mit Googles Waze aber keine der Anwendungen mithalten.


Welche Navi-App ist euer Favorit? Google Maps oder doch eine der Alternativen? Berichtet uns im Forum darüber!