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Polizei setzt jetzt Gesichtserkennung im Regelbetrieb ein

Still und heimlich wurde in Österreich mit 1. August die Gesichtserkennungsanalyse bei der Polizei eingeführt.
Barbara Wimmer Barbara Wimmer

Das Bundeskriminalamt setzt seit knapp einem Monat die erworbene Gesichtserkennungssoftware ein. Das geht aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung hervor, die der Nationalratsabgeordnete Niki Scherak (NEOS) an Innenminister Karl Nehammer gestellt hatte (Link). Die Software sei in die „EDV-Umgebung des Bundesministeriums für Inneres integriert“ worden und führe jetzt Abgleiche mit dem Gesichtserkennungssystem durch, heißt es.

Das bedeutet: Wenn jemand eine schwere Straftat begangen hat, beispielsweise einen Bank- oder Tankstellenraub, kann die Polizei aus den Bildern der Überwachungskameras Fotos generieren lassen. Die Zentralsoftware gleicht dann bestimmte Merkmale aus dem Gesichtsfeld ab und vergleicht das Bild mit der Referenzdatenbank der Polizei.

Teuer gekauft

Das Bundeskriminalamt hatte die Software vergangenes Jahr für 448.813,20 Euro von der deutschen Firma Cognitec Systems gekauft, der Liefervertrag wurde mit der Atos IT Solutions und Services GmbH abgeschlossen. Um mit den Bildern besser arbeiten zu können, werden zudem neue Arbeits-PCs und hochauflösende Bildschirme angeschafft.

Die Landeskriminalämter bekommen erst nächstes Jahr darauf Zugriff, denn hier haben sich „Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus verzögert“. „Der Start des Regelbetriebes in den Landeskriminalämtern ist abhängig von der Fertigstellung dieser Arbeiten für die Arbeitsumgebung“, heißt es.

Fehlerquote irrelevant

Während des Testbetriebes, der über ein Jahr gedauert hat, wurde in 581 Fällen ein Abgleich mit dem Gesichtserkennungssystem durchgeführt. In 83 Fällen wurde von den Ermittlungsdienststellen bestätigt, dass der Abgleich mit dem Gesichtserkennungssystem zur Identifizierung des unbekannten Täters geführt hat, erklärt Nehammer.

Spannend ist bei derartigen Systemen auch immer die Fehlerquote. Bei zahlreicher Gesichtserkennungssoftware ist schon festgestellt worden, dass es etwa Personen mit dunkler Hautfarbe sowie Frauen schlechter erkennt. Die maschinelle Gesichtserkennung funktioniert derzeit am besten, wenn es um das Erkennen weißer Männer geht.

Doch das Innenministerium hält diesen Parameter im Zusammenhang mit dem Einsatz der Software für irrelevant. „Es werden keine Echtzeit- oder Online-Abgleiche durchgeführt“, so die Begründung. Die Software werde lediglich dazu eingesetzt, Fotos von unbekannten Tätern mit der Referenzdatenbank abzugleichen. „Der Abgleich bzw. das Ergebnis des Abgleichs alleine löst keinerlei unmittelbare Reaktion aus“, heißt es.

Algorithmus ist Betriebsgeheimnis

„Im Testbetrieb konnte bei den durchgeführten Abgleichen kein Unterschied bei den Ergebnissen hinsichtlich des Geschlechtes festgestellt werden“, so Nehammer in der Anfragebeantwortung. Es wurde allerdings nicht überprüft, ob das auch für Personen ethnischer Herkunft gilt. „Grundsätzlich sind der Kontrast und die Beleuchtung wesentliche Parameter bei der Erkennung von Lichtbildern. Schlechte Belichtungsverhältnisse können zu einem schlechteren Ergebnis führen“, so die Antwort auf die Anfrage.

Auch zur Übereinstimmungswahrscheinlichkeit will – oder kann – man nichts Näheres sagen. „Diese wird auf Grundlage von Algorithmen des Herstellers des Gesichtserkennungssystems berechnet. Diese Algorithmen sind, wie bei allen solchen Systemen, Betriebsgeheimnis des Herstellers“, so Nehammer.

Kritik von Datenschützern

Die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works lehnt den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware bei der Polizei strikt ab. „Aus unserer Sicht ist der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware ein sehr schwerer Eingriff, denn es werden biometrische Daten gesammelt, analysiert und ausgewertet. Wir befürchten außerdem, dass der aktuelle Einsatz der Software nach und nach ausgeweitet werden wird und als Echtzeit-Tool fungieren könnte“, heißt es.

In San Francisco (USA) und einigen weiteren US-Städten ist der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologien für Behörden verboten, weil diese – mittlerweile erwiesenermaßen - anfällig für Diskriminierung von ethnischen Minderheiten sind.

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