Wie Trump Huawei schlagartig lahmgelegt hat

Der chinesische Konzern befindet sich derzeit in Schockstarre. Nicht nur das Smartphone-Geschäft wurde lahmgelegt.
Michael Leitner Michael Leitner

Egal wie gut man sich vorbereitet, es kommt immer anders als man denkt. Das dachte man sich am Sonntagmorgen wohl auch bei Huawei, als die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, dass Google nicht mehr mit dem chinesischen Smartphone-Konzern zusammenarbeiten darf. Google liefert mit dem Smartphone-Betriebssystem Android eine der wichtigsten Komponenten der Huawei-Smartphones.

Krisenstimmung bei Huawei

Der Grund für das plötzliche Aus: Trump setzte Huawei vergangenen Donnerstag auf eine schwarze Liste von Unternehmen, mit denen US-Unternehmen nicht mehr zusammenarbeiten dürfen. Der US-Präsident wollte damit den politischen Druck auf China erhöhen, mit dem man sich derzeit in einem Handelskrieg befindet. Doch dabei dürfte Trump auch der heimischen Wirtschaft erheblichen Schaden zugefügt haben.

Insbesondere Google verliert mit Huawei einen der wichtigsten Partner. Das chinesische Unternehmen wuchs zuletzt rasant, allein im Vorjahr lieferte man mehr als 200 Millionen Geräte aus. In den vergangenen Monaten überholte Huawei sogar Apple, dieses Jahr hätte man wohl auch dem südkoreanischen Konkurrenten Samsung die Marktführerschaft abgenommen, wie die Verkaufszahlen des kürzlich veröffentlichten Flaggschiff-Smartphones P30 Pro andeuteten.

Daraus wird nun wohl nichts mehr. Derzeit ist das Unternehmen eher um Schadensbegrenzung bemüht. Trotz mehrmaliger Nachfrage wollten sich hochrangige Huawei-Mitarbeiter nicht zu der Angelegenheit äußern. Man bespreche vieles noch intern in Krisengesprächen, in denen man nach Lösungen suche. Auch zahlreiche Termine von Richard Yu, dem CEO der Consumer-Sparte, wurden abgesagt, unter anderem auch ein Interview mit der futurezone.

Faltbares Smartphone wackelt

Der Konzern steht durch die Entscheidung des US-Präsidenten vor mehreren Problemen. Einerseits kann man keine neuen Produkte mit dem Betriebssystem Android auf den Markt bringen. Das betrifft unter anderem das 2300 Euro teure faltbare Smartphone Mate X, das im Sommer veröffentlicht werden sollte. Auch Google arbeitete am ungewöhnlichen Gerät mit, um Android an die faltbare Funktionsweise anzupassen. Zudem darf man jene Nutzer, die bereits ein Smartphone von Huawei besitzen - in Österreich etwwa jeder Dritte - nicht mehr mit offiziellen Updates beliefern.

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Insbesondere die Update-Problematik bereiten dem Konzern und Experten Kopfzerbrechen. Android ist das derzeit beliebteste Smartphone-Betriebssystem und dementsprechend ohnehin ein beliebtes Ziel von Angreifern. Wenn Hacker aber auch wissen, dass gewisse Sicherheitslücken bei Huawei-Geräten offen bleiben, könnten diese nochmals verstärkt ins Visier genommen werden.

Huawei betonte in einer ersten Stellungnahme, dass alle bislang produzierten Geräte weiterhin Sicherheitsupdates erhalten werden. Wie das jedoch gelingen soll, ist unklar. Google stellt die wichtigsten Android-Sicherheitsupdates selbst im Monatstakt bereit, diese betreffen aber nur Teile des Betriebssystems. Huawei hat keinen Zugriff auf den Code der von Google entwickelten Android-Komponenten, um entdeckte Lücken zu schließen. Auch Google konnte bislang nur garantieren, dass man weiterhin Apps über den Play Store aktualisieren können wird. Abgesehen davon gab man sich ähnlich wortkarg wie Huawei.

Huawei betont bereits seit mehreren Jahren, dass man für einen derartigen Fall ein eigenes Betriebssystem für Smartphones, Tablets und Laptops entwickelt habe. Doch mit der Ausnahme dieser Ankündigung ist kaum etwas über die angebliche Android-Alternative bekannt. Das Problem ist wohl auch weniger das Betriebssystem selbst, als vielmehr das Ökosystem dahinter. Hier dominieren Apples App Store und Googles Play Store, nennenswerte Alternativen gibt es nach dem Aus von Windows Mobile keine mehr. Ein Huawei-Manager gab auf Anfrage der futurezone Ende März an, das hauseigene Betriebssystem nicht zu kennen und beteuerte, man wolle derzeit nicht auf Android verzichten.

Zahlt sich ein Huawei-Smartphone noch aus?

Huawei hat zumindest Erfahrung mit Android ohne Google-Apps, denn in China wird es bereits in dieser Form ausgeliefert. China blockiert bereits seit 2010 die Google-Suche, 2014 folgten die restlichen Google-Dienste. Ob ein Smartphone in dieser Form Erfolg hätte, ist aber zweifelhaft. Nokia versuchte es beispielsweise 2014 mit der X-Reihe, die auf eine stark angepasste Android-Version ohne Google-Apps setzte. Das Experiment wurde nach nur wenigen Monaten wegen Erfolglosigkeit beendet.

Auch das Installieren der Google-Apps ist nur mühsam möglich und bleibt Nutzern mit technischem Wissen vorbehalten. Wie Huaweis aktualisierte Version von Android aussehen wird, könnte sich womöglich bereits am Dienstag zeigen. Huaweis-Tochtermarke Honor wird dann den Europa-Start des Honor 20 in London feiern, die Veranstaltung wurde nicht verschoben. Dennoch ist es schwer vorstellbar, dass sich die Smartphones ohne Google-Ökosystem weiterhin so gut verkaufen wie zuvor. Huawei verkaufte 2018 knapp 206 Millionen Smartphones, davon gingen 105 Millionen Stück nach China, 101 Millionen an den Rest der Welt.

Suche nach neuen Partnern

Google ist nicht das einzige Unternehmen, das vorerst keine Geschäfte mehr mit Huawei machen kann. Auch die Chip-Hersteller Intel, Qualcomm, Xilinx und Broadcom werden den chinesischen Konzern nicht mehr mit Bauteilen beliefern. Bloomberg zufolge hat Huawei sich aber auf eine mögliche Eskalation vorbereitet und ausreichend Komponenten von diesen Herstellern im Vorfeld gekauft, um zumindest drei Monate lang weiter produzieren zu können. Offen bleibt auch, ob Huawei weiterhin Windows-Geräte ausliefern darf, da es sich bei Microsoft ebenfalls um ein US-Unternehmen handelt. Huawei wollte das vorerst nicht kommentieren, eine Anfrage bei Microsoft läuft.

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Der Reuters-Bericht ließ auch die Aktienkurse zahlreicher internationaler Zuliefer-Unternehmen abstürzen, die zumindest rechtlich nicht an den Trump-Erlass gebunden sind. Der steirische Halbleiterhersteller ams, der an der Schweizer Börse gehandelt wird, verlor fast zehn Prozent. Ein Sprecher ließ jedoch verlautbaren, dass Huawei weiterhin Kunde sei. Der deutsche Chipkonzern Infineon, der Berichten zufolge ebenfalls Teile seiner Lieferungen an Huawei einstellte, verlor zeitweise knapp fünf Prozent an Unternehmenswert.

Die Zuliefer-Probleme haben nicht nur Auswirkungen auf das Consumer-Geschäft mit Smartphones, Tablets und Laptops, sondern auch auf die Netzwerk-Sparte. Diese beliefert weltweit Mobilfunker mit Hardware, unter anderem für den Aufbau der 5G-Netze. Genau das könnte sich in zahlreichen Ländern nun durch den Ressourcen-Mangel erheblich verzögern.

Obwohl man mit HiSilicon eine eigene Chip-Entwicklung besitzt, lässt sich dieses Problem aber nicht so einfach lösen. Laut Reuters entwirft HiSilicon seine Chip-Designs mit Software von US-Herstellern, Alternativen sind rar und derzeit nicht im Unternehmen im Einsatz. Zudem ist man auf die verfügbaren Kapazitäten von Zulieferern wie TSMC angewiesen, die die physischen Chips für Huawei produzieren.

Politischer Wettkampf

Es bleibt nun abzuwarten, wie die chinesische Regierung auf die Ausnahmesituation reagieren wird. Huawei ist mit 107 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz eines der größten chinesischen Unternehmen und gilt als technologisches Aushängeschild. Bereits in den vergangenen Wochen häuften sich auf chinesischen Social-Media-Plattformen die Forderungen, Apple aus China zu verbannen. China ist hinter den USA und Europa der drittwichtigste Markt für den iPhone-Hersteller, allein im Vorjahr erwirtschaftete man dort mehr als 52 Milliarden US-Dollar. Zuletzt verlor man aber stark Marktanteile an die chinesische Konkurrenz, die ihre Geräte dort wesentlich günstiger anbietet.

Ein Indikator, wie die Geschichte weitergehen könnte, liefert der Fall ZTE. Der chinesische Huawei-Konkurrent wurde im März 2017 zu 1,19 Milliarden US-Dollar Geldstrafe verurteilt, weil man trotz Sanktionen Hardware an Iran und Nordkorea verkaufte. ZTE bezahlte die Strafe, kam jedoch Forderungen nach der Kündigung der involvierten Personen nicht nach. Daraufhin verhängten die USA eine weitere Strafe: US-Unternehmen dürfen ZTE sieben Jahre lang nicht beliefern. Die Sperre wurde zwar nach drei Monaten aufgehoben, dem gingen aber heftige Verhandlungen der Regierungen, mehrere zusätzliche Strafzahlungen sowie ein drohender Bankrott des Konzerns voraus.

Ob sich Huaweis Fall auf ähnlichem Weg lösen lässt, ist unklar. Trumps Beweggründe sind ähnlich, auch wenn bei ZTE ein Verstoß gegen US-Sanktionen der Auslöser war. Der US-Präsident will China bereits seit mehreren Monaten dazu drängen, Handelsabkommen neu zu verhandeln, um dabei bessere Konditionen herauszuschlagen. Um den fernöstlichen Riesenstaat dazu zu bewegen, verhängte er hohe Strafzölle auf zahlreiche Waren, die China in die USA exportiert.