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So klimaschädlich ist das Internet

Rechenzentren und Serverfarmen haben einen enormen CO2-Ausstoß. Bewusstere Nutzung kann die Situation verbessern.
Barbara Wimmer Barbara Wimmer Anita Staudacher Anita Staudacher

Wie viel Energie wird eigentlich beim Recherchieren für einen Artikel verbraucht? Zwei Stunden im Browser Firefox bedeuten 898 MB an übertragenen Daten, die umgerechnet 0,237 Kilowattstunden ausmachen. Die CO2-Emissionen der Recherchen im Browser entsprechen damit 15 geladenen Handys oder einer Fahrt von 0,5 Kilometern mit dem Auto, wie mir das Browser-Plugin „Carbonalyser“ anzeigt. „Die Grundproblematik beim Internet ist, dass sich niemand bewusst ist, was für ein Energieaufwand dahinter steckt“, erklärt Erik Albers, Experte für nachhaltige Software, im Gespräch mit der futurezone. Das Plugin wurde von Richard Hanna und Gauthier Roussilhe vom Shift Project (PDF) entwickelt, um den Energieverbrauch für umweltbewusste Nutzer sichtbar zu machen.

Plakative Vergleiche

„Mit einem Mausklick schickt man Nachrichten über die ganze Welt und das Internet ist jederzeit verfügbar. Aber dass dahinter Server-Landschaften, die eine Fläche von 185 Millionen Quadratmeter haben, stecken, sieht man nicht“, sagt Albers. Google sagt von seiner Suchmaschine, dass bei jeder Suchanfrage 0,2 Gramm CO2 produziert werden. Dabei muss allerdings angemerkt werden, dass diese Zahl aus einem offiziellen Blog-Eintrag aus 2009 stammt und es möglich ist, dass die Infrastruktur mittlerweile effizienter betrieben werden kann.

0,2 Gramm CO2 klingt wenig, aber wenn man bedenkt, dass jeden Tag mehr als 3,5 Milliarden Klicks via Google generiert werden, sieht man die Relationen. „Mit dem Stromverbrauch eines Suchklicks könnte man außerdem eine Glühbirne elf Sekunden zum Leuchten bringen“, meint der Physiker Werner Gruber, damit sich Nutzer die Ausmaße ihres Energieverbrauchs besser vorstellen können. 

„Wäre das Internet ein Land, wäre es permanent in den Top fünf der Länder mit dem meisten Stromverbrauch zu finden“, fügt Albers hinzu. Am meisten Energie verbraucht dabei übrigens das Streamen von Videos. 34 Prozent des globalen Datenverkehrs entstehen durch das Streamen von Videos bei Anbietern wie Netflix und Amazon Prime. An zweiter Stelle kommt Online-Pornografie. „Alleine der Pornokonsum produziert so viel CO2 wie Rumänien“, vergleicht Albers. Das „Shift Project“ hat in seiner Studie herausgefunden, dass Pornografie etwa 27 Prozent des Online-Video-Konsums ausmacht und etwa 60 Prozent des Datenverkehrs durch Streaming entsteht.

Klimasünder oder doch nicht?

Doch es wäre zu einfach, Streaming-Dienste generell als Klimasünder hinzustellen. Denn sowohl das Konsumverhalten als auch das Marktangebot haben sich im Laufe der Zeit verändert, weil der Speicherplatz sowie die Datenübertragung immer billiger geworden sind. Allerdings darf man nicht vergessen, dass auch die Produktion von VHS-Kassetten oder DVDs CO2-Ausstöße verursacht hat.

Forscher der Universität Bristol untersuchten, wie viel Emissionen der Konsum von Filmen via Video-Streaming am Computer im Vergleich zu herkömmlichen TV-Geräten verursachen. Dabei fanden sie heraus, dass ein Film mit einer Länge von 90 Minuten über herkömmliche Kanäle wie Satelliten- oder Kabelfernsehen und gestreamt via Laptop ähnlich viel Energie verbrauchen. Am klimaschädlichsten sei es, hochauflösende Videos am TV-Gerät zu streamen, so die Forscher.

Forscher der Universität Glasgow haben zudem untersucht, wie viel Emissionen die Produktion von Vinyl und CDs im Jahr 2000 verursacht hatten und sind auf 157 Millionen Kilogramm gekommen. Nicht miteingerechnet waren dabei allerdings die Produktion von Plastik sowie die Transportwege, die physische Produkte bis zum Endkonsumenten zurückgelegt haben. Die Emissionen für das Speichern und Übertragen von digitaler Musik betrugen im Jahr 2016 allerdings bereits 200 Millionen Kilogramm. „Digitale Musik ist nicht unsichtbar, sondern hinterlässt ebenfalls einen ökologischen Fußabdruck“, lautete ihr Ergebnis.

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So kann man beim Streaming Energie sparen

Der ThinkThank Shift Project aus Frankreich schlägt als Handlungstipp etwa vor, „Autoplay“ zu deaktivieren und Videos je nach Plattform nicht immer in der höchsten Qualität anzuschauen. Gauthier Roussilhe hat dazu etwa ein Plugin entwickelt, mit dem man sich Inhalte runterrechnen lassen kann, es auf seinem Endgerät noch immer gut aussieht, und man somit beim Video-Streaming aber zumindest Energie spart.

Laut den Forschern aus Frankreich sei es am schädlichsten, wenn man Filme auf seinem Smartphone über eine mobile Datenverbindung streamt. Bereits wesentlich sparsamer sei es, Videos in niedriger Auflösung im WLAN anzusehen. „Das hätte einen enormen Effekt, wenn viele Menschen das bei großen Streaming-Blockbustern machen würden“, sagt Albers und zeigt die Auswirkungen anhand eines kleinen Beispiels: So habe das Wikipedia-Logo etwa eine Größe von 45 Kilobyte gehabt, aber auch mit 20 Kilobyte sah es noch gut aus. Die Wikipedia hat etwa 170 Millionen Besucher pro Monat, und allen werde dieses Logo eingeblendet. „Mit der Verkleinerung können 4.250 GB gespart werden. Das sind 21.250 Kilowattstunden – oder so viel Energie, wie neun Zwei-Personen-Haushalte pro Jahr verbrauchen“, rechnet Albers vor. „Jetzt kann man sich ungefähr vorstellen, wie viel Energie man sparen könnte, wenn jeder die Qualität der Video-Streams reduzieren würde“, so der Experte für digitale Nachhaltigkeit.

CO2-Steuer auf Datenübertragung

Doch man dürfe die Verantwortung nicht auf die Internet-Nutzer abwälzen. „Weil Speicherplatz und Datenübertragung so günstig sind, wird kaum Wert darauf gelegt, zu sparen. Wenn jeder Provider einen geringen Beitrag als CO2-Steuer zahlen müsste, dann könnte man diese Negativentwicklung möglicherweise einbremsen“, merkt Albers an. „Durch die Skalierung hätte das vor allem bei großen Anbietern rasch Effekte.“

Doch das Internet wächst derzeit noch exponentiell – und somit auch sein ökologischer Fußabdruck. In Zukunft werden noch mehr Rechenzentren benötigt, weil auch Dinge wie Kühlschrank oder Lampen mit dem Internet verbunden werden. Technologieriesen wie Apple, Facebook oder Google generieren bereits den überwiegenden Teil ihres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien, andere nicht. Laut dem „Clean Energy Index“ von Greenpeace schneiden Amazon Web Services, die auch Daten von Netflix, Pinterest und Spotify hosten, am schlechtesten ab. 80 Prozent des Stroms wird aus Kohle-, Atom- oder Gaskraftwerken bezogen. 

Auch Plattformen wie Alibaba werden mit Kohle- und Atomstrom betrieben. „Wie klimaschädlich das Internet ist, hängt davon ab, woher der Strom kommt: Ob aus extrem klimaschädlichen Kohlekraftwerken, sprich dreckiger Strommix, oder aus Wind- und Solaranlagen, also Ökostrombetreibern“, sagt Greenpeace-Klimasprecherin Jasmin Duregger. Aber was ist nun klimaschädlicher: Ein Kinobesuch oder Streaming? „Kommt darauf an“, meint Duregger. „Verwende ich zu Hause und mein Streaming-Anbieter Ökostrom, kann das klimafreundlicher sein, als alleine mit dem SUV in das 20 Kilometer entfernte Kino zu fahren und den Film in einem halbleeren Saal anzuschauen.“

Hier braucht es also noch mehr Bewusstsein – und Handeln seitens der Politik. „Für uns als Verbraucher ist es wichtig, dass wir anfangen, Energiesparsamkeit einzufordern. Je mehr Menschen den Wunsch formulieren, auf das Klima zu achten, desto eher nimmt die Politik das auf“, sagt Albers.

Rechenzentren

Wer seine Lieblingsserie auf Netflix oder Amazon Prime übers Web abruft, sollte wissen: Für das Abspielen des Films am Tablet oder Smart-TV werden Daten um die ganze Welt geschickt. Die Inhalte werden in Cloud-Servern in voll klimatisierten Rechenzentren bereitgestellt.

„Zunehmend digitale Anwendungen treiben den Stromverbrauch in Rechenzentren intensiv nach oben“, weiß Alexander Windbichler, Gründer und Chef von Anexia. Der Kärntner Internet-Dienstleister nimmt Unternehmen die Web-Infrastruktur ab und hostet an mehr als 90 Serverstandorten Web-Inhalte für 10.000 Firmen-Kunden, darunter auch Netflix. „30 Minuten der Lieblingsserie bei Netflix anschauen, verbraucht so viel wie eine sechs Kilometer lange Autofahrt“, nennt Windbichler ein Beispiel.

Mehr Strom als Städte Auch wenn Anexia nur ein großes Rechenzentrum in Wien selbst betreibt und sich an anderen Standorten einmietet, verbrauche das Unternehmen mehr Strom als ganze Städte, sagte Windbichler. Wie hoch der exakte Stromverbrauch der einzelnen Zentren sei, hänge von Auslastung, Nutzung und innovativer Kühltechnologie ab, sagt Windbichler. „Bei der Evaluierung unserer Rechenzentren versuchen wir möglichst jene Zentren mit der besten Effizienz zu wählen“.

Software-Steuerung

Dies sei auch im Interesse der Kosteneffizienz, denn ein ineffizientes Datenzentrum müsse die Kosten auf die Kunden umlegen. Und Energie sei einer der Hauptkostenfaktoren bei Anexia. Eine effizientere Energienutzung erreichen die Kärntner etwa durch Hardware-Tausch oder eine eigens entwickelte Software-Steuerung.

Diese könne den Ressourcenbedarf besser berechnen und so die Auslastung der Systeme optimieren. „Es spielen aber auch indirekte Faktoren eine Rolle. So hilft das effizienteste Rechenzentrum nichts, wenn alle Techniker täglich eine Stunde mit dem Auto dorthin fahren müssen“, gibt Windbichler zu bedenken. 

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