APA - Austria Presse Agentur

Brexit - Kurz in London: "Theresa May den Rücken stärken"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will mit seinem Besuch in London auch Premierministerin Theresa May "den Rücken stärken bei ihrem Kampf, eine Mehrheit für diesen Deal zu organisieren". Das sagte Kurz im Vorfeld des Treffens mit seiner Amtskollegin, das für Donnerstagmittag geplant war, unter Verweis auf das von Großbritannien und der EU erzielte Austrittsabkommen.

"Wir erleben gerade die heiße Phase auf dem Weg zum Brexit. Es gab einen Deal zwischen Großbritannien und der Europäischen Union. Dieser muss jetzt aber noch die Zustimmung in den Parlamenten - vor allem auch im britischen Parlament - finden", so Kurz am Mittwochabend zur APA. Er sei auch in London, um ein "realistisches Bild zu bekommen, wie groß die Chancen sind, dass es eine Mehrheit für diesen Deal gibt", fügte der Bundeskanzler, der als Vertreter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft nach Großbritannien gereist war, hinzu.

"Unser großes Ziel ist es, einen 'Hard Brexit' zu vermeiden, also zu versuchen, dass der Schaden, der durch den Brexit entsteht, nicht ins Unermessliche wächst. Der Schaden ist ohnehin für die Europäische Union, aber natürlich auch vor allem für Großbritannien gegeben", sagte Kurz.

Sein Eindruck sei, dass May alles versucht habe, um ihr Kabinett zu stabilisieren. "Es ist auch positiv, dass ihr Kabinett so schnell dem verhandelten Deal zugestimmt hat. Auf europäischer Ebene sind wir sehr gut unterwegs, dabei die Einheit der EU27 zu halten." Allerdings stehe die Abstimmung im britischen Parlament noch aus, "und da weiß noch niemand, wie diese ausgehen wird".

Vergangene Woche wurde in den seit Juni 2017 laufenden Brexit-Verhandlungen eine Einigung auf einen Entwurf für das Austrittsabkommen erzielt. May bekam dafür am Mittwoch die Zustimmung von ihrem Kabinett, am Donnerstag traten jedoch mehrere Regierungsmitglieder aus Protest gegen die Pläne zurück. Unter ihnen war auch der zuständige Brexit-Minister Dominic Raab.

Großbritannien ist in der Brexit-Frage weiter tief gespalten, was auch für die politischen Parteien gilt. Gegenwind verspürt May in ihrer Konservativen Partei vor allem von Brexit-Hardlinern, die für einen klareren Bruch mit der Europäischen Union nach dem Austritts-Stichtag 29. März 2019 eintreten. Zuletzt wurde immer wieder über einen möglichen Misstrauensantrag gegen die Premierministerin aus ihrer eigenen Partei spekuliert.

Kurz' vorhergehender Besuch in London im Sommer fiel auf einen innenpolitisch höchst turbulenten Tag für May, an dem gleich zwei prominente Mitglieder ihrer Regierung im Streit über den EU-Austrittskurs den Hut nahmen: Sowohl Außenminister Boris Johnson als auch Brexit-Minister David Davis, Raabs Amtsvorgänger, traten am 9. Juli zurück.

Gefragt, ob er diesmal wieder einen turbulenten Tag in London erwarte, sagte Kurz: "Ich glaube, die Zeiten sind aufregend genug, da braucht es keine weiteren Rücktritte oder Destabilisierungen. Ich hoffe, dass es gelingt, diesen schwierigen Akt des Brexits möglichst geordnet über die Bühne zu bekommen, denn das ist auch die Basis, um ein zukünftiges Verhältnis auszuverhandeln, das für beide Seiten von Vorteil wäre."

Unterdessen versuchten Theresa May und ihr spanischer Amtskollege Pedro Sanchez in einem Telefonat, die Differenzen in der Gibraltar-Frage auszuräumen. May habe ihre Haltung bekräftigt, nur ein Brexit-Abkommen zu schließen, das für das gesamte Vereinigte Königreich, einschließlich der Enklave Gibraltar gelte, wie ihr Büro am Mittwochabend mitteilte. Sanchez droht mit der Verweigerung seiner Zustimmung zum Brexit-Abkommen, sollte darin nicht deutlich gemacht werden, dass über die Zukunft Gibraltars in Verhandlungen zwischen London und Madrid entschieden werde.