APA - Austria Presse Agentur

Bruckbauer: Zollunion der Briten mit EU ist nun wahrscheinlicher

Nach der Abstimmungsniederlage im britischen Parlament für das EU-Austrittsabkommen ist, laut Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer, die Wahrscheinlichkeit für eine Zollunion der Briten mit der EU gestiegen.

"Die größere Wahrscheinlichkeit ist, dass wir einen Deal bekommen, der etwas softer ist als die May-Version - im Bereich einer Zollunion mit der EU", so Bruchbauer gegenüber der "APA". Das wäre ein "Soft Brexit", wie ihn allerdings die Hard-Brexit-Befürworter in der Partei von Premierministerin Theresa May, den Tories, massiv ablehnen. May werde also möglicherweise versuchen, die Soft-Brexit-Befürworter in der Labour-Partei, bei den Unabhängigen und in anderen Parteien zu gewinnen, um einen Deal in Richtung Zollunion zu erreichen.

Nach der gestrigen Abstimmungsniederlage hätten die Märkte sehr ruhig reagiert, denn das Ergebnis war erwartet worden. "Jeder hat gewusst, dass sie es nicht schaffen", erklärt Bruckbauer. Auf den Märkten herrsche die Meinung, dass das Ergebnis von gestern eher in Richtung eines weicheren als eines härteren Brexit deuten würde - "und ein softer Brexit ist positiv für die Wirtschaft".

Sollte May am Mittwochabend das Misstrauensvotum gegen sie überstehen und eine Mehrheit für eine Art Zollunion finden, dann müsste sie noch mal zur EU gehen, um das abzusichern. Die EU hätte damit wohl keine Probleme, denn dann würde das Land zumindest in einer Zollunion bleiben, auch wenn es aus dem Binnenmarkt austrete. Für den Warenhandel wäre das eine einigermaßen konfliktfreie Zukunft. Für Großbritannien wäre eine Zollunion mit der EU deutlich besser als gar kein Deal, so Bruckbauer.

Bei einer Zollunion würden die Hard-Brexit-Fans allerdings verkünden, der Brexit habe gar nicht funktioniert, weil die Briten ja nicht frei Zölle vereinbaren können. "Das gibt es aber gar nicht", so Bruckbauer, der im bisherigen Brexit-Prozess ein lehrreiches Anschauungsbeispiel für populistische Politik sieht: "Dinge versprechen, die es so nicht gibt, und dann scheitert man bei der Umsetzung." In Wirklichkeit sei Politik kompliziert und man müsse Kompromisse machen.

Der "Krawall" um den Brexit führe den Menschen die Problematik populistischer Politik vor Augen, meint der Ökonom: Jeder agiere nach kurzfristiger politischer Optimierung, das sei aber kein vernünftiges langfristiges Handeln.

Der Vorteil einer Zollunion wäre, dass es an den Grenzen zwischen Großbritannien und der EU keine Kontrollen gäbe. Das würde auch das Irland-Thema leichter machen. Großbritannien müsste das Außenregime der EU übernehmen, könnte also nicht frei Zölle vereinbaren. Das wäre kein Aufschnüren des mit der EU vereinbarten Pakets, sondern ein Vorgriff auf den Dauerzustand nach der Übergangsphase. Die EU habe auch mit der Türkei eine Zollunion.

Für London als Finanzzentrum würde aber auch eine Zollunion Einschränkungen bedeuten, denn der Austritt aus dem Binnenmarkt verhindere, Finanzprodukte in Großbritannien registrieren und dann in der ganzen EU verkaufen zu können. Um am Binnenmarkt weiter teilzunehmen müssten die Unternehmen Filialen in der EU gründen. "Das Finanzzentrum London ist sicher nicht beendet, aber gewisse Aktivitäten müssen verlegt werden". Die inzwischen große Rolle Londons im Bereich Consulting und Recht hänge davon ab, ob die dafür notwendigen Experten aus aller Welt weiterhin in London arbeiten dürfen.

"Es ist schade dass Großbritannien austritt, sie haben trotz aller Sonderregelungen doch einen Beitrag geleistet", bedauert der Ökonom. Die Briten seien für den Euroraum der zweitwichtigste Handelspartner. Auch die österreichische Wirtschaft sei betroffen, denn 1,5 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) hänge an Großbritannien. Österreich erziele im Außenhandel mit den Briten Überschüsse, wenn sich also der Handel verschlechtere, dann verliere Österreich mehr als die Briten.

"Der Austritt der Briten schwächt Europa - Schadenfreude ist hier nicht angesagt", so Bruckbauer. Im Kontext mit den USA und China sei es nicht gut, wenn Europa in Kleinstaaterei zurückfalle. London habe eine große Expertise und sei sehr international, das könne man nicht woanders "nachmachen". Vom Austritt würden in Europa einzelne profitieren, "aber in Summe ist das für uns nicht gut".