APA - Austria Presse Agentur

Elevate Graz: Aufdecken von Fake News als Heidenarbeit

Das Grazer Elevate Festival - heuer unter dem Generalmotto "Truth" beschäftigte sich Donnerstagnacht in einer Diskussion im Kunsthaus mit "Fake News - warum sind Lügen ein Problem für die Demokratie?" Einig waren sich die vier Diskutanten, dass der Begriff Fake News inflationär verwendet werde und das Aufdecken von gezielten Falschinformationen eine Heidenarbeit sei. Da stehe man erst am Anfang.

Wolfgang Bogensberger, stellvertretender Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, wollte zu Beginn den Begriff Fake News definiert wissen: "Desinformation beschreibt es treffender, es geht um Irreführung und Täuschung, um die Verwendung unrichtiger Tatsachen, was ist freie Meinungsäußerung, wo beginnt die Lüge?" Das Funktionieren der Gesellschaft beruhe auf dem vertrauenswürdigen freien Wettbewerb der Ideen und der Information. "Und es gibt Systeme, die nicht unsere Werte und unsere Grundhaltung teilen", so Bogensberger. Nach den Giftanschlägen auf Vater und Tochter Skripal in Großbritannien sei die EU East StratCom Task Force (Strategisches Kommunikationsteam Ost) des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) geschaffen worden. Damit solle Desinformation erkannt, öffentlich gemacht, bloßgestellt und somit unwirksam gemacht werden. Rund 4.500 Fälle habe man seit 2015 bearbeitet.

Einige von StratCom geprüfte Fälle aus den vergangenen zwei Wochen griff Bogensberger heraus. Im Nachrichtenportal Sputnik wurde berichtet, Polen arbeite an der Errichtung seines alten Reiches, zusammen mit alten Nazis in der Ukraine und plane eine Intervention in Weißrussland. Eine weitere Meldung offenbar russischen Ursprungs bezichtigte Lettland der Unterstützung der Tötung von Walen, da Walfleisch aus Norwegen gekauft werde. Der Sender Russia Today habe laut Bogensberger in den vergangen Monaten Bilder von leeren Supermarktregalen in Venezuela gezeigt. Als Russland Unterstützung für Präsident Nicolas Maduro bekundete, waren Videos von Läden mit vollem Angebot zu sehen. "Manche Desinformationen sterben ab, manche werden aber durch Bots und Fake Accounts und Naivität weiter verbreitet", so Bogensberger, der mit der EU-Wahl besonders sensible Wahltage bevorstehen sieht: "Es geht immerhin um rund 380 Millionen Wahlberechtigte."

Thomas Lohninger, Geschäftsführer der netzpolitischen Bürgerrechtsorganisation "Epicenter.works" in Wien, sah in Fake News nichts Neues. "Schlechte Berichterstattung gab es immer schon, neu ist die Ökonomie dahinter. Es ist ein Geschäftsmodell im Internet. Nutzerprofile werden an den Meistbietenden, unsere Aufmerksamkeit dem Werbekunden verkauft, daher ändert sich auch Journalismus", sagte Lohninger unter anderem. Von personalisierter Werbung wegzukommen wäre ein guter Weg. Und, schlug Lohninger einen großen Bogen: "Presseförderung könnte man an die Mitgliedschaft im Presserat binden." Ein Grundproblem sei auch die rasante Geschwindigkeit der Verbreitung, gleichzeitig gebe es enorme Intransparenz auf den Portalen. "Für die ist eine Sache nur relevant, wenn sie lange auf der Plattform bleibt, darauf ist alles optimiert. Das geht über Emotion, ganz egal welche, Hoffnung, Freude, Hass, Lachen. Das funktioniert bei Barack Obama mit 'Hope' und 'Change', bei Donald Trump mit Isolation und 'Make America great again'."

Barbara Wimmer, Redakteurin bei der Tageszeitung "Kurier" berichtete, sie sei ständig mit Desinformation konfrontiert: Das gehe seltsame Wege, nannte sie einen "Bericht" der Satire-Plattform "Der Postillon": "Da ging es um den Knöchelschal. Wir verstehen das rasch als Satire. In den USA wurde das ernst genommen und wurde ein Trend." In Echtzeit arbeiten heiße z. B. auf Tweets reagieren: "Dann heißt es, mach' schnell was dazu." Passierten da aufgrund von Zeitdruck Fehler, so Wimmer, würde sie diese nicht als Fake News oder gezielte Desinformation bezeichnen: Das ist einfach schlechter Journalismus." Andererseits würden Geschichten - z. B. 15-mal gegengecheckt und mit acht Gesprächspartnern geführt - unter Fake News eingereiht, wenn jemand die Grundrichtung nicht passe.

Der tschechische Investigativjournalist Jan Molacek zog einen Vergleich zu George Orwells "1984". "Wenn du früher Politiker warst und etwas nicht wolltest, hast du es unterdrückt und vernichtet. Aber die Winston Smiths von heute vernichten nicht, sie produzieren eine Masse an sogenannter Information. Da zu entscheiden, was richtig, real oder fake ist, ist sogar für trainierte Journalisten schwierig", sagte Molacek. Hätte ihm jemand vor 15 Jahren gesagt, es werde eine Plattform geben, auf der jeder alles sagen könne, hätte er geantwortet: "Wow, die Demokratie ist gesichert auf ewig." Und niemand könne sagen, wie die Situation in fünf Jahren sei. Es gehe vor allem darum, einen "Medien-Analphabetismus" zu vermeiden. Molacek verglich das Hereinfallen auf Fake News mit der "Financial Illiteracy" gleich nach der "Samtenen Revolution" in der Tschechoslowakei. "Viele meiner Landsleute wussten nichts über Bankprodukte und Risiken, sie verloren alles. Die selbe Situation haben wir nun mit Desinformation. Wir trauen allen, die daherkommen, und sagen, was man hören will." Die "Financial Illiteracy" wurde gestoppt, so etwas brauche man nun in Hinblick auf Medien: "Wer dir fünf Prozent Zinsen verspricht, aber nichts über sich sagen will, ist im übertragenen Sinn eine schlechte 'Quelle'", sagte Molacek.

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