APA - Austria Presse Agentur

Endet Schach-WM mit einer Armageddon-Partie?

Wer ist der beste Schachspieler der Welt? Die Antwort darauf liefert das letzte Kapitel der Schach-WM in London zwischen dem amtierenden Weltmeister Magnus Carlsen und seinem Herausforderer Fabiano Caruana. Nachdem die zwölf regulären Partien mit klassischer Bedenkzeit alle remis endeten, entscheidet am Mittwoch der Tiebreak darüber, wer den Titel tragen darf.

Rückblende auf die zwölfte Partie am Montag: Der Norweger Carlsen ist mit Schwarz von Beginn an am Drücker und hat den Italo-Amerikaner Caruanas Armee auf dem Brett zurückgedrängt. Außerdem hat er einen großen Vorsprung bei der verbleibenden Bedenkzeit. Alle Zuschauer im Saal und Hunderttausende Fans, die weltweit die Live-Ticker verfolgen, rechnen mit einer dramatischen Schlussphase.

Dann aber die große Überraschung: Mit seinem 31. Zug bietet der 27-jährige Carlsen ein Remis an. Der ein Jahr jüngere Amerikaner mit italienischen Wurzeln denkt kurz nach, Caruana kann aber unmöglich ablehnen. Das bedeutet: Tiebreak.

Diese Verlängerung bei der WM, die eine Entscheidung erzwingen soll, besteht aus mehreren Schritten. Zuerst werden vier Schnellschach-Partien gespielt. Dabei hat jeder Spieler eine Bedenkzeit von 25 Minuten, plus 10 Sekunden Zeitgutschrift pro Zug. Falls danach immer noch kein Sieger feststeht, folgen fünf Blitz-Mini-Matches à zwei Partien, mit fünf Minuten Bedenkzeit pro Spieler und drei Sekunden Zeitgutschrift pro Zug.

Falls nach keinem der Mini-Matches ein Sieger feststeht - was recht unwahrscheinlich ist -, folgt dann eine finale sogenannte Armageddon-Partie. Hier hat Weiß fünf Minuten Bedenkzeit und Schwarz nur vier Minuten plus jeweils drei Sekunden Zeitgutschrift ab dem Zug 61. Weiß muss die Partie gewinnen, Schwarz reicht dann ein Remis. Kurzum: Es kann ein langer Nervenkrieg werden.

Natürlich kam nach der zwölften Partie die Frage auf, warum Carlsen nicht sofort die Entscheidung gesucht hat. Seine selbstbewusste Antwort: "Ich denke, dass ich sehr gute Chancen habe, den Tiebreak zu gewinnen. Vor der heutigen Partie dachte ich, dass es gut ist, den Tiebreak zu erreichen. Ich bin immer noch froh darüber."

Schon 2016 verteidigte Carlsen seinen Titel gegen den Russen Sergej Karjakin im Tiebreak erfolgreich mit 3:1. Damals gab er sogar die zwölfte Partie mit Weiß ohne Kampf remis, um in die Verlängerung zu gehen.

Die Schnellschach-Weltrangliste führt er als klare Nr. 1 an, mit einer Elo-Zahl von 2.880 - diese Punktzahl gibt die Spielstärke wieder. Caruana ist dagegen mit fast 100 Punkten Rückstand nur die Nr. 8 der Welt. Im Blitzen ist die Sache sogar noch deutlicher. Carlsen ist mit einer Wahnsinnszahl von 2.939 die Nr. 1, Caruana mit 2.767 die Nr. 16. Außerdem war Carlsen schon drei Mal Blitzschach- und zwei Mal Schnellschach-Weltmeister.

Caruana scheint das aber alles nicht zu beeindrucken. Vor einigen Tagen äußerte sich der in Brooklyn aufgewachsene Großmeister schon, dass er sich nicht als Außenseiter sieht im Tiebreak. Und der Ausgang der zwölften Partie gab ihm Auftrieb: "Ich bin erleichtert, da ich dachte, dass es sehr eng ist. Wenn du glaubst, dass du am Rand des Verlusts stehst, dann ist der Tiebreak eine gute Option."

Sollte Caruana gewinnen, könnte er den amerikanischen Schachtraum wiederbeleben: 46 Jahre, nachdem Robert James "Bobby" Fischer 1972 in dem als Kampf der Systeme apostrophierten WM-Match gegen Boris Spasski gewann.